Der Köch merkt den fel und denkt sich wohl dazu sein Teil. Ein andrer aber ruft mich zum Zeugen des Knappenelends auf: Schauen S' nur, Herr! Was wir fressen müssen, ist ein Graus!"
" Laden Sie den Herrn Direktor dazu ein! Vielleicht wird's
dann besser!"
Der Arbeiter lacht verlegen.„ Der kommt nicht"... fagt er
endlich.
Darf ich ihm die Einladung überbringen?"
" Ja, er soll nur kommen, wir werden ihm was aufkochen, daß er staunen wird, wo wir bei solcher Kost die Kraft zu unsrer Arbeit
hernehmen."
Glück auf! Herr Direktor! Sie sind eingeladen. Vielleicht nehmen Sie sich die Knappenkapelle zur Tafelmusik mit...
Um die Klage des Knappen besser zu verstehen, wird es gut fein, etwas über die Löhne zu sagen. Der„ Glückauf" veröffentlicht in seiner Nummer vom 7. April 1904 einiges Material über den " Hungerberg", wie der Erzberg, der so verschwenderisch Schäße liefert, in der Sprache der Grubenproletarier heißt. Er verarbeitet die Lohnzettel von 88 Arbeitern verschiedener Passen( Arbeitspartien) aus dem Monat Januar 1904. Unter den 83 Knappen waren 46 Ledige und 37 Verheiratete. Von den Ledigen verfuhr jeder im Durchschnitt 21,3 Schichten, für deren jede er einen Lohn von 2,68 Kronen) Heimtrug oder einen Monatslohn von 57,11 Kr. Da von gingen noch die Beiträge für die Bruderlade und den Musikfonds( auch eines der Mittelchen, die Arbeiter in dem Dujel mittelalterlicher Knechtschaft zu erhalten!) ab. Da der Januar 31 Tage hat, bleiben also jedem höchstens 1,80 Kr. täglich für die Deckung aller seiner Bedürfnisse.
Noch schlimmer geht es den Verheirateten. Wie schlimm es da ist, sei an dem besten der 37 Beispiele gezeigt. J. P. verfuhr 6 Geding- und 17% Herrenschichten, wofür er 74,59 Kr. reinen Lohn oder für eine Schicht 3,19 Kr. erzielte. Die Summe der Abzüge betrug 71,56 r., es berblieb ihm also nach den Abzügen ein Freilohn von 3,03 Kr. Die Abzüge verteilen sich: für Lebensmittel im Januar 1904 32,93 r., Rest vom Dezember 1903 7,48 r., Barborschuß 20,- Kr., Wohnung( die dieser Arbeiter allerdings nicht vom Werk hat, aber doch bezahlen muß) 10,- Kr., Bruderlade und Strafen 5,66 Kr., Kohle, Holz, Heu und Stroh 5,40 Str., Musilbeitrag 9 H. So also ergeht es dem, der unter 37 Arbeitern den höchsten Verdienst erreichte. Wie es um die andern steht, erhellt aus der sehr unterrichtenden Zusammenstellung. Danach haben 7 Arbeiter von den 37 einen Lohn überhaupt nicht erhalten, sondern sie sind noch dem Werke im Rest geblieben, das heißt sie haben sich einen Monat lang geschunden, geradert und geplagt, um am Ende des Monats auf die Gnade der Bergwerksdirektion angewiesen zu sein. Im Februar blieben nach dieser Lohnliste einer Familie mit 4 Personen 28,3 Heller für den Kopf und Tag, einer Familie mit fünf Personen 27,8 H., zwei andern mit vier Köpfen 23,2 und 22,2 H., zwei andern mit fünf Kopfen 21,2 und 17,4 H., einer mit zwei Personen 19,2 H., dreien mit sechs Mitgliedern 16,8., 10,2 und 9,7 5, einer mit sieben Köpfen 5,6 H., andern noch weniger bis herab zu der lächerlichen Quote von 2,2 H. für den Kopf und Tag. Da müssen die Bergleute Schulden machen, Vorschußz nehmen und immer tiefer, immer unabwendbarer in die Schuldknechtschaft derer geraten, die alle Güter dieser Erde für sich in Anspruch nehmen, für die der Erzberg zum Goldberg wird, wie er für die andern zum Hungerberg ward.
