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Warum so spät? Wir warten und warten.
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Secken und von einer Seite zur andern zu schieben. Der Schweiß floß in Strömen über ihr Gesicht und ihrem Munde, glaubten schon, Ihr würdet nicht kommen. Alles ist aus den sie unbarmherzig verzog, entflohen langgezogene Seufzer getrocknet, ausgedörrt!" klagte die Frau. und Klagen. Rechts am Tische, auf dem Bette, oder auf ,, Mea culpa, mea culpa!" scherzte Samuel, indem er Stühlen saßen die Gäste. In der Mitte hatte Alexandroff sich an die Brust schlug, und drückte die sich ihm entgegen. Platz genommen, ein ungewöhnlich breitschultriger, hochge- streckenden Hände. wachsener Mann, der ein weißes, grobes Hemd anhatte, wie sie ,, Ah, was sehe ich? Unser hochverehrter Bonapartist! bon den Gefangenen getragen werden. Den zottigen Schafpelz auch ein Andenken aus dem Gefängnis hatte er von den Schultern gleiten lassen, stemmte die Ellenbogen auf den Tisch, hielt den großen, bereits fahlwerdenden Kopf gesenft und lauschte den Genossen mit gespannter Aufmertsamkeit. Niehorsti, eine schmächtige, mittelgroße, dunkelblonde Gestalt von frankhaftem Aussehen, und Tscherewin, ein schwarzhaariger Mann mit sorgfältig gepflegtem Barte standen am Tisch und disputierten. Tscherewin war der einzige in der Gesellschaft, der einen vollständig europäischen Anzug und ein gesteiftes Vorhemd trug.
Dicht hinter Alexandroff, auf dem Bette, saß Krasuski, ein Jüngling, dessen blasses Gesicht wie in Marmor gemeißelt war. Er hörte nicht zu; seine wunderschönen achatfarbigen Augen blickten unverwandt ins Feuer, und er zupfte, in Gedanken verloren, an seinem weichen, dunklen Schnurrbart. Etwas weiter, auf einer Kiste an der Wand, hatten die„ auswärtigen Mächte" in ernster und gemessener Haltung Blaz genommenes waren dies: der lange, magere, brünette Petroff und Gliksberg, ein kleiner, rotbackiger Blondin. Hinter ihnen aber, aus dem entferntesten Winkel, sah der dicke, zerzauste Kopf des Franzosen Delille neugierig hervor. In der Mitte der Stube lag ein großer, schwarzer Hund und kroch ein ganz nacktes Kind herum, und an der einen Wand zerrte ein buntes Kalb an seinem Stride.
,, Sie irren sich, Doktor," sagte Nichorski scharf,„ Sie haben durch Ihre Konzessionen nichts, rein gar nichts gewonnen. Seit einem Jahre arbeiten sie nun. Hat aber die Seuche in der Umgegend auch nur um ein Jota abgenommen? Oder steht's mit dem Krankenhause besser? Oder stiehlt Adrianoff weniger? Wohnen die Kranken nicht wie ehedem in efelhaften, verpesteten Ställen, essen sie nicht angefaultes Fleisch? Fürchten die Eingeborenen das Krankenhaus nicht, wie ehedem, mehr als den Tod? Und haben sie nicht recht?"
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Tscherewin runzelte die Stirn: Das ist möglich. Ich gestehe gern, daß mein Unvermögen schuld daran ist. Aber das ist eine andre Sache. Ich will hier nur das Prinzip verteidigen."
" Ganz recht, das Prinzip," brausten die auswärtigen Mächte" auf.„ Um irgend eine Frage zu lösen, muß immer aufs Princip zurückgegangen werden."
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Aber was soll augenblicklich aus den Kranken werden, aus den Opfern des Verbrechens?"
Eine Ewigkeit! Eine Ewigkeit! Seit mir Muẞja meinen Bohrer ohne Erlaubnis davongetragen hat, ist er auch nicht mehr auf der Bildfläche erschienen. Aber wie kommen Sie hierher? Warum sind Sie nicht in der großen Welt- beim sprawnik*) oder bei einem der andern Würdenträger?" wandte sich Samuel gutgelaumt an Delille.„ Und dieser Staat. Ho, ho!"
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Alle Blicke wandten sich belustigt nach Mußja, der indem ortsüblichen, zottigen Anzug in der That drollig genthusiah. Er war verlegen, aber auch befriedigt von der allgemeinen Aufmerksamkeit, die er erweckte.
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" Ja, ja! Aber ich wollte mit Ihnenehn es ist doch immer" stammelte er und schlug die den feiner weißen Etertessen"**) galant aneinander.
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Angefangen, angefangen, meine Herren! hiefan!" mahnte Tscherewin. Ich habe noch eine Viertelstunde Zeit. Abends sprech' ich vielleicht wieder vor." ( Fortsetzung folgt.)]
( Nachdruck verboten.)
