die geborstenen Eisfelder passiert, indem sie San Scholle zu Scholle sprangen und die Boote hinter sich Herzogen, oder sie samt dem Gepäck und den Schiffsbüchern auf ihren Schultern weiterschleppten. Als sie auf eisfreies Wasser kamen, glaubten sie sich schon gerettet, denn sie waren nur noch 200 Seemeilen vom Lande entfernt. Aber als die Küste bereits in Sicht war, zerstreute ein furchtbarer Sturm die winzige Flotte. Das kleinste Boot schlug nach einem kurzen Kampfe mit den Wogen um; die beiden andern blieben heil und trieben, einander stets im Auge behaltend, gen Süden zu. � Dicht am Strande trennte ein neuer Sturm sie wieder. Ein Teil der Besatzung erreichte unter Mister Morleys Führung ein Vorgebirge, wo sie zufälligerweise Fischer antrafen, die ihren Abzug ins Innere des Landes um einige Tage verzögert hatten. Das war ihre Rettung. Der andre Teil war wahrscheinlich nach Osten ge- trieben worden, und Mister Morley konnte nicht die geringste Nachricht von ihnen erlangen.— weder bei den Fischern am Meeresufer, noch in den Niederlassungen an den Fluß- Mündungen, noch bei Charlamoff, dem„Wachmeister am Meer". Erst auf dem Wege nach Dschurdschnj fand er zwei Seeleute, die krank und bewußtlos auf Narten(Schlitten) lagen und von Tungusen weiter befördert wurden. Ihren wirren Reden konnte er nur so viel entnehmen, daß sie von der halberstarrten und Hungers sterbenden Mannschaft ausgesandt worden seien, um Menschen zu suchen. Von dem Steuermann und zwei der intelligentesten Matrosen begleitet war Mister Morley wieder nach Norden gegangen, um die sterbenden Kameraden zu retten. Diese tragischen Geschicke trugen noch dazu bei, die Erwartung der Verbannten aufs höchste zu steigern. Eines Mends endlich kani Samuel bleich und verändert zu Alexandroff gestürzt und rief: „Er ist wieder da!" „Nun, hat er sie gefunden?" „Nein. Ich habe ihn nicht gefragt, denn die leiseste Er- wähnung dieses Gegenstandes scheint ihn furchtbar aufzuregen. Aber... er ist allein zurückgekehrt! Die Matrosen und die Eingeborenen behaupten eininütig, Schnee und Stürme haben alles zugeweht, es sei nicht die leiseste Hoffnung vorhanden, auch nur eine Spur von ihnen aufzufinden, ehe der Frühling komint, es müsse denn gerade ein Wunder geschehen. Nirgends ein Fingerzeig, nirgends eine Andertung! In Dschurdschnj will der Mister einige Tage bleiben. Dann bringt er seine Mannschaft in die Gouvernementsstadt und wird sich wohl wieder auf die Suche machen. Er hofft in der Stadt Geld vorzufinden und Antwort auf seine erste Depesche. Morgen werden ihn die Vorbereitungen zur Reise den ganzen Tag in Anspruch nehmen. Uebermorgen abend will er uns besuchen." 10. Mister Morley war nicht sentimental. Er verbarg seine Empfindungen tief ini Herzen und machte sich energisch daran, die Angelegenheiten seiner Untergebenen zu ordnen. „Ter reine Klotz," klagte Kosloff,„elf Kameraden hat er verloren, und doch feilscht er um jeden Groschen." Mister Morley ließ sich die Klagen der Matrosen vor- legen, verglich die Preise, erkundigte sich bei Samuel nach den- selben und beschloß, den Rat des letzteren zu befolgen und den Jsprawnik zu bitten, er möchte der stetig anwachsenden Aus- beutung Einhalt thun. „Sagen Sie dem Herrn Hauptmann," bat er Samuel, „erklären Sie ihm, daß ich nicht so viel zahlen kann, daß ich außer stände bin, so ungeheure Summen auszugeben. Amerika ist wohl reich, aber das Ende dieser Preissteigerung ist nicht abzusehen. Ich bin bereit, höhere Preise zu zahlen, als die hiesigen Einwohner, denn ich begreife, daß unsre Ankunft eine Verteuerung der Waren hervorrufen mußte, aber wenn das so weiter geht, dann werden uns weitere Nachforschungen und ein längeres Verweilen in diesen Gegenden unmöglich gemacht; und ich muß meine Kameraden suchen auf jeden Fall!" Der Jsprawnik war sehr verlegen. „Sie glauben nicht, wie mißlich meine Lage ist. Was kann ich thun? Ich könnte befehlen, aber ich zweifle sehr, ob das wirken würde." „Befehlen Sie!" drang Samuel in ihn.„Ihre Macht ist doch jedenfalls sehr groß." „Meine Macht ist groß, so lange sie den Interessen meiner Umgebung entgegenkoinmt. Ten Jakuten kann ich alles be- fehlen und alles mit ihnen anfangen, was ich will, aber die Bürger von Dschurdschnj— das ist'ne andre Sache. Dem Anscheine nach sind siejßi gefügig, aber... Uebrigens sagen Sie dem Mister, ich würde thun, was in meinen Kräften steht. Nm besten wäre es aber, wenn er so bald wie möglich fort-
ginge und seine Leute mitnähme und sich die nötigen Vorräte und Kleider aus der Gouvernementsstadt mitbrächte, wenn ev wiederkommt." Schon am folgenden Tage hatte Mister Morley Gelegen» heit, sich zu überzeugen, daß der Rat des Jsprawnik gut war: die Händler ließen sich nicht mehr bei dem Amerikaner sehen, in den Läden fehlte plötzlich alles, was sie brauchten, das Essen bei Kosloft und dem Kommandanten war ungenießbar und die Zimmer der Seeleute wurden nicht mehr gekehrt. Ein Boykott schien im Anzüge zu sein. Der Jsprawnik mußte wieder um Beistand angegangen werden. (Fortsetzung folgt.)!
