II.
-
575
Als Batoche am Haufe der Witwe Flambette vorbeikam, lag Rataboul im Grase und beschäftigte sich angelegentlichst damit, die Fliegen zu fangen, welche um seine Schnauze herumvoltigierten. Auch eine Art, sich selbst die Illusion der Jagd zu verschaffen! Beim Anblid von Batoches Flinte stellte er sich plötzlich zitternd auf seine vier Beine. Ein Jäger!... Und dazu ein Jäger ohne Hund! Unwiderstehlich trieb es Rataboul vorwärts. Schweifwedelnd
sprang er dem Mann mit der Flinte entgegen, und sein Blick richtete fich mit einem eigenartig beredten Ausdruck auf das Geficht des Jägers. " Da Du keinen Hund hast," sagte dieser Blid, nimm mich doch mit!"
Worauf Patoche, der damit durchaus einverstanden war, mit einem lakonischen Komm!" antwortete.
Ein Luftsprung, ein fröhliches Bellen, um seine Freude zu bezeugen, und Rataboul folgte Batoche.
Ach! welch ein schöner Jagdtag das war! Nataboul übertraf sich selbst. Am Abend ächzte Patoche unter der Last des erlegten Wildes. Seine Jagdtasche war gepfropft voll.
Man kann sich leicht vorstellen, daß er am folgenden Morgen nicht verfehlte, seine Schritte nach dem Hause der Witwe Flambette zu lenken, wo er seinen treuen Mitarbeiter wiederzufinden hoffte. Ach! Der treue Mitarbeiter war nicht an seinem gewohnten Platz. Patoche pfiff. Ein klägliches Wimmern, das aus der Tiefe des Gartens fam, antwortete ihm. Näher an den Baun herantretend, gewahrte Batoche den Mitarbeiter. An seinem Halsband war eine solide Kette befestigt, deren anderes Ende am Boden einer Hundehütte angeschlossen war. Der Mitarbeiter war festgelegt.
Beim Anblick des Gefährten seiner geftrigen Heldenthaten begann er wie wahnsinnig hin- und herzuspringen, an seiner Kette zu zerren und abwechselnd wütend und bittend zu bellen und zu winseln. Verlorene Liebesmüh! Die Kette war solide!
Bei dem Geräusch aber hob sich der Vorhang eines Fensters, und das Gesicht einer Frau kam zum Vorschein, ein spöttisch, höhnisch lächelndes Gesicht, das Gesicht der Witwe Flambette. Das liebenswürdige Geschöpf bog sich vor Lachen angesichts der fassungs
losen Miene von Patoche.
,, Satan!" brummte dieser ergrimmt.
Den ganzen Tag wetterte und fluchte er ohne Aufhören. Am Abend, wütend darüber, wieder einmal mit leerer Tasche heimzutehren, tobte er:
" Das kann so nicht weitergehen! Ich muß diesen Hund haben!" Ohne sich nur Zeit zu lassen, seine hohen Jagdstiefel auszuziehen, lief er zur Witwe Flambette. Wollen Sie mir Rataboul verkaufen?" " Wo denken Sie hin!" schrie die Witwe auf.„ Den Hund meines armen Seligen!"
"
Madame!" begann er.
Ich würde Ihnen einen guten Preis dafür zahlen," fuhr
-
" Die Geschichte ist sehr einfach," erklärte der Schulmeister in spöttischem Ton.„ Es giebt nur zwei Kategorien von Menschen, die nachts über Mauern flettern: Diebe und Verliebte! Herr Patoche ist kein Dieb, also Durch diese scharfsinnige Schlußfolgerung war zur Evidenz ers wiesen, daß Herr Batoche, mochte er auch noch so entrüstet dagegen protestieren, in Madame Flambette verliebt war.
-
taufen will andern Morgen erwachte.