Da die Bevölkerung Amerikas sich aus den Völkern der ganzen Welt zusammensetzt und jeder einzelne seine Sitten und Gewohns heiten aus der Heimat mit herübergebracht hat, so darf man amerikanische Sitten nicht in den Häuser der eingewanderten Deutschen, Franzosen, Italiener , Russen usw. suchen. Sie haben, soweit es der amerikanische Boden überhaupt gestattet, ihre heimischen Gewohnheiten, ihre heimische Küche bewahrt. Aber wenn man die Restaurationen, die Bars, die Lunch- Rooms, die Cafés und Austern- Salons besucht, da erkennt mar, was specifisch ameris tanisch ist. New York besitzt allerdings eine große Reihe deutscher Lokale, die auch gewisse deutsche Einrichtungen befizen, ferner französische, ungarische, russische, chinesische Restaurants; aber diese sind hier natürlich nicht gemeint. Hier wollen wir lediglich den amerikanischen Trink- und Speisehäusern unsre Aufmerksamkeit zu
wenden.
oder Kneipe". Es giebt in Amerifa, wenn wir nun eben von den Ich vermeide absichtlich den gut deutschen Ausdrud Gasthaus" immerhin vereinzelten deutschen Restaurationen absehen, weder Gasthäuser noch Kneipen. Mit diesen deutschen Begriffen verknüpfen Niehorski machte eine ungeduldige Handbewegung. wir die Vorstellung von etwas Gemütlichem, Behaglichem, wir verAch! immer dasselbe Lied! Es giebt verschiedene stehen darunter Räume, in denen man auch mit seinen Freunden Principien und nicht alle sind achtungsweri. Ich meine, ein Arzt einen ganzen Nachmittag oder einen ganzen Abend verbringen kann; sollte weniger aufs Kurieren, als darauf bedacht sein, die Ver- für den Amerikaner ist das Restaurant, der Lunch- Room oder das hältnisse zu beseitigen, die die Krankheit hervorrufen. Das Café nichts andres als eine Abfütterungsanstalt, welche man nach ist das medizinische Prinzip. Der Jurist sollte danach trachten, Ginnahme der Speisen sofort zu verlassen hat. Die Restaurationen find fast ausschließlich nur um die Speisestunden von 7 bis 8 Uhr die Gefängnisse und das Gerichtswesen abzuschaffen Der Gesetzgeber das Gesetzbuch durch eine zweckmäßige Er- sehr belebt, aber während der übrigen Stunden des Tages einsam morgens, bon 12 bis 1 Uhr mittags und von 7 bis 8 Uhr abends ziehung zu ersetzen." und leer. Mittags ist in den Lunch- Rooms der Großstädte jeder Stuhl besetzt, und man findet es schon berhältnismäßig behaglich, wenn man wirklich an einem sauber gedeckten Tisch Plaz nehmen lang, obwohl der Spielraum zwischen den Armen des rechten und linten Nebenmannes ziemlich beengt ist. Wahrhaftig schrecklich aber erscheint dem Europäer und ganz besonders dem Deutschen jene Art bon Lunch- Rooms, in denen man überhaupt keine Tische, überhaupt feffle Stühle, sondern nur den sogenannten" Counter" findet. Der Counter ist ein hoher Tisch, welcher einen mehr oder minder weiten Rau einschließt, innerhalb deffen Koch und Köchin, Kellner und Kellnerin hantieren. Die nötigen Brat- und Wärmeapparate, die Gestelle für falte Schüsseln und Kuchen, für Früchte usw., die großen Kessel für Kaffee, Thee und Kakao befinden sich innerhalb dieses umschlossenen Raumes. Der Counter ist gerade so hoch, daß die dienenden Geister bequem daran hantieren fönnen. Er ist also für eine auf einem Stuhle fizende Berson viel zu hoch. Die Gäste haben nun, um die Tischplatte zu erreichen, auf hohen Seffeln direkt am Counter Blaz zu nehmen und hier gleichsam unmittelbar vor den Augen der Kellner und Kellnerinnen oder des kochenden Personals ihre Speisen und Ges tränke zu verschlingen. Die Sessel bestehen aus einem am Fußboden befestigten Metallfuß mit einer fleinen Sikplatte, auf welcher niemand länger ausharrt, als unbedingt nötig ist. Von Bequem lichkeit keine Spur. Selbstverständlich hat der Sessel keine Lehne. Man kommt hier nicht her, um zu ruhen, sondern lediglich um zu füttern. Das Schlimmste aber ist, daß man in diesen Anstalten niemals Bier erhalten kann. Willst Du etwas trinken, so steht Dir
Mögen sie leiden," gab Niehorsti eisig zurück. Sind sie zu beklagen, so ist das Los der Millionen tausendmal beflagenswerter, die frank und schlecht werden müssen, weil es keinen Menschen unter ihnen giebt, der kühn genug, und voraussehend genug, und bei all seinem Mitgefühl hart genug wäre, um alles, was besteht, niederzureißen und einen neuen Bau aufzuführen."
" Das sind Phrasen! Die Geschichte kennt keine gewaltfamen Sprünge."
" Oh gewiß! Das höre ich immer wieder; aber dagegen ist sie bereit, jeden Unfinn, der bequem ist, geduldig zu ertragen. brauste Nieborski auf.
"
Uebrigens besteht die Aufgabe der Revolutionäre gar nicht im Bauen, sondern im Zerstören. Das Aufbauen muß den alltäglichen Bedürfnissen überlassen werden, überlassen werden," warf Alexandroff ruhig dazwischen, indem er den sich immer mehr zuspitzenden Streit ins rechte Fahrwasser lenkte.
" Halt! Darauf können wir unter feiner Bedingung eingehen!" riefen die auswärtigen Mächte", Tscherewin und selbst Niehorski. Auch der Franzose tam aus seinem Winkel gesprungen und legte mit großer Entschiedenheit eine Kohle auf feine ausgegangene Pfeife. In diesem Augenblick traten Jan, Samuel und Woronin ein.
*) Polizeichef.
**), Jalutische Stiefel aus Pferdefell.