Per Straße hat er meinen'Gruß mcht erwidert, sondern ge- than, als sähe er mich nicht. Ach, ich habe dies ewige Lavieren zwischen dem versoffenen Doktor und den: aufgeblasenen ».Pompadour" schon bis in den Tod satt. Ich weiß nicht, wie das enden soll. Ich denke, sie werden mir das Hospital, die Praxis verbieten. Und ehe es so weit ist, sch' ich schon, wie ich wieder mit den Lieferanten um jedes Quentchen Arznei, um jedes Endchen Verbandsstoff, um jedes Holzscheit werde kämpfen müssen. Sie werden meine Anordnungen mit ver- öchtlichem Schweigen übergehen... Schon heute hat Kosloff jso schlechtes Fleisch geschickt, daß den Kranken vom bloßen Gerüche übel wurde. Er ist zwar reingefallen damit.�aber der Doktor wird ihn, dem Jsprawnik zum Possen, in Schutz aiehmen und ihm wird kein Haar gekrümmt werden... Wahr- haftig, es giebt Augenblicke, in denen ich Lust habe, die ganze Geschichte zum Teufel zu schicken und mich in meine Bücher zu vertiefen, wie Ihr... Aber ich weiß, ich halt's nicht aus. Ich bin vor allem Praktiker, bin an Beschäftigung, an reges Leben gewöhnt... Ich bin noch zu jung, um mich nur mit Büchern zu begnügen, zu alt, um von Phrasen leben zu können." Lange floß seine Rede in diesem Tone weiter, dann machte er den Genossen Vorwürfe, daß sie Mrißju vertrieben und verlassen hatten. „Aha! Da haben wir's!" brummte Niehorski. „Das kommt davon, wenn man sich von doktrinärer Ver- hohrtheit hinreißen läßt," fuhr Tscherewin fort.„Pereat mundi... Er war auch durch seine Ausfälle unangenehm. Oft war er unerträglich, das muß ich zugeben, aber er war ein guter Kerl, das könnt Ihr ihni nicht nehmen. Ohne Düren Beistand wird er sicher dümmer, aber gewiß nicht besser werden. Und der Dschurdschnjer Mob wird sich indessen an ihm üben, den politisch Verbannten zuzusetzen. Wir� sind ihnen ein Dorn im Auge, wir sind so verschieden von ihnen» allen, als wären wir eine andre Menschenrasse... Sie haben uns geachtet, denn wir imponierten ihnen mit unserm Zusammenhalten, mit unsrer Einigkeit... Mit der Ver- treibung Mußjas geht diese Vorstellung zu Schanden. Ver- sucht's, ihnen auseinanderzusetzen, daß Mußja nicht einer von den unfern ist, daß er ganz zufällig hierher geraten, daß er ein Opfer des weißen Schreckens ist, und nichts mit der Politik, mit irgend einem Ideal gemein hat. Sie werden's nicht verstehen und nicht glauben." „Warum nehmen Sie ihn denn nicht zu sich?" fragte Niehorski plötzlich. „Ich?" rief Tscherewin verwundert.„Aber das ist ja ganz was andres. Meine Arbeit ist derart, daß sie sich nicht mit der Anwesenheit eines Sonderlings vereinbaren läßt. Ich muß wählen: Mußja oder das Hospital, und natürlich wähle ich das Hospital, wo ich meine Kraft besser verwenden kann. Ihr aber, Ihr habt nichts..." Seine Reden regten die Verbannten bis zum äußersten auf, aber sie schwiegen. Selbst Samuel sprach kein Wort, rauchte nur eine Cigarette nach der andern. Woronin wollte aufspringen, aber Niehorski hielt ihn am Rockzipfel zurück. Tscherewin verließ sie sehr ärgerlich. Seine Genossen waren die Veranlassung zu häufigen Zusammenstößen, die störend in seine Beziehungen zu den Einwohnern und den Beamten eingriffen, aber er ertrug alles geduldig, um der traulichen Plauderstündchen und der erfrischenden Diskussion willen, in denen sie ihre Grundsätze und Anschauungen verfochten. In der letzten Zeit hörte auch das allmählich auf. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verbalen.) Sin Debüt. Von E. G. Glück. Autorisierte Uebersetzung aus dem Französischen. k. Nachdem sie im Konservatorium von Paris den ersten Preis für Klavierspiel erhalten hat, ist Fräulein Josephine Dupont in ihre Vaterstadt Papotteburg zurückgekehrt und hat sich daselbst als Musik« lehrerin niedergelassen. Diese Thatsache, welche die biederen Papotte« burger etliche male in den Lokalblättern haben lesen können, hat im Schöße der Familie Dupont eine Reihe von mehr oder weniger be- deutsamcn Umwälzungen ausgelöst. 1. Herr Onösime Dupont, der Vater von Josephine, ein pensio- nierter Chaussee-Aufseher, hat das„Börsencafe", wo er bis dato mit seinen Freunden täglich sein Spielchen zu machen pflegte, Verlasien und besucht fortan nur noch das„Cafe de Paris", den Treffpunkt der vornehmen Welt von Papotteburg. L. Madame Estelle Dupont hat ein Dienstmädchen engagiert. 