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" Laß'' n doch zufrieden, Hein," sagte Schlichting, und ich dacht' auch so. Die holde Schönheit war so gerade genug für mich, ohne das noch alles.
" Thu' mich bloß mal den Gefallen," sagte Hein eifrig, mach' Dich mal so häßlich, wie Du kannst."
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" Laß' n zufrieden," sagte der alte Jürgen, als sein Neffe ihn antnurrte. Du kannst selbst nich flagen, Hein."
" Ich sage Euch, Maat," sagte Hein ganz langsam und feierlich, ,, da steckt' n Vermögen in ihm. Ich hab'' n mir gerade genau angesehen und nachgedacht, woran er mich erinnern thut. Zuerst dachte ich, es wär' der große ausgestopfte Affe, den wir in Melbourne sahen, dann fiel mir plöglich ein, daß es der wilde Mann aue Borneo war, den ich sah, als ich noch' n kleiner Bengel war in Begesac. Wenn ich nu sage, daß der wie' n hübscher, gutmütiger Mensch neben Dir aussah, mein Engel, geht Dich dann' n Licht auf, wo ich hin steure?" Was is denn Deine Idee, Hein?" sagte Jürgen und steht auf und hilft mir und Schlichting seinen Neffen festhalten.
" Meine Idee is die," sagte Hein: wir zieh'n ihm seine Kledage ' runter, wickeln ihn in die Gardine da oder was ähnliches, binden ihn an' n Ende Tau und ziehen dann' rum mit ihm nach Martin Harders auf der Reeperbahn und verkaufen ihn für zweitausend Mark als wilden Mann aus Borneo .
" Was?" schrie unfre Schönheit, mit ganz gräßlicher Stimme. Laß los, Peter; laß los, hörst Du nich?"
Halt Deinen Schnabel, Junge, wenn alte Leute reden," sagte fein Onkel, und ich konnte wohl sehen, daß die Idee ihm gefallen hat.
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der Kutscher sprang wie so' n Verrückter' rum. Dann und wann kriegten sie den wilden Mann halb' raus, und dann sprang er wieder ' rein und knurrte. Er schien gar nich zu wissen, wann er aufhören sollte, und Hein und die andern kriegten die Geschichte bald ebenso dick, wie der Kutscher. Zwei Jahre hätten die Droschte nich so ruiniert, aber schließlich friegten sie' n doch' raus, und da Harder feine Thür offen stand, weil er sehen wollte, was das für'n Radau ivar, so gingen fie gleich' rein,
Was is hier los?" fragte Harder, der' n großer, dünner Mann war mit' n schwarzen Schnurrbart.
„ Das is' n wilder Mann aus Borneo ," sagte Hein, noch ganz außer Puste. Wir hab'n ihn in' nem Walde in Brasilien gefangen und sind nu zu Ihnen gekommen, daß Sie die Vorhand haben sollen." Martin Harder war so überrascht, daß er erst gar nich sprechen konnte. Der wilde Mann schien ihm den Atem wegzunehmen und er guckte in' ner ganz hilflosen Manier seine Frau an, die g'rade' runtergekommen tvar. Sie war' n ganz hübsches Frauenzimmer,' n bischen dick, mit' ne Masse gelbes Haar, und sie lachte sie alle an, als wenn sie sie alle ihr Leben gekannt hätte.
Kommen Sie in die Stube," sagte sie freundlich, gerade als Martin wieder etwas zu Atem tam.
Sie gingen' rein und der wilde Mann war gerade dabei, es fich in einem Lehnstuhl bequem zu machen, als Hein ihm' n Blick zuwarf, und er sich statt dessen auf der Matte zusammenrollte. „ Er is fein sehr schönes Exemplar," sagte Martin Harders schließlich. Besonders der Backenbart gefällt mich nich," sagte seine Frau.
Bersucht bloß, mich in' ne Gardine zu stecken," sagte fein Reffe. Außerdem wer hat schon mal von' n wilden Mann mit Kragen und
und heulte fast vor Wut.
" Nimm doch Verstand an, Junge," sagte Hein.„ Du sollst ja Deinen Teil von dem Draht abhaben. Es is ja nur für ein oder zwei Tage, und wenn wir weg sind, kannst Du auch verduften, und wir haben dann jeder fünfhundert Mart."
