BeScÄt und taumelte fast unter dem Gewicht eines Handkoffers, den er trug. „Na, stell' den Koffer dort nieder, Teddy, wir wollen eins trinken." Esther sah es William auf den ersten Blick an, daß er unbefriedigt zurückkehre. „Haben die Favoriten gewonnen?" „Jawohl, die verdammten Biester, heute fünf erste Favoriten, gestern drei und vorgestern zwei. Wahrhaftig, gegen solches Pech kann kein Mensch lange ankämpfen. Na, Teddy, was willst Du trinken?" „Einen kleinen Whisky, bitte, Herr Prinzipal." Die Männer tranken. Dann befahl William Teddy, Seinen Handkoffer hinaufzutragen, und ging Esther nach in !as Stäbchen hinter dem Schanktisch. Sie sah ihm an, daß er schwere Verluste gehabt habe, aber sie enthielt sich vorläufig jeder Frage. „Komm, Jackie: nun unterhalte Du Deinen Vater, er- zähle ihm, wie es heute in der Schule gegangen ist; ich will hinuntergehen, um nach dem Essen zu sehen." „Ach, laß doch mein Mittag, Esther; bemüh' Dich nicht darum; ich will heut lieber in einem Restaurant essen gehen; um neun llhr werd' ich zurück sein." „Dann sehe ich doch heute aber gar nichts von Dir. Weißt Du, daß wir diese ganze Woche über noch kaum miteinander gesprochen habe»? Die ganzen Tage über bist Du fort beim Rennen, und abends sind Deine Freunde hier, mit denen Du Dich unterhältst; wir beide sind nie auch nur einen Augen- blick allein." „Ich weiß, Esther, ich weiß. Wer ich bin ein bißchen runter, weißt Du, ich Hab''ne sehr schlechte Woche hinter mir. Die Favoriten haben in einem fort gewonnen, und bei meinem Wetten auf Wheatear Hab' ich mich übernommen gehabt; ich hatte gehört, daß er so fest stünde wie die Bank von England . Im„En" werde ich ein paar Freunde treffen, die werden mich ein bißchen aufheitern." Aber ihre Enttäuschung schien ihm leid zu thun.- Er zögerte und fragte, was es denn zu Mittag gäbe. „Es giebt Seezunge und ein Beefsteak," sagte sie,„ich bin sicher, daß es Dir schmecken wird. Und ich habe Dir so viel zu sagen; bleib doch hier, Bill; bloß um mir'ne Freude zu machen." Sie sah sehr süß aus, wenn sie so in dieser ruhigen, ernsten Art sprach, und er nahm sie in seine Arme, küßte sie und sagte, ja, er würde bleiben, es könnte ja doch keiner in der ganzen Welt eine Seezunge so kochen wie sie; bei dem bloßen Gedanken daran bekäme er schon Hunger. „Kann ich bei Vater bleiben, während Du das Mittag- essen kochst?" fragte Jackie. „Ja, das kannst Du; aber wenn ich's heraufbringe, mußt Du schlafen gehen. Ich habe dann mit Vater zu reden." Jackie schien mit diesem Arrangement ganz zufrieden zu sein. Aber als Esther mit der Seezunge heraufkam und den Kleinen der Obhut Janes übergeben wollte, bat er sehr, noch bei Vater bleiben zu können, bis dieser seinen Fisch gegessen hätte. „Es kann Dir ja doch egal sein," sagte er,„Du mußt ja doch noch einmal hinuntergehen, um das Beefsteak zu braten." Aber als sie nun mit dem Beefsteak heraufkam, wollte er ebensowenig zu Bett gehen. Esther bestand jetzt aber fest darauf, und er wußte, daß nun nichts mehr dagegen zu sagen wäre. Als letzten Trost versprach sie ihm noch, daß sie herauf- kommen würde, um ihm einen Kuß zu geben, bevor er ein- schliefe. „Du kommst aber doch wirklich, Mütterchen, nicht wahr? Ich schlafe nicht eher ein, als bis Du dagewesen bist," rief er noch von der Thür. Esther und William lachten. Esther aber freute sich, denn sie war immer noch ein bißchen eifersüchtig auf Jackies Liebe zu seinem Vater. „Na, komm," rief Jackie Jane zu und lief hinauf. Charles zündete das Gas an; Esther mußte ins Gast- zimmer gehen, einige Kunden zu bedienen. Dann kam sie zu William zurück und lehnte die Thür nur an. William rauchte jetzt behaglich seine Pfeife. Ihr gutes Mittagessen hatte nicht verfehlt, seinen Eindruck auf ihn zu machen. Er hatte seine Verluste momentan vergessen und erinnerte sich jetzt, daß er ihr noch etwas Neues mitzuteilen hätte. Er hatte heute „Ginger" getroffen; der war furchtbar liebenswürdig zu ihm herangekommen, hatte ihm die Hand gegeben und gefragt, wie hoch er wettete. „Hat er auch mit Dir gewettet?" „Jawohl, fünf Pfund gegen meine zehn." Ihn jetzt noch einmal zu fragen, ob er gewonnen oder verloren habe, wäre unnütz gewesen. Und noch einmal begann nun William, sein Mißgeschick