III.
in dieses verfluchte Weib, das mir absolut nicht seinen Hund ver= Berliebt! Jch, der ich die Ehe verabscheue! Noch dazu verliebt das wäre ja niedlich!" brummte Batoche, als er am Dann aber tam ihm eine Idee, die er als geradezu genial erklärte.
Uebrigens warum nicht? erwog er. Wenn ich sie heirate, habe ich den Hund! Welch entzückende Berspektive! Ja, aber die Witwe Flambette heiraten? Auf meine schöne Freiheit verzichten? dun Lange zögerte Batoche. Lange frakte er sich den Kopf. Aber da es kein anderes Mittel gab, Rataboul zu erwerben, mußte er schon in den sauren Apfel beißen. Er würde die Witwe eben als unvermeidliche Zugabe mit in aufnehmen. Hols der Teufel!
-
Ohne sich noch Zeit zum Ueberlegen zu lassen er fürchtete, er fönnte sonst andern Sinnes werden ging Batoche, um die Bite Flambette anhalten. Er war reich, von stattlichem Aeußern und noch nicht zu alt also eine gute Partie. onni Nach einigem Bieren sagte die Witwe" ja". stMir bleibt wohl nichts anders übrig," lispelte fie, nachdem Sie mich so schrecklich kompromittiert haben."
d.
-
" Ich bestelle sofort das Aufgebot," antwortete Batoche. In fürzester Zeit war die Ehe geschlossen.
h. das Haus der Erwitte Flambette , betraten, lief Batoche ganz Am Hochzeitsabend, als die beiden Gatten das eheliche Heim, zuerst zur Hütte Ratabouls jezt seines Ratabouls.
Wo ist denn Rataboul?" fragte er, erstaunt, die Hütte leer zu finden. effigfauren Stimme. Ich habe ihn gestern töten laffen." Ratabou! töten!" rief Batoche, dessen Herz stillstand. Ja. Jeßt, da ich einen Mann habe, der mich nötigenfalls verteidigt, brauche ich keinen Hund mehr!" Man versete sich an Patoches Stelle! Was würde der verehrte Leser gethan haben? Patoche war von Natur jähzornig. Er wurde rot, blaß, grün, entsetzlich! erhob er die Hand. Piff! eine Ohrfeige auf die Wange von Madame Batoche. Baff! eine zweite Ohrfeige Darauf drehte er sich um und verschwand. Man sah ihn niemals wieder.
Er ist nicht mehr da," antwortete die junge Gattin mit ihrer
dann
-
-
Das war die Hodzeitsnacht von Herrn und Madame Patoche. " Ja, ja, so gehts mit Liebesheiraten immer," meinte sentenziös
Batoche fort, ohne von dem Gefühlsausbruch der Witwe Notiz zu der Schulmeister, als er die Geschichte erfuhr." Das endigt in der nehmen.„ Dreihundert Frant."
Die Witwe Flambette schüttelte verneinend den Kopf.
pot Fünfhundert!"
"
„ Nein."
„ Achthundert!"
„ Nein."
Regel schlecht!"
Kleines Feuilleton.
dr. Sonntag. Sonntagabend. Sommersonntagabend.
Die
" Na dann meinetwegen tausend Frank!" bot Patoche noch Sonne ist im Niedergehen, ihre goldenen Strahlen leuchten noch, aber höher. Abgemacht?"
,, Weder für tausend noch für zehntausend." " Aber warum nicht?" rief Batoche, verzweifelt ob dieses eigenfinnigen Widerstandes. Er nüßt Ihnen doch nichts, dieser Hund!" " Er bewacht mich des Nachts. Eine alleinstehende Frau muß einen Beschüber haben."
„ Ich werde Ihnen einen anderen dafür geben richtigen Hofhund!"
einen
" Ja, aber das ist doch nicht der Hund meines armen Seligen?" Bergebens erschöpfte Batoche seine ganze Beredsamkeit; die Bitive wollte Rataboul um feinen Preis verkaufen. Sie empfand ein wahrhaft diabolisches Vergnügen angesichts der Wut, in welche der Nimrod über ihre Weigerung geriet.