Wie rechnest Du das, Hein," sagte Jürgen ganz fühl. Bier in Zweitausend," sagte Hein.
Hoh," sagte Jürgen. Hoh, das möchste wohl! Ich wußte gar nich, daß es Dein Neffe is, Hein."
Gleichen Part für jeden," sagte Schlichting."' s is' nen guter Gedanke von Dich, Hein."
Hein hält den Kopf hoch und sieht' n starr an.
' s is mein Plan," sagte er und sprach ganz langsam und bedächtig: Jürgen is der Onkel und er is der wilde Mann. Zweitausend durch drei macht
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Du brauchst Dir Deinen Dickkopp nich mit Rechenkunststückers zu zerbrechen, Hein," sagte Schlichting ganz höflich." Ich will mein Teil haben, sonst sag' ich's Martin Harders.
Kein Mensch sagte' n Wort von mich: zwei saßen auf meinem Bett, Hein brauchte eins von meinen Taschentüchern, das er im Ofen gefunden hatte, und Peter Schlichting hatte aus dem Krug auf meinem Waschtisch getrunken, und doch fiel's ihnen nicht ein, auch an mich zu denken. Das sind so recht die Heizer, und das ist, warum sie sich überall so unbeliebt machen.
Es dauerte fast' ne ganze Stunde, bis sie den holden Engel ' rumgefriegt hatten, und die Worte, die sie dabei in' n Mund nahmen, machten mich man froh, daß die Papageien nicht mehr lebten und fie lernten.
So was haben Sie noch nich gesehen, wie der Engel aussah, als sie damit fertig waren. Wenn er schon doll in seinem Zeug aussah, so war er' n wahres Scheusal ohne das. Hein Wulmeier puẞte ihn famos' raus, aber er konnte es ihm nich recht machen. Erst queste er über die Gardine, welche nich paßte, sagte er, dann stöhnte er, daß er barfuß laufen sollte, dann wollt er was haben, um seine Beine zu verstecken, ivas man ihm nich verdenken konnte, wie die aussahen. Hein Bulmeier verlor fast die Geduld dabei, und der alte Jürgen mußte sich zusammen nehmen, daß er sich nicht ganz und gar bon ihm lossagte. Schließlich war er fertig, und nachdem Peter Schlichting runtergegangen war und' n abgebrochenen Beugftaten vom Hof geholt hatte und ihm gezeigt war, wie er sich drauflehnen und Spektakel machen müffe, fagte Hein, wenn Martin Harders ihn für zweitausend Mark friegt, machte er' n feines Geschäft.
Schlips gehört?"
Du meinst den berkehrten," sagte Martin Harders, bevor daß Hein Bulmeier noch für sich selbst sprechen konnte.
" Oh, entschuldigen Sie man," sagte Frau Harders ganz höflich zu Hein. Ich dachte nur, wie pubig es wär', daß' n wilder Mann ' n Kragen trüge;' s is' n Jrrtum von mich. Das is denn wohl der wilde Mann da auf die Matte?"
" Da is er, Madam," sagte der alte Jürgen ganz kurz. „ Er sieht nich wild genug aus," sagte Harders.
Nee, er is viel zu zahm," sagte seine Frau und schüttelte ihre gelben Locken.
Die Burschen guckten sich' nander an, und der wilde Mann dachte, daß es nu wohl Zeit wär', was zu thun; und da das nächste für ihn zur Hand Hein sein Bein war, schlug er seine Zähne da' rein. Nu hätte allerdings wohl jeder geglaubt, daß Hein der wilde Mann wär', so stellte er sich an, und Frau Harders sagte, wenn er sich selbst so weit vergessen tönnte, daß er solche Worte vor ihr gebrauchte, so sollte er's doch nich vor solch armen Heidentier thun.
Wieviel woll'n Sie für ihn haben?" sagte Martin Harders, als Hein sein Bein in Sicherheit gebracht hatte und damit ans Fenster gegangen is, um es nachzusehen. Zweitausend Mart," sagte der alte Jürgen.
los,
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"
Martin Harders guckte seine Frau an, und die beiden lachen als wenn sie gar nich wieder aufhören wollten.