zu bedauern. „Morgen wirst Du wieder Glück haben," tröstete ihn Esther,„die Favoriten können doch nicht immer gewinnen. Erzähle mir noch etwas mehr von„Ginger". „Da ist nicht viel zu erzählen, wir haben eben so ein bißchen miteinander geplaudert. Er wußte schon alles über unser kleines Arrangement— die fünfhundert Pfund, weißt Du— und hat herzlich darüber gelacht. Peggy ist auch wieder verheiratet: den Namen ihres Mannes Hab' ich aber ver- gessen." „Ist es derselbe, den Du die Treppe hinunter- geworfen hast?" „Nein, der ist's nicht; es ist ein andrer; und, weißt Du, „Ginger" besinnt sich noch ganz gut auf Dich; er wünschte uns viel Glück, hat sich die Adresse notiert und sagte, er würde heute abend vielleicht ein bißchen vorsprechen. Ich Hab' so die Idee, daß es ihm nicht übermäßig gut geht, sonst wäre er nicht so furchtbar freundlich zu mir gewesen. Auch Jimmy White Hab' ich gesehen. Weißt Du noch, Jim, der kleine Kerl, den wir damals immer den„Kleinen Teufel" nannten? Der den Stewards Cup auf Silberschwanz gewann. Erinnerst Du Dich noch an den furchtbaren Zank, den Du mit ihm hattest, am ersten Tage, als Tu in Woodview warst?" „Es war am zweiten Tage." „Richtig, am zweiten. Am ersten Tage traf ich Dich da draußen im Felde mit Deinem schweren Bündel, wie Tu mich batest. Dir den Weg zu zeigen." „Ich war damals noch nicht lange in Stellung: großer Gott, wie die Zeit vergeht! Das alles scheint mir, als ob's gestern gewesen wäre— und wenn man dann bedenkt, wie wir beide uns durch einen reinen Zufall wieder begegnet sind — und nun sitzen wir hier als Mann und Frau in unscrm eignen Hause! Es ist zu merkwürdig!" Seit fast einem Jahre war Esther nun im„Kings Head", Die erste Mrs. Latch hatte ihre Scheidung ohne viel Mühe erlangt, und lange noch bevor Esther mit William aufs Standesamt ging, um sich trauen zu lassen, hatte sie sich davon überzeugt, einen guten Mann bekommen zu haben. Charles öffnete die Thür; „Mr. Randal ist drin, Herr, und möchte mit Ihnen sprechen." „Gut," sagte William,„sag' ihm, ich komme sofort." (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten.) Die Inclianer l�oräamerikas einst uncl beute. „Eine Bande von Seeräubern wird durch einen Sturm in un- bekannte Meere verschlagen. Endlich entdeckt ein Schiffsjunge von der Mastspitze aus Land; sie gehen an Land, um zu rauben und zu plündern: sie treffen auf ein harmloses Volk und werden gastlich auf-- genommen. Sic geben dem Lande einen neuen Namen, nehmen es für ihren König feierlich in Besitz und richten zur Erinnerung eine morsche Planke oder einen Stein auf. Sie ermorden zwei oder drei Dutzend Eingeborene, schleppen ein paar mehr gewaltsam fort, um sie als Muster vorzuzeigen, kehren in die Heimat zurück und werden begnadigt. Hier nun beginnt eine neue Herrschaft, erworben durch göttliches Recht. Schiffe werden bei der ersten Gelegenheit ausgesendet, die Eingeborenen zu Paaren getrieben oder vernichtet, ihre Fürsten ge- foltert, um ihr Gold herauszurücken, und alle Schranken der Un- Menschlichkeit und Lüste entfcrgt. Die Erde ist getränkt mit dem Blute der Eingeborenen. Und diese abscheuliche Schlächterbande, angestellt bei einem so frommen Unternehmen, ist eine moderne, zur Bekehrung und Civilisicrung eines heidnischen und barbarischen Volkes ausgesandte Kolonie." An diese Worte des sarkastischen Swift, mit denen er die Eni- deckungcn in Nord-Amerika , die Behandlung der Eingeborenen durch die Europäer und ihre Gründung von Kolonien so wundervoll kenn- zeichnet, wird man unwillkürlich erinnert, wenn man bedenkt, daß auf der Weltausstellung von St. Louis die Nachkommen der früheren Besitzer des ganzen weiten nordamerikanischen Gebietes, als Schau- objekt in einem besonderen Jndianerlager vereinigt, sich den neu- gierigen Blicken der Nachkommen ihrer weißen Unterdrücker auszu- setzen genötigt sind. Was haben in wenigen Jahrhunderten aus jenen körperlich und geistig gesunden Kindern der Wildnis die civili- sierten Europäer, die Spanier, die Franzosen , die Holländer und Engländer gemacht! Den Einfluß der europäischen„Kultur" auf die Eingeborenen von Nordamerika und den Vernichtungskrieg gegen
Ausgabe
21 (27.4.1904) 83
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten