Heldenhaft wie der geschichtliche ist Hauptmanns Florian Geher ein prachtvolles Bild männlicher Kraft, aber wie man aus dem Gerippe des Stückes sieht, darum nicht zugleich auch ein„ dramatischer Heid". Fertig tritt er vor uns hin gleich in dem ersten Aft. Wir sehen nicht, was doch das psychologisch Bedeutsamste wäre, welche Wandlung den schlichten, gar nicht grüblerischen Kriegsmann, in adligem Borurteil wie die anderen auferzogen, der großen und gerechten Bauernfache zugeführt hat. Kein Konflitt spannt seine Seele, und laum irgendwo greift sein Handeln eigentlich entscheidend in den Ablauf der Begebenheiten ein. Die Dinge gehen ihren Gang, und er, da fein Wille nicht durchdringt, steht gewissermaßen außerhalb, begleitet sie mit seinen Stimmungen und Reflegionen. So wenigstens ist das Verhältnis in den beiden Mittelatten. Historisch mag das stimmen, aber das Interesse an der Figur wird dadurch außerordentlich abgeschwächt. Die Massenszenen bieten hierfür nicht Ersatz, auch in ihnen lebt kein starker dramatischer Pulsschlag. Die bloße Schil derung, freilich eine sehr kunstvolle Schilderung, überwiegt. Charakteristisch ist es, daß wie die Bauernführerschaft des Florian Geyer , so auch der Aufstand als ein Fertiges uns unvermittelt vorgeführt wird; auch hier würde vor allem die Entstehung uns auf der Bühne interessieren, viel mehr als der Streit und die Beratungen der Hauptleute. Als sehr zweckmäßig erwies sich bei der Aufführung, daß man das Vorspiel auf der Feste Frauenberg gestrichen, so dauerte das Spiel nicht über die Grenzen eines gewöhnlichen Theaterabends hinaus. Aber die Leichtigkeit, mit der die Amputation sich vornehmen ließ, zeigte wiederum, wie lose das dramatische Gefüge.
" Dem Herrn Georg Herwegh aus Stuttgart , welcher vom Mai 1841 bis September 1842 in hiesiger Gemeinde fich aufgehalten hat, wird zum Behuf seiner Einbürgerung in der Schweiz in jeder Beziehung ein günstiges Leumundszeugnis erteilt."
Die 600 Fr. für Augst und die 500 Fr. Staatsgebühr wurden auf der Staatskanzlei in Liestal rasch deponiert, doch dauerte es berdächtig lang, bis die Aufnahme perfett war. Einige Matadore sträubten sich in einer Art, welche vermuten ließ, sie seien von Basel aus aufgehezt. Dort hatte man einen Zahn auf„ Ritter Georg"
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Siegeshoffnungen seines Feldherrngeistes durchkreuzt sind, aufs äußerste ergrimmt. Er, der noch eben in einer kühnen Ansprache das Bolt begeisterte, läßt sich von seinem Liebchen den Panzer abschnallen und will die so schnöde verpfuschte Sache verlassen. Im nächsten Aft treffen wir ihn jedoch wieder in Schweinfurt , wohin die Aufständischen einen Landtag entboten haben, zu dem aber die Gegner, die nach erneuten Siegen jede Unterhandlung zurückweisen, nicht erschienen find. Er kanzelt die fanatischen und wortbrüchigen Führer, die das Würzburger Unglüd verschuldet haben, gebührend ab. Neue Hiobsposten folgen. Aber Geher bleibt unerschüttert, er will dem Tode trogen. Der vierte Aft hat wiederum die Rothenburger Schenke zum Schauplatz, in der nächtlicherweile sich die versprengten Rebellenführer ck. Wie Sue's Geheimnisse von Paris" entstanden. Im bersammeln. Diese Szenen sind außerordentlich stimmungsvoll." Journal d'un Vaudevilliste" gibt Ernest Blum einige Anekdoten Florian Geher, der einen Augenblick in Wein und Liebe seinen aus dem Leben Eugen Sue's zum Besten:" Als Sue eines Abends Schmerz vergessen wollte, reitet zum letzten Kampfe mutig aus. Der von einem Ausflug in das dunkelste Paris ", in die berüchtigsten Schlußatt spielt auf dem Schlosse von Florian Geyers Schwager Spelunken und Gassen der Großstadt nach Hause zurückkehrte, kam Grumbach. Der verbirgt den Rebellen, der mit dem Schwerte in der ihm der Gedanke, seine Eindrücke zu einer kleinen Novelle zu verFaust fich durchgeschlagen hat. Geyers Versteck wird den Rittern, arbeiten. Er hatte eben eine kurze Erzählung niedergeschrieben, als die ihren Sieg, die Hezjagd auf die fliehenden Bauern, in wüsten ihm ein guter Kamerad, weiser Ratgeber und Mitarbeiter sein Freund Goubaur, der sein ganzes Leben hindurch Orgien feiern, verraten. Stolzen Hauptes, hohnlachend, als sie fordern, er solle sich ergeben, steht der zum Tode Erschöpfte ihnen bei Theaterstücken war, zu ihm kam und die Novelle las. gegenüber. Auch jetzt noch scheuen sie sein Schwert. Ein Arm- Du," sagte er, das mußt Du länger machen, mehr ausdehnen. Versuch brustpfeil streckt ihn zu Boden. das mal!" Sue versuchte es und er versuchte es so ausgiebig, daß die Novelle zu einem Noman von acht bis zehn Bänden wurde, dessen Erfolg ungeheuer war. Er erschien zuerst im Feuilleton des Debats" und versetzte ganz Paris in Aufregung, ja mehr noch ganz Frankreich , die ganze Welt; in alle Sprachen wurde der Roman übersetzt, selbst ins Hebräische von einem begeisterten polnischen Juden." Auch Blum vertiefte fich als Knabe in die aufregenden Szenen des Romans, doch vierzig Jahre nachher machte ihm Caillard den Vorschlag, eine neue Bearbeitung der Geheimnisse" fürs Theater zu unternehmen, da die erste keinen Erfolg gehabt hätte. Mit dem Aplomb und der Frechheit, die meine beiden vorzüglichsten Reize findeine Liste der zahlreichen anderen will ich geben, wenn die Damen es von mir verlangen werden machte ich mich ohne Zögern ans Werk. Und als ich mit dem Buch allein war, da hatte ich, ich muß es bekennen, ein Gefühl stolzer Freude, daß alle die Gestalten, die die Träume meiner Jugend belebt hatten, nun noch einmal durch meine Feder Leben erhielten, die unglüdliche Marien- Blume, der treffliche Rudolphe, der entsegliche Schulmeister, der Notar Jacques Ferrand und auch der gute Mr. Pipelet. Und ich sagte mir:„ Alles wird schon gehen!" Abgesehen natürlich von dem, was nicht geht, denn es gibt eine ganze Menge Dinge, auf die ich bis jezt vergebens gewartet habe. M. Pipelet, dessen Name ja noch Gattungsbegriff ist für die ganze heute ein ehrsame der Portiers, war eine historische und nüßliche Klasse Persönlichkeit. Es lebte in der Rue Taitbout ein Pförtner, der sich so nannte, und der die Zielscheibe für unzählige Berullungen und Späße wurde, die die Gesellschaft junger Leute, zu denen Sue da mals gehörte, mit ihm aufführte. Der Führer der Bande, Romieu, schlenderte eines Tages die Rue Taitbout hinunter und fah den Portier, der ihm gefiel. Er flopfte ans Fenster und sagte freundlich: Guten Tag, Herr Portier!"" Ergebener Diener," erwiderte freundlich Herr Pipelet. Wie ist heut Ihr Befinden?" ,, D danke, recht gut." Wie geht's der lieben Frau?"" Danke, dante!"„ Und dem Fräulein Tochter?"" Ich habe keine Tochter." Also, was macht denn dann Ihr Hündchen?"" Ich habe keinen Hund. Aber darf ich fragen, was Sie zu mir führt?" nichts. Aber es steht doch groß und deutlich an der Tür zu lesen: Anfragen an den Portier", und da habe ich eben angefragt." M. Pipelet wurde unglücklicherweise, anstatt über den Witz zu lachen, wütend, beleidigte Romieu und drohte ihm mit seinem Besenstil. Infolgedessen zog er sich von da an eine Reihe von derartigen Besuchen zu, die ihm die zahlreichen Mitglieder der Bande machten. Er hatte nämlich eine Glaze, so bligblant wie eine Billardfugel; da stellte sich ein Besucher bei ihm ein, flopfte ihn heraus und sagte mit einschmeichelnder Stimme: Wollen Sie mir einen Gefallen tun, Herr Portier? Dann schenken Ein zweiter kam und Sie mir doch eine Locke von Ihrem Haar." Pipelet war außer hatte das gleiche Anliegen, es fam ein dritter. sich, den Besenstiel hielt er fortwährend hiebbereit in der Hand, doch die Spaßvögel waren auf ihrer Hut und brachten sich schnell in Sicherheit. Nur ein ahnungsloser Bekannter, den Sue mit gleicher Bitte zu dem Portier hinschickte, wurde von dem wütenden Pipelet in seine Loge gelockt und furchtbar verbläut."
