-

370

halte. Und warum sollte fie dies gethan haben, wenn sie nicht irgend ein schweres Unglück oder tiefer Summer bedrückte?

William, der inzwischen zurückgekommen, war der gleichen Ansicht. Es müßte etwas sehr Ernstes passiert sein. Als fie abends in ihr Zimmer hinaufgingen, sagte Esther zu ihm:

" Das fommt alles bloß von diesem furchtbaren Wetten; die ganze Nachbarschaft ist schon ruiniert; einer nach dem andern verliert sein Haus und seine Möbel, und schließlich wird man uns noch die ganze Sache zur Last legen."

,, Weißt Du, Esther, es macht mich nachgerade wild, Dich so reden zu hören. Die Leute wollen doch nun mal wetten; wer kann sie davon zurückhalten? Ich bestehle sie doch nicht; ich nehme nur ihr Geld an, wenn sie's mir bringen. Und da behauptest Du mun, ich hätte schuld daran, wenn sie nachher ihre Möbel versehen und ihre Kleider verkaufen."

Esther gab hierauf zuerst feine Antwort. endlich sagte fie: " Ich muß nun mal nach Sarah sehen."

Sie ging hinein, faßte die Schlafende beim Arm und rüttelte fie leise.

Endlich erwachte Sarah.

Wo bin ich? Was ist passiert?" fragte sie. Nehmt das Licht fort von meinen Augen; o, wie thut mein Kopf weh!" Ihr Kopf fiel schwer auf das Kissen zurück, und Esther glaubte schon, sie sei wieder eingeschlafen. Aber gleich darauf öffnete sie die Augen, stützte sich schwerfällig auf einen Ellbogen und sagte:

Wo bin ich denn eigentlich? Bist Du das, Esther?" Ja, Du bist bei mir; weißt Du das nicht mehr?" Nein; ich weiß überhaupt nichts mehr. Ich weiß nur noch, daß das Pferd nicht gewonnen hat. Aber weiter weiß ich auch nichts. Und dann dann hab' ich mich betrunken, nicht wahr? Es kommt mir wenigstens so vor."

-

Ja, als Du hörtest, daß das Pferd nicht gewonnen habe, hast Du zu viel getrunken; das war sehr unrecht von Dir, Dich so gehen zu lassen."

" Mich gehen zu lassen? Betrunken? Was schadet das alles? Mit mir ist's mun doch zu Ende!"

Hast Du denn wirklich so viel verloren?"

Es handelt sich nicht um das, was ich verloren, sondern um das, was ich genommen habe. Ich habe Bill das ganze Silberzeug zum Versetzen gegeben; es ist alles fort, alles; und morgen kommt die Herrschaft zurück. Sprich lieber gar nicht darüber. Ich habe mich nur betrunken, um es zu vergessen." " D, Sarah! Das ist ja schrecklich! Aber wie ist das denn alles gekommen? Nun sage mir doch endlich alles."

Ich will lieber nicht darüber sprechen. Ich will auch nicht daran denken. Sie werden bald genug kommen, um mich zu holen. Außerdem kann ich mich jetzt auch auf gar nichts besinnen. Mein Mund brennt so fürchterlich. Gieb mir doch zu trinken. Nein, kein Glas, die ganze Karaffe!"

Gierig trant sie von dem frischen Wasser und schien sich dadurch ein bißchen zu erholen. Esther bat sie noch einmal, ihr zu erzählen, welche Bewandnis es mit dem versetzten Silber­zeug habe.

" Du weißt doch, daß ich Deine Freundin bin, so sage mir doch nun alles. Ich will ja versuchen, Dir zu helfen." Mir kann jetzt keiner mehr helfen; mit mir ist's zu Ende; laß sie nur lieber kommen und mich holen, ich werde ruhig mit gehen, werde kein Wort mehr sagen."

"

Sie brach in lautes Schluchzen aus.

" Für wieviel ist es denn versetzt worden? Weine doch nicht so," und sie nahm ihr eignes Taschentuch und trocknete Sarahs Thränen damit. Für wieviel ist es denn versetzt worden? Vielleicht leiht mir mein Mann das Geld, damit wir es auslösen können."

" Das nüßt nichts, mir kann keiner helfen, Esther; ich kann ja nicht darüber sprechen; ich werde sonst wahnsinnig." Sage mir doch nur, wieviel Du darauf bekommen haft?" " Dreißig Pfund."

11

Esther begann sie jetzt auszukleiden, aber das war eine schwere Aufgabe. Alle paar Minuten schien sie in Bewußt Iosigkeit zu versinken. Dann raffte sie sich wieder auf und streifte ein paar Kleidungsstücke ab. Als Esther in ihr Schlaf­zimmer zurückkam, schlief William schon; sie stellte sich neben ihn hin und rüttelte ihn an der Schulter.

" Die Sache ist noch viel schlimmer, als ich glaubte!" schrie sie ihm ins Ohr. Ich will es Dir erzählen."

27

Was denn?" fragte er und öffnete schläfrig die Augen. Sie hat das Silberzeug ihrer Herrschaft für dreißig Pfund versetzt, um auf das Pferd sezen zu können!" Welches Pferd?"

Ben Johnson."