( Schluß folgt.)
Kleines Feuilleton.
Eine Gemeinderatsfitung in Vogelsberg wird von einem Heffischen Steuerbeamten im II. Band der Hessischen Blätter für Volkskunde"( Leipzig , B. G. Teubner) anschaulich geschildert. Der Verfasser war im Jahre 1865 mit der Vermessung einiger Gemeinden des Kreises Alsfeld beauftragt. Ich hatte, so erzählt er, der Bürgermeisterei gebührende schriftliche Mitteilung davon gemacht, daß das Wert der Vermessung der Gemarkung in einigen Tagen beginnen werde, und um die Einberufung einer Gemeinderatsfigung gebeten, in welcher ich gedachte, der löblichen Gemeindeversammlung die notwendigen Mitteilungen über die pflichtmäßige oder wünschenswerte Wir müssen' ne Drofchte haben," sagte der alte Jürgen. Mitwirkung der Gemeinde bei besagtem Werke zu machen. Geh' los und verseh' Deinen Ring, Hein, und hol'' ne Droschke." Ich war wohlvorbereitet mit einem guten Vortrag über Hein brummte erst, aber er ging doch, und kam dann auch schnell die Nüglichkeit, ja Notwendigkeit der Vermessung im allmit die Droschte und das Geld wieder, und sie gingen nu alle' runter gemeinen und der Gemarkung Maulbach im besondern. Ich und führten den wilden Mann an' n Ende Tau. Sie trafen auf der trat Treppe nur einen, aber der schien was vergessen zu haben, was er schnell holen mußte.
Hein ging voran und machte die Droschkenthür auf und stand da und wartete, weil der wilde Mann im letzten Augenblick sagte, die Gardine facte' runter. Endlich hatten fie' n doch draußen, aber eh' er einfteigen konnte, faufte die Droschte die Straße' runter, zehn Meilen die Stunde, mit Hein an der Thür hängend, der schrie, sie sollten stoppen.
Die Droschte tam zurück mit' ner Geschwindigkeit von anderthalb Meilen die Stunde, und die Redensarten von dem Kutscher waren einfach nich mehr schön. Selbst als er zurückfam, wollte er nich fahren, wenn er nich die doppelte Tage im voraus kriegte. Na, sie ftiegen denn schließlich ein und gondelten los.
Vor Martin Harders seine Thür war es nu das reine Theater. Hein sagte, wenn da' n bischen Strach wär', wär' das' ne schöne Reflame für Martin Harders und vielleicht könnten sie dann noch mehr als zweitausend Mark für ihn kriegen, und die drei hatten nu re liebe Not, den wilden Mann aus der Droschke zu kriegen, und
in das Beratungszimmer ein; es war das intime Zimmer des Bürgermeisters, der des Bürgermeisters, der diesmal nicht auf dem Bette lag, sondern ordnungsgemäß oben an dem Tische auf einem Stuhle saß. Rundum die Gemeinderäte. Es war schon ein erquicklicher Tabaksduft im Zimmer, da die Männer ihre furzen Pfeifen rauchten. Ich wurde lebhaft an eine Kriegerberatung der Sioug nach Fenimore Coopers Beschreibung erinnert. Braune, hagere Gesichter mit in die Stirn hängenden Haaren, unbeweglich und im tiefsten Ernst. Mein Gruß wurde gemessen erwidert. Da sonst nichts erfolgte, nahm ich auf die von mir ergangene Einladung Bezug und hielt ohne weiteres meinen Vortrag, eindringlich und mit jugendlicher Wärme. Schließlich proponierte und verlas ich den Entwurf eines Vertrages zwischen mir und der Gemeinde, betreffend die Bermarkung der Eigentummsgrenzen( bas war des Pudels Kern) und empfahl denselben zur geneigten Annahme und Unterzeichnung. Tiefe Stille. Ich fragte, ob einer der Herren Gemeinderatsmitglieder etwas zur weiteren Er örterung oder Förderung der Angelegenheit vorzubringen habe oder ob noch irgendwelche Auskunft meinerseits erwünscht set. Tiefe Stille. Da war auch ich mit meinem Latein zu Ende und sagte:„ Ich glaube