Anterhaltungsblatt des Horwärls Nr. 125. Dienstag, den 23. Juni. 1904 (Nachdruck verboten.) so] Im Vaterkaule. Socialer Roman von Minna Kautsky . Es war der junge Schlosser, die Tini kannte ihn, der eine kleine Erbschaft gemacht und sich etablieren wollte. Er speku- lierte auf seine Tochter und verlangte eine kleine Mitgift. Der Mann ginge auf alles ein, dem war keine Bedingung zu hart, natürlich, er bezahlt das Geschäft mit dem Gelde des Schwieger- Vaters, mit seinein Gelde, der Schlaumeier, aber das wird er sich noch überlegen, so gern er auch das Mädel schon los wär. 's Geschäft verkaufen,'s Mädel verheiraten, beide werden nicht besser aber beides an einen und denselben ist ungeschickt. Plötzlich hob er den Kopf und blickte gegen die Thür. In dem ungewissen Licht sah er, daß sich dort etwas be- Wege, es war jemand hereingekommen. Er warf den Hammer hin und ging ihm entgegen. Frau v. Witte," rief er erstaunt. Aber daß Sie sich auch da herunterbemühen, wegen dem Zins: wollen wir nicht lieber hinaufgehen? Uebrigens wenn Sie schon da sind, ich nehm' ihn auch hier." Frau Witte rang nach Atem und als sie ihm jetzt ihre Bitte vortrug, klopfte ihr Herz so heftig, daß sie kaum reden konnte. So. so," sagte er kurz und wiederholteso, so." Er ließ merken, wie unangenehm ihm jede Uupünktlichkeit sei. Als sie aber mit ihrem sanften, flehenden Ton sagte:Nur zwei Tage warten Sie, dann zahlen wir sicher," nahm er eine huldvolle Miene an. Solange wollte er warten, und als sie mit den Augen ihm dankte, streckte er sich höher, in dem Gefühl, ein guter Kerl zu sein. Mit einer alten Partei müsse man Nachsicht haben, und dann wisse man ja, wie es in Künstlerfamilien zugehe. Wo das Geld leicht verdient wird, da wird's auch leicht ausgegeben. Wir G'schäftsleut' haben's nicht so gut. Wir müssen uns plagen und haben nichts davon." Er begann zu jammern, wie er sich abrackern müsse, erst in Werkstatt, dann im Ge­meinderat, er käme den ganzen Tag aus dem Schweiß nicht heraus: und wcnn's noch was abwerfen thäte, aber auch das nicht einmal:Hinschmeißen möchte man alles." Sie suchte ihn auf die Zeit zu vertrösten, wenn der Emil zurückkäme. Wenn er ihm das Geschäft übergebe, werde er sich's erleichtern können. Da fuhr der Alte auf, als hätte sie einen wunden Punkt berührt. Damit er auch nichts verdient," sagte er rauh. Dieser Hillweis auf Ueberlassung des Geschäfts an seinen Sohn, der mit so ruhiger Sicherheit ausgesprochen wurde, als könnte er nichts andres sein, erregte seinen Aerger und mehr noch sein Mißtrauen. Jenes Mißtrauen des Kleinbürgers, der es zu etwas gebracht und nun in jedem armen Teufel einen Speku- lanten auf sein Vermögen wittert. Das wär' ja sehr begliem, wenn das, was er in langen Jahren mühsam zusammengeschuftet, nun von andern Leuten lustig genosseil würde. Der bloße Gedanke, daß die Wittes je an seinem Geld einen Anteil haben könnten, erregte ihn maß- los. Aber so hatte er nicht gewettet. Es hatte ihm Spaß ge- macht, zu sehen, wie sein Stammhalter so früh schon hinter einem hübschen Mädchen her war. Jetzt, wo der Emil als heiratsfähiger Mensch zurückkommt, wird's ernster. Die Wittes möchten ihn gleich mit dem Kotzen fangen. Er kriegt das Geschäft, sie rechnen schon drauf und die Gusti könnt' sich so schön ins Volle setzen. Das möchte ihnen passen, trotz aller Hochnäsigkeit, aber ihm paßte es nicht. Seine brutalsten In- stinkte waren wachgerufen, aber die vornehme, bescheidene Haltung dieser Frau, ihr blasses Gesicht legten ihm eine ge- wisse Reserve auf. Er wird die Sache mit größter Feinheit behandeln, er wird es ihr nur in der Blume sagen, aber verekeln wird er's ihr ordentlich. Nachdem er die Lehrbuben an die Bohrmaschine geschickt hatte, die andern abzulösen, begann er: Ja, meine liebe Frau v. Witte, das mit dem Geschäft übergeben is leicht gesagt, aber es heißt nix