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Augen und ihres schmerzerfüllten Gesichts zusammen. Sanft strich er dem Pferde, das sie einst so gern gehabt, über Stirn und Hals und suchte es mit schmeichelnder Stimme zu be­ruhigen. Das Zier legte ihm wie früher den Kopf zutraulich auf die Schulter und zitterte nicht mehr. Als sie es wieder ein­gespannt hatten, wiederholte es seine Sprünge, lief aber vor­wärts, und bald war das Boot an Ort und Stelle. Nun mußten sie dasselbe noch von dem hohen lehmigen Abhange hinunterbringen, auf den breiten grauen Fluß, der von hellen jonnigen Streifen und langen Morgenschatten durchkreuzt war. Hier bereitete ihnen der Schimmel wieder Schwierigkeiten: er wollte den steilen Pfad nicht hinabsteigen. Alerandroff und Krajjusti riß erfolglos an der Kandare, es bäumte fich und zerrte sie über den Abgrund hin und her. Die unten ver­fammelten Kameraden konnten einen Schreckensruf nicht unter­brücken. Krajjuski mußte es auf einem weiten Umiveg den sanfteren Abhang hinabführen. Alexandroff brachte indessen das Gepäck Niehorskis, Woronins und Samuels im Kahne herüber; der lettere wollte sie bis an die Berge begleiten. Als Krassusti tam, fand er nur noch Pietroff, Glitsberg und die beiden Arkanoffs am Ufer.

Schnell, schnell!" rief der im Boote stehende Alerandroff ihm zu.

Die Mücken, die in dichten Schwärmen umherflogen, ber­gällten ihnen den Abschied. Doch traten allen die Thränen in die Augen, als sie diesen lezten der Genossen umarmten, die wie sie überzeugt waren, dem sicheren Tode entgegengingen.

Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen! Kommt zurüd, wenn's nicht gelingt. Wir werden suchen Eure Abwesenheit so gut es geht, geheim zu halten! Kommt zurüd!"

Lebt wohl, lebt wohl!" antwortete er, ohne die Augen und die umwölfte Stirn zu erheben. Als er Eugenien schüchtern die Hand entgegenstreckte, bot ihm diese, wie den andern die Wange zum Kuß. Erschüttert sprang er ins Boot, mit dem Alexandroff alsbald abstieß. Der Lasso strammte sich, das Pferd zog an, wollte aber nicht ins Wasser gehen, bis ihm Pietroff einen tüchtigen Hieb mit der Gerte versetzte. Da sprang es hinein, watete einige Schritt und schwamm dann mit fliegender Mähne davon. Der reißende Strom hatte bald das Boot samt dem Pferde ergriffen. Die zurückgebliebenen Ver­bannten warteten, bis die Freunde am jenseitigen Ufer lan­deten. Dann ließen sie ihre Tücher wehen und riefen:

Hurra, hurra!"

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Was giebt's?"

" Nichts von Bedeutung. Wir haben beschlossen, jeden Morgen der Reihe nach bei Euch in der Jurte zu heizen, da mit niemand was merft."

Eh! laßt das doch! Ihr werdet Euch dadurch noch was einbrocken. Erwischen sie uns heute Nacht nicht, dann er­wischen sie uns überhaupt nicht mehr, und wenn sie morgen an­fangen zu suchen! Der Teufel selbst würde nicht dahinter­kommen, welche Richtung wir eingeschlagen haben. Die Wildnis hat das für sich, daß sie keine Spuren hinterläßt." ( Fortsetzung folgt.))

( Nachdrud verboten.)

Heskulapjünger.

Von Wladimir Kirjalo to.

" Was fehlt denn Ihrem Kleinen, Marja Stepanowna?" Ich weiß wirklich nicht. Er hat immer solche Hize, flagt über Kopfschmerzen. Dabei schrecklich launenhaft, weint, will feine Medizin

nehmen."

Wer behandelt ihn?"

" Dr. Saweljew. Er weiß noch nicht, um was es sich handelt." Nehmen Sie doch Dr. Offenberg! Ein ausgezeichneter Kinder­arzt! Wie der mit Kindern umzugehen versteht! Jedesmal bringt er den fleinen Batienten Spielzeug mit. Natürlich warten sie schon sehnsüchtig auf ihn und gehorchen ihm gern, wenn er den Hals, die Bunge oder dergleichen sehen will. Dann macht's Dr. Offenberg so: er verschreibt dem Kinde eine Medizin. Wenn die Medizin fertig ist, fommt er wieder und nimmt in Gegenwart des Kindes selbst davon ein. Der fleine Patient thut es dann natürlich auch ohne Weigern. Offenberg hat eine ungeheitre Bragis."

Ja, dann muß er doch aber tagsüber eine folossale Menge Medizin schlucken?" Gott ja! Das gehört eben zum Geschäft! Und dann, wissen Sie, folche Kindermedizinen wirken ja bei Erwachsenen nicht fehr start."

Wie fühlst Du Dich in der Ehe, Lisa?"

Offen geftanden, nicht besonders! Sehr langtveilig, weißt Du. Mein Mann hat sich doch als Nachtarzt eingetragen und " Nachtarzt? Was ist das?"