3. Fräulein Josephine Dupont hat ihren Vornamen Josephine mit dem weniger alltäglichen Josette vertauscht. Das Resultat dieser Veränderungen, welche ihre Existenz von Grund aus revolutioniert haben, ist indessen nicht derart gewesen, wie es die Duponts gehofft haben. Die heißersehnten Klavier- zöglinge— zehn Frank pro Stunde, unter dem darf man bei einem ersten Preis des Konservatoriums von Paris wohl nicht nehmen— sind noch immer eine schöne Zukunftsmusik. Man beschließt daher, schwereres Geschütz aufzufahren. Eines Tages lesen die biederen Papotteburger in den Zeitungen die An- kündigung eines„Klavierkonzerts von Fräulein Josette Dupont". Das mitabgedruckte Programm umfaßt 48 Musikstücke„klassischer und moderner Meister". n. Im Festsaal von Papotteburg. Ungefähr 600 Personen. Viele junge Mädchen(die Pensionate vollzählig), einige Offiziere, der Maire und ein Teil des Munizipalrats. Man plaudert in Erwartung der Dinge, die da kommen sollen. ©in junges Mädchen(in einer Gruppe):„Ach Unsinn l Ich sage Dir doch, sie ist ein ganz hochnäsiges Geschöpf!" Ein zweites junges Mädchen:„Aber trotzdem—" D i e e r st e:„Sie ist ein ganz hochnäsiges Geschöpf I Schon als Kind hat sie immer so vornehm gethan. Sie ist dumm, ein- gebildet, klatschsüchtig." Die zweite:„Woher weißt Du—?" Die c r st e:„Oh 1 ich weiß I Ich spreche aus Erfahrung: ich bin ihre Jugendfreundin!" An einer andren Stelle disputiert der Kritiker vom„Papotte- burger Echo", Alexander Bouchot, mit Herrn Amadse Floche, seinem Kollegen vom„Lokal-Anzeiger". Bouchot:„Wie alt ist denn das Wunderkind?" Floche:„Sein Vater giebt ihm 16 Lenze." Bouchot:„Hübsch 1" Floche:„Geschmackssache I Sie war mit ihrem Vater bei uns in der Redaktion. Sie ähnelt ihrem Vater." Bouchot(eine Grimasse schneidend):„Also keine Venns l Und— ist Geld da?" Floche:„Worum? Wollen Sie die Dame heiraten?" Bouchot:„Um Himmels willen I Nein! Ich frage deshalb, iveil Vater Dupont uns bat, eine kurze Biographie der jungen Künstlerin zu bringen, hinterher aber einen Mordsspektakel machte, als man dafür einen Frank pro Zeile verlangte." Floche:„Freilich, freilich. Als Chaussee-Aufseher ist noch niemand Millionär geworden. Aber dennoch zweifle ich nicht, daß da irgendwo ein alter Strumpf mit den Ersparnissen—" Bouchot:„Mutter Dupont soll schauderhaft geizig sein?"' Floche:„Ja, das habe ich auch gehört..." In, Künstlerzimmer. Madame Dupont:„Dreh' Dich mal um! Dein Kleid sitzt nicht besonders." Josette(ärgerlich):„Na ja, da haben wir's! Wie das Geld, so die Ware!" Madame Dupont:„Was willst Du damit sagen!" Josette:„Was ich damit sagen will? Sehr einfach I Wenn Du nicht so geknausert hättest, würde mein Kleid jetzt besser sitzen." Madame Dupont:„Was, Du wirfft nur meine Sparsam- keit vor?(Josette zuckt ungeduldig die Achseln.) Ei, sieh mal an! Das ist ja niedlich! Wenn ich nicht die paar Groschen zusammen- gehalten, wenn ich nicht mein ganzes Leben lang an allen Ecken und Kanten geknapst hätte. Du wärest heute nicht das, was Du bist!... Hätte ick da? Geld mit vollen Händen zum Fenster hinauswerfen wollen, wie Dein Vater, dann hätten wir Dich nicht ins Konser- vatorium schicken können.(Zum. eintretenden Dupont.) Nun? Sind viele Leute da?" Dupont:„Hm... 600 Personen." Madame Dupont:„Ausgezeichnet! Du hast doch nicht mehr als 200 Freibillets verteilt?" Dupont(nach einigem Zögern):„N— ein." Madame Dupont:„Also 400 bezahlte Plätze— zu drei Franks— das macht 1200 Franks I— Gieb auf den Kassierer acht, hörst Du I" Dupont:„Na— es ist doch Dein Bruder!" Madame Dupont:„Ein Grund mehr!"(Dupont zuckt die Achseln.) Dupont(zu Josette):„Schnell, Kindchen! Man wird schon ungeduldig im Saal!" Madame Dupont:„Ja, ja— gleich!" Josette:„Ich bin fertig." Ein Glockenzeichen. Die Gespräche verstummen. Auf dem Podiun, erscheint am Arm ihres Vaters, auf dessen Frackaufschlag etliche Kriegsdenkmünzen klingeln, Fräulein Josette Dupont in einem ziegelroten Kostüm. Schüchternes Beifallsklatschen. Josette läßt sich vor den, Flügel nieder und nimmt ein Veethovensches Konzert in Angriff. Das Stück wird glanzvoll im Sturm genommen. Applaus. Ein Blumenkorb wird aufs Podium gereicht. Halblaute Kritiken, während die Künstlerin ausruht. Ein Offizier(nachsichtig):„Nicht übel." Eine Dame:„Ja, eine schöne Technik." Gine Freundin:„Viel Virtuosität — aber keine Seele P