Gusti;
ich möchte gleich wieder von vorn anfangen."
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Im Gegenteil, ich bin so munter wie nur je," versicherte Die erfte Ausstellung des deutschen Künstlerbundes in München .
Schaut mir den kleinen Lumpen an," scherzte der Vater. Das möchte Dir also behagen?"
,, Das will ich nicht hoffen," sagte die Mutter, während fie aus Gustis Händen die Tasse entgegennahm.
Reine Angst, mein Kaffee bei Dir, Mutti, ist und bleibt mir das Allerliebste auf der ganzen Welt."
Der Vater lachte.
Luise war indeß von der andern Seite an das Bett getreten; sie umschlang die Mutter, preßte ihre rosigen Wangen an ihre blassen und schmeichelnd bat sie:
Sei uns nicht böse, es war so neu für uns, so schön." Als die Mädchen die Stube verlassen hatten, um Vaters Schlafzimmer aufzuräumen, setzte sich Witte an das Bett seiner Frau und forschte teilnahmsvoll nach ihrem Befinden. „ Nur recht ruhig sein, schone Dich, bleibe im Bett, in einigen Tagen ist es wieder vorüber. Um die Toiletten der Mädchen will ich mich selbst bekümmern, sie müssen natürlich in Weiß erscheinen." Und auf den überraschten Blick seiner Frau sagte er:„ Ich hab' mit dem Möbelhändler gesprochen, er nimmt den Bücherschrank mit 60 Gulden." Ein Seufzer antwortete ihm. Er zuckte die Achseln:„ Es thut mir ja auch leid, um das alte Erbstück, aber wenn sich's um Wichtiges handelt, sind kleinliche Bedenken nicht am Blaze. Wenn ich die Mädchen in die Gesellschaft einführe, müssen sie sich auch elegant präsentieren."
In welche Gesellschaft willst Du sie einführen?" In die gute, selbstverständlich."
Du wirst sie doch nicht weiter mit diesen Lebemännern zusammenbringen, um Orgien zu feiern?"
Die Gereiztheit dieses Ausfalles, der absprechende Ton verlegte ihn.
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Wie kannst Du so reden.. mit Lebemännern zufammenbringen... Orgien feiern na, hörst Du, Lisi, das ist aber stark Ich habe sie doch nicht zusammengebracht! Der Zufall hat es so gefügt sollte ich eine so respektvolle Einladung refusieren? Fürchtest Du um die Kinder, wenn sie bei ihrem Vater find? Uebrigens beruhige Dich, das war einmal und dieses eine Mal war es schicklich, es wird nicht wieder geschehen." Er stand auf, ging einige Male auf und ab, stellte sich dann wieder zu ihr ans Bett und fagte mit fanfter Würde:" Wir werden fünftighin im Hause der Familie Brandt selbst verkehren, sie zählt zu den vornehmsten in Wien , das dürfte Dir doch genügen." Er schielte nach seiner Frau und als sie schwieg, hielt er nicht länger an sich; in stolzer Befriedigung, mit glänzenden Augen, er zählte er, daß Baron Brandt ihn für morgen zum Lunch geladen, fünftigen Sonnabend aber seien sie alle zu Ferdinand Brandt für den Abend gebeten.
,, Er besitzt ein Bild meines Vaters, ich soll es mir ansehen. Er ist ein bekannter Mäcen und will mich bei dieser Gelegenheit mit einigen Koryphäen der Kunst bekannt machen. Er meinte, es ließe sich vielleicht eine Witte ausstellung im Künstlerhause durchseken das wäre doch großartig... unsre Bilder könnten ihr als verkäuflich ein gereiht werden. Denk' Dir, Elise, wenn wir auf diese Weise einen anständigen Preis erzielten, das müßte Dir doch auch erwünscht sein, oder nicht?"
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Elise änderte nicht den absprechenden Ausdruck in ihrem Gesichte.
sch sehe nicht ein, was die Kinder dabei zu thun haben." Die Kinder, Du siehst noch immer die Kinder in ihnen, das sind heute junge Damen sie gehören in die Welt, fie müssen gesehen werden."
In dieser Welt? Was sollen sie dort?"
Es ist noch nicht lange her, da hörte man zum erstenmal von Grunde weiter nichts bar, als eine erweiterte Zusammenfassung aller der neuen Vereinigung: Der deutsche Künstlerbund. Dieser stellt im örtlichen Secessionen, die in München , Berlin , Dresden und andren Städten bestehen. Bei dieser Gelegenheit wird zugleich der Rahmen der Mitgliedschaft zu erweitern gesucht, indem die Künstler, die bis dahin noch nicht der Secession augehörten, aus irgend welchen lokalen Gründen vielleicht, dem Künstlerbund als dem größeren Busammenhang sich anschließen. Die Initiative ging von Weimar aus und fand in Berlin und München , den beiden Städten, die in Es soll ein um Bezug auf Kunst rivalisieren, günstigen Boden. fassender Zusammenhang der Künstler geschaffen werden, die aus irgend einem Grunde zu den Gesamtbestrebungen der Secession zu stimmende Beziehungen haben. Dieser Künstlerbund will dann abwechselnd in den größeren Städten Ausstellungen veranstalten, es foll eine Centrale da sein, die die Unternehmungen der fleineren Verbände regelt und sammelt.