Die Aufführung im Leffing- Theater war ausgezeichnet; obenan stand Rittner als Florian Geyer , waffenflirrend, jeder Zoll ein Mann, gleichmäßig überzeugend im Ausdruck der ruhigen und der erregter Straft. Wie schmetternde Fanfaren flang die Stimme in den Momenten der Leidenschaft. Bassermann gab in der Rolle des Hauptmann Tellermann ein wunderbar fein ausgeführtes, farbenreiches Kolorit. Die fanatische Rede des blinden Monchs in Rothenburg , von Reicher vorgetragen, wirkte erstaunlich naturwahr. Dies waren unter vielen guten die hervorragendsten Leistungen.
Kleines feuilleton.
Zwei Sittenzeugnisse für Georg Herwegh . Wir lesen in der " Züricher Post" Der junge schwäbische Poet war zu Anfang feines ersten Züricher Aufenthaltes mit Geldmitteln dürftig versehen; oft reichten sie faum aus, den Eintritt in das Lesezimmer zu bestreiten. Dem Armen steckte der Schauspieler Gerstel zuweilen einen Taler zu und dann kam ihm auch die Generofität Follens zugute. Saßen fie beisammen im Café littéraire, zog dieser selten die reich gespickte seidene Börse, ohne sie jenem zu präsentieren mit den ermumternden Worten: So nimm Dir doch, Georg!" Und Georg griff zu immerhin mit einiger Schüchternheit, die später sich verlor. Kurz vor seiner Ausweisung war er dann in einem Breßprozeß so freundlich, die Autorschaft für einen Artikel zu übernehmen, welchen Follen verfaßt hatte.
Da Herwegh sich zu Augst im Baselland ums Bürgerrecht bewarb, war er bereits mit einer reichen Berlinerin verlobt und die Beschaffung der von den Bauern verlangten 600 Franken verursachte feine Mühe. Aber er sollte auch" Schriften" vorlegen und als württembergischer Deserteur besaß er nichts als seinen Taufschein und zwei gute Atteste über sein Züricher Leben. Das erste, vom Gemeinderat Enge unterm 26. Januar 1843 ausgestellt, lautete: " Herr Georg Herwegh von Stuttgart hat vom Mai 1840 bis Mai 1841 in hierseitiger Gemeinde gewohnt und durch sein ruhmbolles Betragen gegen Jedermann einen sehr guten Leumund erworben, welches pflichtschuldigst bescheint: Präsident Streuli; Sekretär Schellenberg."
Und die Behörde von Hottingen ließ sich zu gleicher Zeit vernehmen:
Geschichtliches.
- Das Geheimnis von Ingö. Der Frankfurter Zeitung " wird aus Kopenhagen geschrieben: An der äußersten Grenze Norwegens am Eismeer findet sich auf Fruholmen bei Jngö der nördlichste Leuchtturm der Erde. Eine romantische, aber auf historischen Tatsachen beruhende Geschichte ist mit ihm verknüpft. Jm Jahre 1630 kam ein dänisches Kriegsschiff nach Ingö mit einem Brief vom König Christian IV. an den Gouverneur der Insel; in diesem Brief wurde ihm mitgeteilt, daß der König ihm eine Frau an bertraue, die verurteilt sei, den Rest ihres Lebens auf der öden Insel zu verbringen. Doch sei es ihr erlaubt, eine Wohnung nach ihrem Geschmack aufzuführen, und hierbei solle der Gouverneur ihr behilflich sein. Uebrigens solle sie in strenger Einsamkeit leben und dürfe nur an Feiertagen, wenn sie die Kirche von Ingö besuchen wolle, ihre Wohnung berlassen. Die Diener, die sie mit sich führe, follten immer bei ihr bleiben und hätten einen Eid geschworen, den Namen und Stand ihrer Herrin niemals zu verraten. Dies war