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" Wie? Das weißt Du nicht? Nach dem neuen Gesetz scheiden fich die Doktoren in Tag und Nachtärzte so etwa wie die Droschkentutscher. Die Tagärzte dürfen nur am Tage praktizieren, Bom jenseitigen Ufer wurde ihnen mit einem leisen Schreibon 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, die Nachtärzte umgekehrt- von 9 Uhr abends bis 9 Uhr morgens. Mein Mann hat sich als geantwortet und Müzen flogen in die Luft. Darauf grüßten Nachtarzt eingetragen, weil es von der Sorte natürlich viel weniger Die Flüchtlinge noch einmal und verschwanden. Als die andern giebt, und das Honorar bei allen Leistungen größer ist. Unten an auf dem Heimwege nach jener Seite hinjahen, erblickten sie der Hausthür hängt des Nachts eine rote Laterne mit der Aufschrift nur noch eine Furche zwischen den im Didicht schwankenden Nachtarzt." Also am Tage schläft er, steht um 8 Uhr abends auf, Wipfeln und den weißen Fleck des Pferdes, der von Zeit zu trinkt Thee und fährt Krankenvifiten machen. Um Mitternacht früh Zeit dazwischen auftauchte. Unten in der tiefen Schlucht 30g ftüdt er, um 6 Uhr morgens ist er Mittag, legt sich um 12 Uhr die stahlfarbene Stromschlange mit dumpfem Brausen vor- wieder hin und schläft bis 8 Uhr des Abends." über. In ihren Klaren Windungen zitterten die Spiegelbilder des gelben Sandes, des hellgrünen Weidengesträuchs am Ufer, der dunkeln Abhänge und blauen Gipfel der fernen, wald­bewachsenen, leichtbeschneiten Berge, die sich in unabsehbaren Massen vom azurnen Himmel abhoben.

10.

" Run, und wie machst Du's? Führst Du dieselbe Lebens

weise?"

Selbstverständlich nicht! Wir haben sogar zwei Köchinnen: eine" Tagföchin für mich und eine Nachtföchin für meinen Mann. Wir sehen uns nur sehr wenig, weil ich gerade auf­stehe, wenn er sich schlafen legt. Und wenn er Mittag ißt, schlafe ich. Nur an den Abenden, an denen er keine Visiten zu machen hat, gehen wir zusammen ins Theater. Nach dem Theater esse ich Abendbrot und er Frühstück. Am häufigsten wird er gegen zwei mitten in der Nacht holen zu lassen. Mein Mann hat ja auch bei Uhr nachts gerufen. Das Publikum scheint den Arzt mit Vorliebe seiner Niederlassung annonciert: Dr. Serapionow, fommt sofort zu jeder Nachtſtunde. Was willst Du? Er muß sich doch auf irgend eine Weise Patienten verschaffen! Später, wenn er erst bleibende Bragis hat, wird er natürlich Tagarzt."

*

Zwischen dem Waldstreifen am Ufer und den Bergen er. streckten sich weite, dichtbewohnte Wiesen. Als die Flüchtlinge an ihrem Saume hielten, stieg schon aus zahlreichen Hütten Rauch auf, und in den Gehöften wurde es lebendig. Sie mußten die Nacht abwarten, denn sie wollten auf keinen Fall eine Spur davon zurüdlassen, welchen Weg fie nach den Bergen eingeschlagen hatten. Alexandroff zog die Sense hervor, stedte sie auf den Griff und mähte Futter für das Pferd. Sie gaben dasselbe nicht frei, denn sie fürchteten, es würde über den Fluß zurückschwimmen; es stand die ganze Zeit über im Rauche, der es gegen die Müden schütte und knusperte an den ſaftigen ist so zart, so delitat, daß er mir von einem Special- Frauenarzt be Was das schadet? Oh! sehr viel! Der weibliche Organismus Kräutern, fie aber schliefen bis über die Ohren in Hafenfell- handelt werden darf!" decken gehüllt. Es war heiß und schwül, die Insekten hätten Aber ich habe ja bloß einen ganz gewöhnlichen Husten! Was ihnen sonst keine Ruhe gegönnt. brauche ich dazu einen Frauenarzt?"

fich

Sind Sie aber sonderbar, Natalie Jurjetna! Wie kann man von einem gewöhnlichen praktischen Arzt behandeln lassen!" Aber warum denn nicht? Was schadet das?"

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Ein heftiges Krachen im Gebüsch weckte sie jählings. Ent- Ganz gleich! Wissen Sie denn, welche Komplikationen sich im fekt sahen sie, daß der Schimmel fort war. Sie sprangen auf, weiblichen Organismus aus einem Husten entwidein tönnen? Sogar beruhigten fich jedoch bald, als sie sahen, daß auch Alerandroff ein weiblicher Schnupfen muß ganz anders behandelt werden, als fehlte. Sie ahnten, daß er das Pferd zur Tränke geführt ein männlicher, weil eine Damennafe viel delilater und wie foll hatte. Der gute Kerl hatte auch den Theekessel mitgenommen, iffen Sie, wie wir es machen? Mein Mann hat seinen Arzt, und ich ich mich gleich ausbrüden? viel verfeinerter ist als eine Männernase. um ihn mit Wasser zu füllen. Es blieb ihnen also nichts ben meinigen. Ich kann Ihnen meinen Arzt nur sehr empfehlen. weiter übrig, als sich in einer benachbarten Lache zu waschen, Er heißt jazeslaw Xawerewitsch Sbrjetosti. Sie müssen sich auf Holz aufs Feuer zu legen und zu warten. Alexandroff fam mich berufen, wenn Sie ihn holen lassen. Bu ganz fremden Leuten mit Samuel zurück, der in der Stadt gewesen und jetzt wieder pflegt er nämlich nicht zu gehen. Billig ist er freilich nicht über den Fluß gekommen war. nimmt pro Bisite zehn Rubel; aber dafür ist seine Behandlung auch

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