Sie
daß einmal die Secessionen es müde werden würden, immerzu als Ein solches Vorgehen lag in der Luft. Es war vorauszusehen, Opposition zu gelten. Sie glauben jetzt so weit ihre Berechtigung erwiesen zu haben, daß sie nicht als Umstürzler oder jugendliche Neuerer mehr angesehen werden wollen. So jammeln sie ihre Anhänger und bilden einen festen Zusammenhalt, der nichts andres bedeutet, als zu erweisen, daß die Ideen, denen die Secession huldigt, die Geltung für die Zukunft beanspruchen können. wollen durch ihren Zusammenschluß erreichen, daß sie noch einmal ermunternd geschlossen vorgehen, um sich an die Stelle der offiziell geltenden Kunstausstellungen zu setzen. Was bisher einzeln, in berschiedenen Städten war, soll nunmehr sich sammeln, um mit größerem Nachdruck weiterzuarbeiten. Es soll gezeigt werden, daß über ganz Deutschland hin diese Bestrebungen sich regen. Damit würden der Sache gute Dienste geleistet. Denn bislang glaubte man vielleicht noch, einzelnen Regungen lokaler Art gegenüberzuftehen, die man ignorieren konnte. Nun mit einem Male enthüllt sich eine Einheit, die viel überzeugender und dauernder wirkt. Die lokalen ihrer Grenzen bleibt ihnen noch genug vorbehalten. Nur wenn es Verbände sollen damit nicht überflüssig gemacht werden. Innerhalb nötig ist, gemeinsam zu handeln, soll eine Centrale da sein, die die Leitung übernimmt. Es ist damit etwas ganz neues geschaffen, das der Zeit socialer Zusammenschlüsse entspricht. Damit tommt in die Veranstaltungen, Kunstausstellungen der Seceffionen und des Künstlerbundes ein Zusammenhang, der bis dahin ähnlichen Veranstaltungen fehlte, so daß das Publikum immer eigentlich dem Zufall glauben mußte, falls die betreffende Ausstellung eine internationale war, und wenn sie nur lokal war, immer wieder dasselbe in Variation zu sehen bekam.
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Freilich muß die Leitung sich hüten, zu einseitig vorzugehen. Die Grenzen dürfen nicht nach den jeweiligen Wünschen des Romitees gezogen werden. Es muß immer genug Spielraum gelassen werden, daß nie eine Stagnation eintritt. In dem Falle erweist der Bund sich sofort als überflüssig, ja als schädlich. Es ist aber das Eintreten eines solchen Falles nicht zu befürchten. Denn die lokalen Verbände, aus denen der Bund sich rekrutiert, werden immer für Erneuerung sorgen müssen.
fich leicht übersehen. Er stärkt das Ansehen der Mitglieder, Was der Künstlerbund mit diesem Vorgehen erreicht, läßt denen er zu erhöhter, künstlerischer Geltung verhilft. Es wird für die Zukunft nicht gut mehr möglich sein, bei offiziellen Gelegenheiten, wo es sich um Aufträge handelt, die Secessionisten einfach zu umgehen. Dem Ausland gegenüber ist eine einheitliche Vertretung ermöglicht. Während früher die Ausstellungen der lokalen Secessionen vielleicht zu lehrhaft und monoton waren, wird nun die Möglichkeit da sein, das Niveau vielseitiger zu gestalten. Es werden sich alle die Keime entwideln, die in den abseits gelegenen Städten fich regen. und indem dem Ganzen, dem deutschen Künstlerbund, der Charakter der bloß Tofalen Opposition gegen ältere Verbände genommen wird- eine Pflicht, die die lokalen Secessionen zu erfüllen haben ist die Möglichkeit gegeben zu einem energischen Borstoß im ganzen, da nun dem Vorgehen das nur Momentane, teile will, sondern es sich um ein Großes, Ganzes handelt.
sch weiß nicht, welche falsche Vorstellungen Du Dir Lofale nicht mehr anhaftet, das nur für eine einzelne Gruppe VorSabon machst. Du fennst sie nicht, diese Welt."
,, Du ebensowenig."
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Witte sah beleidigt aus, aber er behielt seine Vornehm Heit: Mein Vater war' Akademieprofessor, er gehörte zu dieser Welt, ich bin dafür erzogen worden und ich habe auch meine Töchter dafür erzogen." Er setzte sich wieder an ihr Bett und mitteilsam, voll heiterer Zuversicht, suchte er sie zu überreden, daß das Glück ihnen nahe sei. ( Fortsetzung folgt.)]
Dieser Weg war vorgezeichnet. Wollten die jungen Künstler dieser höheren Idee zusteuern, die für sie zugleich ein neues Machtnicht sich selbst in ihrer Entwicklung hinderlich werden, so mußten fie mittel bedeutet. Es ist für sie zugleich eine Existenzfrage. Denn von dem Moment des Zusammenschlusses an stehen ihnen ganz andre Mittel zu Gebote, während die früheren Vorteile ihnen nicht verloren gehen. Ein Rückhalt im Ganzen ist nie zum Schaden. Und gerade in künstlerischen Fragen ist er von hoher Bedeutung, da er dem Streben eine Gemeinsamkeit giebt, die, trotzdem dem Einzelnen und den einzelnen lokalen Verbänden Selbständigkeit und Individualisierung gewahrt bleibt und bleiben muß, der Entwicklung nur vorteilhaft sein tann.