Batoche hatte aber auch allen Grund, wütend zu sein. Nachdem er einmal die Vorzüge Ratabouls kennen gelernt hatte, betrachtete er diesen Hund als unbedingt notwendig für sein Leben. Er mußte ihn haben, foste es, was es wolle!
Bange zermarterte er sein Hirn vergebens, wie dieses Ziel erreichen. Am Ende beschloß er, den Hund zu stehlen und mit ihm zu fliehen, weit, weit fort von der Witwe Flambette.
In einer dunklen Nacht wagte er es, die Mauer des Nachbargrundstücs zu erklettern. Sein Wagnis ließ sich gut an. Rataboul, der Patoche erkannte, verhielt sich mäuschenstill. Kühn gemacht, Sprang Patoche von der Mauer in den Garten. Pardauß! Er war auf die Glasglocken der Melonen gefallen. Es entstand ein schrecklicher Lärm.
Aus füßem Schlummer auffahrend, öffnete die Witwe Flambette ihr Fenster und begann verzweifelt, wie eine Henne, der es an den Kragen geht, zu schreien:
" Hülfel... Diebe!... Mörder! Feuer!"
Die Nachbarn liefen zusammen. Man fand Patoche zwischen den Scherben der Melonenglocken.
Ihn für einen Melonendieb zu halten, ihn, Batoche, den Besitzer bon 10 000 rank Renten das ging nicht gut. Also was?
-
sie sengen nicht mehr. Ein befreites Aufatmen geht durch die Welt. Kühler streicht der Wind vom Wasser her. In den Waldeswipfein regt sich ein Brausen, die Blumen heben sich in der Abendkühle, der Vögel Sang tönt heller, dichter wird der Strom der Spaziergänger, enger schließt sich die lange Reihe der Wagen und Fadler auf dem Fahrdamm. Jubelndes Leben überall.
птопри
Fröhliche Gesichter, Klingendes Lachen, schwabende Stimmen, Kinder jagen sich, junge Männer singen, der Schänke am Waldrand flutet alles zu. Gläserflirren, Tellerklappern, das dumpfe Rollen der Kegellugeht Jeder Tisch ist besetzt, in den Gängen schiebt sich die Menge mischt sich mit dem Knattern der Gewehre von der Schießbudenbe Sonntagsfreude, Sonntagsluft. her tufen, und locken ToBom Tanzfaal tönt Musit, grell schmetternde Blechinstrumenter Das fahrt in die Glieder. Walzerklänge: die Donaumelleag
Joláněd
Die alten Frauen an den Kaffeetischen summen mit und lächeln tillfelig in Gedanken entfchwundener Jugendzeit. Die Mangan flopfen Tatt mit den Fingerspißen, aber bei den jungen Mädchen biegt und wiegt sich den ganze Körper. Ihre heuen Sonntagskleider leuchten durch die Bische, zum Tanzsaal drängen sie alle hin, wer nicht selbst einen Tänzer gefunden hat, steht an der Thür und schaut hinein. Da drinnen die Paare: auf und ab auf und ab Ach, es ist Seligkeit, so dahinzufliegen! Die Kleine mit dem großen Mohnblumenhut schmiegt sich fester an ihres Tänzers Brust. Ein armes fleines Nähmädel aus Berlin . Armseliger Wollrod, billige Waschbluse, aber zart ist die Kleine und lieblich, eine frische, junge Rose am Wege erblüht.
-
-
Ihre Wangen glühen, ihre großen, braunen Rehaugen glänzen, glänzen in Tanzluft und geheimem Stolz, solch ein feiner Herr, folch ein reicher feiner Herr und der ist ihr gut und bettelt um ihre Liebe, um die Liebe des armen fleinen Nähmädels Ach! Ihr junger Körper zittert in seinem Arm, ihre frischen, halb geöffneten Lippen scheinen ihm entgegen zu schwellen, durstig verlangend.
-