Kleines feuilleton.

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Bis hinab zum Kraut der Beeren schießen die Lichter. Auch dis Erde hat sich einen hellgrünen Ueberivurf zugelegt, damit das alte, verblaßte Kleid darunter verschwinde. Aber es guckt doch hervor.

tp. Maimorgen. Dämmerhelle im Zimmer. Die Linien der und der weiche Moosteppich verbirgt mit Mühe feine Grauheit und Dinge verwischt. In den Eden tiefe Schatten.

" Rrriep! Rrriep!"

Unter meinem Fenster zirpt und flötet es, etwas scheu noch und zaghaft. Auch der Hahn im Stalle meldet sich, aber mit schmetternder Stimme: Kikerikil" Aus der Ferne ein Echo. Noch

eins. Das Leben erwacht.

Ein Sprung und in die Kleider. Dann an's offene Fenster. Ueber Wiese, Wald und Wasser hängen noch die Nebel, breit, schiverfällig, wie gewaltige Tüllschleier. Eben klettert der Morgen über den Berg, langsam, ein wenig verschlafen noch, und späht blaß­gesichtig ins stille Land. Da unter ihm ist alles grau, alles. Nur ein dunklerer Streifen dort, wo der Wald beginnt. Und zwei schmale, hochaufstrebende Linien hinten. Das sind die Fabrikschornsteine der Worstadt. Heut schicken sie ihre schwarzen Rauchfahnen nicht in die Ruft. Das Feuer brennt nicht. Denn Feiertag ist. Feiertag! Hinaus! Der Sonne entgegen! Kein Mensch auf der Gasse des Dorfes. Still alles. paar Hunde kläffen. An den Fenstern der kleinen Häuser sind die grünen Laden noch geschlossen. Und wo Sorglosigkeit sie am Abend geöffnet ließ, verhängen dichte Gardinen die Scheiben. Kein Auge Tugt hervor. Aber von den Beeten im kleinen Vorgarten sieht's schon her mit frischen, glänzenden, lachenden Augen, die wie blauer Sammet und gelbe Seide sind. Bunte Kelche halten den krystallenen Morgentrant bereit. Die Stiefmütterchen leuchten, die Veilchen duften, und in erquickendem Hauche wallt's über den Zaun.

Nur ein

Auch in der Hecke blizen blanke Thautropfen. Da ist ein Busch bon großen, gelben Sternen überfät, und dort ein andrer, der sich mit Kleinen, roten Blüten schmückte. Der Flieder steht noch wie in tiefem Schlaf, spröde, herb halten sich die winzigen Knospen der bläulichen Dolden geschlossen. Der Wein rankt sich trocken und blattlos ums Spalier, nur an den Spizzen sieht es dick und gelbgrün heraus. Er hat keine Eile. Aber die Stachelbeerbüsche grünen in voller Pracht, blattschwer Zweig um Zweig. Auch die dicke Kastanie vor der Thür fpreizt wohlgefällig die frischen, noch zierlichen Blätter; in ihr treibt es mit Macht, daß das Frühlingskleid fertig werde und sie der Welt Stolz ihre Kerzen aufstecken kann. Aber dort- dort, die Apfel­bäume! Sie sind ihr zuvorgekommen und tragen weißrote Blüten­Tuppeln über den blattarmen Aesten, beschneit die Kronen vom herr­Lichsten Schaume. Singe, Mai, ob dieser Schönheit, die köstliche Frucht verheißt!

Hinter dem Berge kommt es rötlich herauf wie mattfeuriger Dampf. Die grauen Wolfen beginnen langsam zu weichen.

Still liegen die sorgsam geeggten Felder und strecken sich aus in brauner Weite. Hier und dort ein breiter, grüner Strich, über den plötzlich eine leise Bewegung geht. Der Morgenwind hat sich aufgemacht. Er wedt ein unwilliges Flüstern und Stöpfeschütteln in den verschlafenen Halmen. Dann werden sie lebendig und nicken in gleichmäßigen, langausholenden Wellen.

" Quat! quat!" Der Wind schreckte die schmausenden Krähen auf; jetzt fliegt das Räubervolk davon, dem nahen Walde zu. Tirili! tirili!" Wie eine Antwort kommt's vom Ackerrande her, wo sich wirbelnden Fluges die Lerche hebt. Vom Berge schießt Der erste Strahlenpfeil der Sonne und lauter, jubelnder flingt's: Tirili! tiririlili!" Höher hinauf und hoch bis zur Unsichtbarkeit steigt der jauchzende Sänger.

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In den Wald. Dort spuken jetzt die Krähen herum, bald dicht am Boden entlang streifend, bald mit breitem Flügelschlage hinauf­Schießend in die dunkelgrünen Kronen. Eben war's noch Dämmerung hier. Jezt zerriß der erste Strahl die grauen Schleier, welche die Wipfel umhüllten, und färbte den oberen Teil der Stämme mit leuchtendem Gelb. Das ist wie ein Signal für Fink und Amsel: " Freude, Freude, Freude!" singen, flöten und zwitschern sie im Chorus, von einem Ast zum andern, von Baum zu Baum sich schwingend.

Ruppigkeit; Mutter Natur webte rote Blütensternchen hinein und versprengt in blauen Tupfen das wilde Veilchen.

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Zwei Eichhörnchen spielen Beck". Wie der Blik fliben die braunen, buschigen Schwänze umher, die Bäume hinauf und herab. Jetzt verbirgt sich das eine. Langsam klettert das andre um den Stamm herum, vorsichtig ausspähend. Aha, dort drüben! In mächtigem Schwunge schießt es hinüber und das Spiel beginnt von

neuem.