Und die Qual der Arbeit? Wer fönnte sie in ihrem ganzen Umfange schildern mit allen ihren Gefahren und Widrigkeiten, wer sonst als einer, der sie selbst am eignen Leibe erfahren, der selbst die Tröge füllte und zu den Hunten schleppte, der selbst in den Schächten und Stollen arbeitete, der selbst in der Erz- und Menschenröste feine beste Kraft ließ und unter dem tollen Vorwärtspeitschen des Antreibers litt. Abends erzählen es mir die Hundemüden. Die Erregung peitscht sie auf. Jeder weiß eine andre Strophe zu singen zu dem langen Liede, das BergmannsTeid heißt.
Da ist eine Partie von sechs Mann. Jede dieser muß täglich 3 Tonnen Erz und 42 Tonnen Hauwerk( die überlagernden nicht erzhältigen Schichten) machen. Das find zufammen fünf Hunte, jede mit 12 Tonnen Rauminhalt. Um einen Hunt zu füllen, muß er vom jeweiligen Sprengplatz bis zum Geleise 55 Tröge mit je 54 Kilogramm Gewicht schleppen. Unfre Partie 20 Schritte tveit. Für fünf Hunte ergiebt das eine Summe von 275 Trögen und eine Gesamtlast von 1481 Metercentnern. Seine tägliche Marschleistung find aber 16, Kilometer, wobei er immer Lasten tragen, vorwärts stoßen oder ziehen muß. Der durchschnittliche Lohn dieser Partie betrug für 25 Arbeitstage im April 75,12 r. oder für eine solche Tagesleistung 3 Ser. Manche wohnen eine halbe, eine Stunde weit, müssen früh den Berg hinankenchen, bis sie ihre Etage erreichen, und abends thalab wandern in ihr armseliges Heim. Wen tönnte es da wundernehmen, wenn viele dieser Hundemüden den Weg zur einzigen Hilfsstelle, die heute der Arbeiter hat, versäumen, den Weg zur Organisation. Dennoch giebt es auch für die Sklaven bom Hungerberg feinen andren Weg. Je einiger sie zusammenstehen, desto eher werden sie sich ein halbwegs menschenwürdiges Los erringen, desto mehr werden sie von den reichen Schätzen des Goldberges für sich selbst ergraben.
Dazu: Glück auf!-
*) 1 Strone 100 Heller= 80 Pfennig.
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Kleines feuilleton.
Staaten, in denen tausend müßige Köpfe auf Neues finnen, begnügt Fluten zu tauchen, sondern eine in diesem Sommer vielfach ges man sich nicht mehr, im hellen und flaren Licht des Tages in die pflegte Mode ist das„ Mondscheinbad" Es hat etwas romantisch Aufregendes, im Badekostüm über den magisch aufschimmernden filberbleichen Sand des Strandes zu schreiten und die langen grotesten Schatten gespenstisch aufhuschen zu sehen. Wieviel weicher, berschwimmend reizvoller erscheint alles in diesem zauberischen Licht, was grell und hart in der heißen Sonne lag. Machen wir eine solche Mondscheinbadepartie" mit, wie sie etwa in einem der hocheleganten Bäder an der Jersey- Küste stattfindet! Die Gesellschaft besteht aus zehn jungen Herren und zehn jungen Damen, die Herren alle in dunklen Badekostümen aus Serge, die Damen in allerlei ver= führerischen Kapuzen oder Müßen und farbenfrohen Toiletten glänzend, wie sie die diesjährige Mode in Badekostümen so zahlreich barbot. Man gelangte zu einem eleganten Badepavillon, der beinahe ein Palast ist und 500 Kabinen enthält. Auf kurze Zeit verschwindet jeder in seiner Zelle, dann giebt man sich die Hand und alle waten langsam ins Meer. Die Nacht ist warm, doch immerhin macht sich die fehlende Sonne recht bemerkbar; die einen schwimmen ein wenig herum und prusten; die andren plantschen in den Wellen umher und machen sich Bewegung; alle flappern mit den Zähnen, frieren und erklären ihr Gehaben triumphierend für äußerst dandy", ein Wort, mit dem der Amerikaner heute bezeichnet, was wir noch schic nennen. Nach ein paar Minuten sind alle wieder aus dem Wasser heraus und genießen nun erst die Sensationen der neuen Mode. Am Strande ist inzwischen ein Feuer angezündet worden und die verfrorenen Badegäste wärmen sich nun hier, lassen sich die nassen Kleider trocknen, siben um die Glut herum, plaudern und nehmen heiße Bouillon zu sich, die in Tassen gereicht wird. Eine merkwürdige Scene, wie diese elegante Gesellschaft an einem Lagerfeuer sitt, dessen rotflammende Lichter sich mit dem Flimmern des Mondes verbinden, und das weite nächtliche Meer vor ihnen, auf dessen Wellen Mondenstrahlen tanzen. Eine große Anzahl Leuchttäfer erhöht noch die romantische Stimmung; die leuchtenden Punkte fahren pfeilschnell dahin und man macht sich den Spaß ihnen nachzulaufen und Jagd auf sie zu machen. Jubel ur Lachen! Natürlich fängt man keinen der Käfer und kehrt wieder außer Atem zum Feuer zurück. Nun zünden sich die Herren eine echte Havana an, und während sie behaglich den Rauch von sich blasen, verzehren die Damen eine Unmenge Konfitüren. Dazu erzählt jemand eine hübsche gruselige Gespenstergeschichte und um 212 Uhr hat die„ Mondscheinpartie" ein Ende.