-

Der ist zum Glück kurz vor dem Ziel zusammengebrochen, sonst wäre ich ruiniert gewesen. Die ganzen Leute hier herum hatten ja auf ihn gesetzt! Und um auf den zu wetten, hat sie das Silberzeug versett? Das hat sie sicher nicht für sich selber gethan; den Gedanken muß ihr jemand anders eingegeben haben."

" Ja, gewiß; Bill Evans."

H

Aha, der verdammte Schurke! Das sieht ihm ähnlich; aber ich dachte, sie hätte ihn endgültig verlassen? Sie hatte uns doch versprochen, daß sie nichts mehr mit ihm zu thun haben wollte!"

könne.

"

" 1

Ja, aber sie sagt, sie liebe ihn so sehr, daß sie nicht anders Es giebt viele solche Frauen."

Wieviel hat sie denn auf das Silberzeug bekommen?" Dreißig Pfund."

William stieß einen lauten Pfiff zwischen den Lippen hervor, dann ſegte er sich mit einem leichten Ruck empor und sagte:

"

,, Sie darf hier nicht bleiben; hier nicht; denn wenn die Sache rauskommt und man hört, daß sie es des Wettens wegen gethan hat, so kann uns das eflig in die Bude regnen. Man hat ja ohnehin schon Verdacht auf uns. Dein früherer Liebhaber, der Kerl aus der Heilsarmee  , der sucht ja schon überall nach bereidigten Aussagen gegen uns."

,, Sie wird morgen in aller Frühe fortgehen. Aber ich dachte, Du könntest ihr vielleicht das Geld leihen, um die Sachen auszulösen."

Was! Ich! Dreißig Pfund?"

11

Es ist viel Geld; ich weiß es; aber ich dachte, Du würdest es vielleicht im stande sein; Du hast doch bei diesem Rennen sicherlich viel gewonnen?"

,, Na ja, aber vergiß doch nicht, wieviel ich den Sommer. über verloren hatte. Das ist seit langer Zeit wieder mein erstes bißchen Glück gewesen."

Aber vielleicht könntest Du es doch thun," wiederholte Esther. Sie stand neben dem Bett und blickte auf ihn herab. Es wollte ihm in diesem Augenblick scheinen, als gäbe es keine beffere Frau als sie auf der ganzen Welt; und er sagte:

11

Wenn Du es willst, Esther, so haben dreißig Pfund nicht mehr Wert für mich, als ein Penny.

,, Und ich bin doch keine verschwenderische Frau, nicht wahr, Bill?" sagte Esther liebkosend, setzte sich aufs Bett und schlang ihre Arme um ihn. Ich habe Dich doch noch nie zuvor um Geld gebeten; und sie ist meine Freundin und Deine auch; wir fennen sie nun schon so viele Jahre. Wir können sie doch nicht ruhig ins Gefängnis gehen lassen, ohne nicht wenigstens einen Versuch zu machen, sie zu retten. Nicht wahr, Bill?" ( Fortsetzung folgt.),

"

"

Die Balzzeit.

( Nachdruck verboten.)

Der Ausdruck Balzen", der ja auch in scherzhafter Form auf den liebeglühenden Jüngling angewendet wird, der vor seiner An­gebeteten herumschwänzelt", kommt in der Jagdsprache nur den Bögeln zu. Er bezeichnet das Liebeswerben des Hahns um die Henne, das sich in Tänzen, Sprüngen, zärtlich flingenden Tönen usw. äußert und bei manchen Vögeln sogar bis zu einer Art Verzückung führt, die sie gegen äußere Eindrücke unempfindlich macht.

Leider respektiert der Jäger, der doch sonst so eifrig sein Wild hegt und pflegt, die Balzzeit einiger Vogelarten gar nicht. Er schießt abends und morgens die ziehende Waldschnepfe auf dem Anstand, er stellt dem Auerhahn und dem Birkhahn nur in dieser Zeit nach. Die Erklärung dafür ist nicht leicht gegeben. Bei dem Auerhahn fann ja als Entschuldigung angeführt werden, daß er zu andern Zeiten des Jahres kaum zu erlegen ist, weil seine große Vorsicht ihn vor den Nachstellungen des Jägers bewahrt. Bei Schnepfe und Birkhahn  kann aber diese Entschuldigung nicht gelten, denn diese Wildarten find auch im Herbst auf der Suche ohne allzugroße Schwierigkeiten zu erlegen. Es handelt sich da wohl um eine von Alters her über­fommene üble Gewohnheit, die schwer zu bekämpfen sein wird. Denn es giebt kaum eine andre Jagdart, die von der Natur selbst mit so großen Reizen umkleidet wird.

Zwischen den Spirding und den Warnoldsee schiebt sich weit hinein eine breite Landzunge, die in einem undurchdringlichen Rohrdickicht endigt. Davor liegen schwimmende Wiesen, die noch nie eines Menschen Fuß betreten hat, über unergründlichem Moder. Noch weiter zurüd bedeckt niedriger Buschwald den schwarzen Boden. Das brütet an unzugänglichen Stellen der stolze Schwan, der wachsame ist ein Dorado für alle Vögel, die in Sumpf und Ried nisten. Dort Kranich  , die scheue Rohrdommel, der Reiher, dort findet man den seltenen, schwarzen Storch und das kleinere Getier, wie Enten, Toucher, Schorben, Schnepfen usto. Dort balzt auch der Birkhahn  . Der Grünrock, zu dessen Revier dies Dorado der Vögel gehört,