(Nachdruck verKoten.) Der Kranz für XTantc Iolepdme. Von E. G. Glück. Autorisierte Uebersetzung aus dem Französischen. I. Charles Miteux, Expeditionsbeamter bei der Nordbahn, hatte bereits am Ib. des Monats keinen Sou mehr in der Tasche. Diese bedauerliche, bei Herrn. Miteux aber den regulären Zustand bildende Thatsache hätte unter andern Umständen seine schöne Seelenruhe nicht zu trüben vermocht. Dieses Mal ärgerte sie ihn aber doch über alle Maßen. In drei Tagen war der Geburtstag seiner kleinen Freundin Margot, der er zur würdigen Feier des Tages eine Reihe ebenso auserlesener wie kostspieliger Genüsse versprochen hatte: eine Land-- Partie nach Suresnes , ein Diner zu drei Frank das Couvert und, als Krönung des Ganzen, eine Vorstellung in der„Comedie franeaise". Nach reiflicher Ueberlegung beschloß Miteux, seinen Freund und Kollegen Lucien Boury mit zwanzig Frank anzupunmpen. Gerade als er sich anschickte, seinen Entschluß in die That umzusetzen, führte einer jener Zufälle, von denen die Herren Schwankdichter in ihren Stücken einen mehr als erlaubten Gebrauch machen, ihm seinen Gläubiger in spe entgegen. „Gut, daß ich Dich treffe! Ich wollte gerade zu Dir!" „Welche Ehre!" „Ich möchte Dich um zwanzig Frank anpumpen."' „Wie sagst Du?" fragte Boury erschreckt. „Ich möchte Dich um zwanzig Frank anpumpen." Bei diesen vollkommen unbefmigen wiederholten Worten bcr- wandelte sich die Bestürzung Bourys in Mitleid, in sanftes Er- barmen, ein Erbarmen, wie es der gesunde Mensch dem kranken gegenüber empfindet. „Armer Freund, begann er, Miteux beide Hände ergreifend, „Armer Freund! Du mußt sofort in ärztliche Behandlung!" „Was ist Dir?" „Unglücklicher! Welcher Orgie ist Dein edler Verstand zum Opfer gefallen, daß Du auf den naiven Gedmiken kommen konntest: am 15. noch zwanzig Frank bei mir zu vermuten!" „Ich glaubte. Dein Onkel August..." „Mein Onkel August ist ein Esel! Weil ich mich der Ehe widersetze, welche er für mich plant, ist er mir böse und verweigert mir jegliche Existenzmittel!" „Donnerwetter! Das ist aber fatal! Ich besitze keinen roten Heller!" „Oh! ich bin reich! Ich besitze noch ungefähr vier Frank." „Vier Frank können mir nichts nützen, ich brauche mindestens zwanzig. Ich habe meiner Margot eine Menge Ucberraschungen zu ihrem Geburtstag versprochen, und übermorgen ist der Ge- burtstag." „Schon übermorgen?" entgegnete Boury und begann nach- zudenken. Höre! Ich habe eine Idee," sagte er nach einer Weile, „Du sagst. Du brauchst zwanzig Frank?" „Oder mehr. Ich würde sogar mehr vorziehen." „Schön! Dann wollen wir Deiner Tante Josephins den Tod geben..." „Meiner Tante Josephine?" „Jawohl, Deiner Tante Joscphine, die in Versailles wohnt, und deren einziger, glücklicher Erbe Du bist." „Aber ich habe ja gar keine?" „Nein, diese Einfalt! Wenn Deine Tante Josephine existierte, würde ich Dir doch nicht raten, sie zu ermorden! Obgleich ich nun schon zehn Jahre als Bureaumensch arbeite, besitze ich doch noch immer einige gute Prinzipien; unter andren habe ich Respekt vor dem menschlichen Leben. Nein, Tante Josephine wird extra für diese Gelegenheit und zum allergrößten Nutzen ihres Neffen Charles Miteux und seines Freundes Lucien Boury geboren werden und sterben. Hier hast Du vierzig Sous. Heute Abend nach Bureauschluß fährst Du nach Versailles ." „Schön. Und weiter?" „Von Versailles sendest Du folgende Depesche an Deine Adresse ab:„Tante Josephine plötzlich gestorben. Beerdigung übermorgen." Der nächste Effekt dieser Depesche wird der sein, daß Du für über« morgen Urlaub erhältst." „Sehr schön. Aber die vierzig Frank?...• „Vierzig? Du brauchtest doch eben erst zwanzig