mebr. heutzutage. Was soll ich ihm denn übergeben? Den alten Blasbalg da, oder die Bohrmaschine und das andre Gerumpel? Oder die Kundschaft, die ich nicht Hab? Wir Kleinmeister leben ja nur von der Reparatur, oder wenn uns eine große Firma gelegent- lich was hinschmeißt, was sie selber nicht mag, weil nix dabei zu verdienen ist: wenn einer, wie ich, der das Handwerk im kleinen Finger hat, damit nix aufstecken kann, glauben Sie, daß der Emil dabei seine Rechnung find't. Keine Spur der taugt ja gar nicht mehr dafür. Der Mensch hat immer in der Fabrik gearbeitet, unter ganz andern Verhältnissen, gar jetzt, wo er im Ausland war. glauben Sie, daß sich der in dem Kellerloch und mit dem ganzen G'frett da zurechtfind't? Das giebt's nicht. Der Emil muß sich eine kleine Fabrik einrichten können so mit fünf, sechs Gehilfen und einen ordentlichen Motor dazu das geht heut noch und dann muß er halt a brav's Madel heiraten, die a Geld hat." Frau Witte sah ihm fest in die Augen und entgegnete ruhig: Sie verweisen Ihren Sohn also auf diesen Weg?" Ich weiß keinen bessern." Und wissen Sie auch, daß Emil damit einverstanden sein wird, seine Selbständigkeit um diesen Preis zu erkaufen?" Was soll er denn machen? Ohne Kapital kann man heuzutage nix anfangen, und als Kleinmeister geht er zu Grunde." Breitspurig und lächelnd stand er vor ihr, in dem Be- wußtsein, eine unumstößliche Wahrheit gesagt zu haben. Uebrigens ist der Emil nicht so dumm, um das nicht zu begreifen, und eine reiche Frau ist doch nicht so was Bitteres. meine ich, daß man's nicht nehmen möcht', ich habe auch die Richtige schon in petto." Er glaubte zu bemerken, daß die Frau zusammenzuckte, und in seiner Weise wurde er noch charmanter. Sehen Sie, liebe Gnädige, bei den Künstlern kann's anders sein, das sind unpraktische Leut' die machen eher a Dummheit, aber ein Geschäftsmann, das weiß ein jeder, der kann kein Mädel heiraten, die nix hat." Sie gab keine Antwort. Das reizte ihn und unwillkürlich verfiel er in einen erregten Ton. Die Leut' plauschen freilich von meinem Reichtum, aber da täuscht man sich sehr woher sollt's denn kommen das möcht' ich wissen. Und bedenken Sie nur, meiner Tochter muß ich eine Mitgift geben und wenn es mir noch so schwer fällt, das muß sein, sonst bring' ich's nicht an, und das ist bei an- ständigen Leuten auch so der Brauch. Aber die Tochter aus- heiraten und dem Sohn mit meinem Geld einen größeren Betrieb einrichten, das ist mir zuviel, das kann ich nicht leisten, absolut nicht, dann ging ist betteln mit meiner Alten, und das kann niemand von mir verlangen." Elise hob den Kopf und sagte vornehm, wenn auch ihre Stimme ein bißchen bebte und eine blasse Röte in ihre Wangen stieg:Niemand wird das von Ihnen verlangen, gewiß niemand." Sie nahm ihren Mantel zusammen und wendete sich zum Gehen. Mir scheint, die hat's verstanden." dachte Schönbrunner und wollte, nachdem er sein Ziel erreicht hatte, ein wenig ein- lenken, aber in seiner töppischen Roheit kam er immer tiefer hinein. Nit bös sein, liebe Frau Witte, ich bitte, nicht vielleicht zu glauben, daß ich damit eine Anspielung ich weiß ja nix und brauch' nix zu wissen... Der Emil hat mir nie etwas g'sagt und was ich so g'sehen Hab' haha, er war ein Bub, sozusagen, und sie ein klein's Madel und wenn die in- einander verliebt sind, das ist wie eine Kinderkrankheit da lacht man dazu, wenn man gescheit is. Sie haben es wohl auch nicht ernst g'nommen, na natürlich nicht aber wenn der Emil jetzt zurückkommt, da da könnt' die G'schicht leicht ein andres G'sicht kriegen" Herr Schönbrunner," unterbrach Frau Elise,Ihre Vor- aussetzungen sind absurd und ich muß bitten," sie strebte der Thür zu,mich damit zu verschonen." Er ging ihr nach und stellte sich vor die Thür. Ich sag' ja nix, ich mein' ja nur es ist meine PsliKt. Ihnen da ein wenig die Gustel ist ja ein lieber Acr. ob