k. Das Mondscheinbad". In den Bädern der Vereinigten
Kulturgeschichtliches.
- Rechtspflege im 16. Jahrhundert. Einem una längst erschienenen Buche:" Städtisches Lebenim 16. Jahr= hundert" von E. Reyer( Leipzig , Wilhelm Engelmann ), das auf Grund der städtischen Archive Kulturbilder aus der freien Bergstadt Schladenwald bei Karlsbad giebt, entnimmt die„ Kölnische Beitung" einige Proben. Auf einen Fall von Gotteslästerung bezieht sich das folgende amtliche Schreiben aus dem Jahre 1535: „ Ehrsame weise liebe getreue! Ich hab Euer Schreiben verlesen und was den langen Kunzen belanget, der an des Nickel Mulzen Tor bei nächtlicher Weil gesehen worden und Gott den Allmächtigen, wie Ihr angezeigt, so hoch gelästert und bei seinem göttlichen Namen Marter und Leiden geschworen und ihm vor( bordem) wie ich vernimm auch um Gotteslästerung willen zu Ellbogen die Ohren abgeschnitten worden sind, bei ihm aber noch kein Nachlassen sein will, darauf ist mein Befehl und Meinung, daß Ihr denselben langen Kunzen wollet peinlich angreifen und fragen lassen. Würde sich dann bei ihm Diebstahl oder anders, damit er den Tod verwirkt, befunden, so sollt ihr ihm sein Recht tun. Wue aber anders nichts dann die Gotteslästerung bei ihm befunden, so laßt ihm die Bunge zum Naden aus ziehen und so er lebendig bleibet, von meinem Grund und Herrschaft weggebieten." Ein andres Aftenstück berichtet von dem Todesurteil gegen einen Landstreicher 1590, der mit einem gefälschten Bettelbrief umherzog. Es lautet: In diesem Jahre ist ein Abenteurer in Schladenwald mit einem Brief von Haus zu Haus gezogen und hat für die armen Leute der abgebrannten Stadt Schlüsselfeld Almosen gesammelt. In dem Brief, welcher vom brandenburgischen Hauptmann und vom Bürgermeister der Stadt Schlüsselfeld unterzeichnet war, hieß es, der Inhaber dieses Schreibens, Georg Neusse, sei von der armen Stadt abgefandt, um in Schlössern, Städten und Flecken eine christliche Beisteuer zu era bitten. Darnach ist dem besagten Georg Neusse auf sein emsiges Bitten gestattet worden, Sonntags zu Schlackenwald vor der Kirche zu stehen und von männiglich milde Gaben zu erbitten, ist auch in der Kirche öffentliche Vermahnung geschehen, damit er also etliche Gulden erhalte. Danach aber erfuhr man, daß Gott Lob die ges nannte Stadt Schlüffelfeld nicht abgebrannt und daß Namen und Schrift erfunden und gefälscht wären. Der Abenteurer, welcher auf gütliche Ermahnung die lautere Wahrheit nicht eröffnen wollte, wurde nun mit Schärfe der Marter gefragt und was er ausgesagt, von dem Stadtrat allgemein bekannt gegeben, wie hernach folgt: 1. Hat der Abenteurer bekannt, daß obige Schrift gefälscht, daß er nicht Georg Neusse sondern Georg Fischer heiße. 2. Er sei von Zelh gebürtig hab aber seinen Eltern von Jugend auf niemals gefolgt,