Der Birkeniveg endet am Erlengrund, dort, wo die einzelne Silberweide eben ihre weißen Blattknofpen entfalten will und am braunen, dornigen Brombeergebüsch die ersten grünen Fähnchen flattern. In den kleinen Sumpflachen fing es auch schon an, lebendig zu werden. Zierliche Stichlinge schwimmen an der Oberfläche und in dem dunklen, schlammigen Grunde windet sich behende der Molch. Bunte Eidechsen rascheln im alten Laube und in trockenen Schilf­überresten und auf einem abgebrochenen Zweige, der im Sumpfe liegt, hockt ein Frosch und globt dich mit neugierigen Augen an. Bald wird es hier wimmeln von kleinen Leben!

Ein Schmetterling zeigt uns den Weg zur Wiese, zum Wasser. Vor uns, ant jenseitigen Ufer, hoch über dem Berge, dessen du..kle Waldung sich jetzt scharf und klar héraushebt, steht strahlend die Sonne. In ungetrübter Bläue wölbt sich der Himmel. Er spiegelt sich wieder im blanken Wasser, das sich in weiter Fläche vor uns aus­dehnt. Dort hinten kommt ein weißes Segel herauf, noch eins Punkten. Dort rädert auch schon der erste Dampfer heran, das Deck und immer mehr, bis das Wasser belebt ist von vielen, hellen Hüte werden geschwungen, gefüllt von feiertagsfrohen Menschen. helle Kleider leuchten. Musik ertönt, Lachen klingt herüber Freude, Freude, Freude!

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Zu unsren Füßen aber in schönster Pracht liegt die Wiese. Die alten, dürren Halme sind überdeckt von dem neuen, frischen Grün. Naß schimmert's vom Nachttau wie lauter Perlen. Und in un­zähligen, weißen Knospen darüber hingestreut die Blüten des Gänse­blümchens, untermischt von roten und blauen Sternen und von den fleinen, gelben Sonnen der Butterblume.

Ein buntes, junges Werden. Alles ist noch im Werden. Altes und Neues kämpft miteinander. Aber das Neue siegt. Das starke Neue.

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Humoristisches.

Ein Duz bruder. Sie sind doch ein guter Freund vom Herrn Meier?" " Ich? Woher denn? Grobheit'n mach' ich ihm alle Tag'!" Aber Sie hab'n doch neulich erst Bruderschaft mit ihm getrunken?" " Ja, dös is bloß, damit i' mi' leichter red'!"

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Mutterglück.

Töchterchen?"

"

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Nun, wie entwickelt sich denn Ihr O prächtig! Es kann schon den Cigarettenrauch durch die Nase blasen!"

Der neue Spudnapf. Dorfbader( zum Lehrbub): ,, Lausbub, elendiger, Du spuckt auf den Boden!... Der Spudnapf ist nur für die Kundschaft da!"

Notizen.

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( Fliegende Blätter ".)

Die nächste Novität des Neuen Theaters ist die drei aftige Satire, Sans im Glid" von Amtor Layto; Hans Waßmann spielt die Titelrolle.

Drehte sich des Himmels mächtige Kuppel? Kam die Sonne empor auf blauem Floß gefahren? Die Nebel zerflattern und die Wolken fliehen nach Westen, verfolgt von den glühenden Pfeilent.-Die Leitung des Intimen Theaters in Nürnberg Die bliken auch herein in die letzten Schlupfwinkel des Waldes und übernimmt mit Beginn der nächsten Spielzeit der Schauspieler entzünden die eben herausgeschossenen, braungelben Kerzen der Dr. Friedrich Krüger vom Berliner Schiller- Theater. niedrigen Tannen. In Berlin haben in der letzten Saison( vom Oktober bis " Quat! quat!" Ruhlos hasten die Krähen, einen dunklen Ort zum April) mehr als 1200 Stonzerte stattgefunden; populäre suchend. Aber der ganze Wald steht in sonnigen Flammen. Licht, Stonzerte find hierbei nicht mitgerechnet.- Glanz und Freude!

Bom zähen Eichbaum löst sich das letzte braune, Blatt, dem Herausdrängenden Neuwuchs weichend. Nieder das Alte! Platz für das Neue! Ueberall ein Stoßen, Drängen und lautloses Streiten. An Weide und Hollunder wiegt sich frohlebendig das junge Grün. Und ihr, meine zarten Birken? Wie melancholisch schien mir der schmale Weg, den ihr säumt, zur Winterszeit! Eure dünnen Aestchen fröstelten und euer braunes Gezweig bebte wie im Fieber, wenn hinter euch die dunklen Tannen mit dem Schnee spielten. Aber nun? Nun geht's wie ein Lachen durch alle Blätter, übermütig schüttelt der Wipfel die wie Frauenhaar herabfließenden Fäden, und die Sonne stedt blizende Brillanten hinein, und es flimmert und leuchtet im jungen Laube wie eitle, spielende Jugendpracht!

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Die Große Berliner Kunstausstellung ist gestern mittag eröffnet worden.-

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Die älteste datierte Karte mit dem Namen Berlin , die bisher bekannt geworden ist, stammt aus dem Jahre 1501. Gedruckt wurde sie in Nürnberg von Georg Glogkendon. Sie trägt den Titel: Das sein dy lantstrassen durch das Romisch rehch von einem Kunigreich zu dem andern, dy an Tewtsche land stossen von meilen zu meiln mit puncten verzaichnet. 820 Städte sind auf ihr eingetragen.

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Eine merkwürdige Inschrift trägt laut, reuz Beitung" die Brückentafel in Briefcht( Kreis Beeskow- Storkow ). Sie lautet: Vürs Pferd 6 Pfg. Ein Arind 4 Pfg. Schaf, schwein Der Menß 3 Pfg."

Verantwortl. Redakteur: Paul Büttner , Berlin.-Druck und Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.