Der Kultusminister hat versagt, daß in sämtlichen höheren Töchterschulen Preußens als Prüfungsaufsatz die Aufgabe gestellt werde: Der siebenfache Lustnwrd im Scheunenviertel, Originalbericht für den.Berliner Lokal-Anzeiger�. August Scherl ist unermüdlich in seinen Bemühungen, die Kunst dem Volke, insbesondere semen Abonnenten immer näher und näher zu bringen. Zwecks dieses wird er zur Weihnachtszeit drei groß- artige Werke auf den Tisch des deutschen Volkes niederlegen. Erstens: Beethovens neunte Sinfonie von Paul Vincke Volks- mäßig bearbeitet. In flotten Walzer- und Polkaweisen präsentiert ich nunmehr das durch seinen Umfang und seine Schwierigkeit den breiten Schichten des Volkes bisher unzugänglich gewesene Werk; insbesondere wird der Schluß:Freude schöner Götterfunken ", nach der Melodie des Cake-Walke umgearbeitet, bald in jedem Hanse, wo ernste Kunst und derLokal-Anzeiger" gehalten wird, heimisch sein. Die zweite Gabe hat die Absicht, auch das bisher unausgenutzte Gebiet der Philosophie den Abonnenten desLokal-Anzeigers" zu erschließen. Es handelt sich um nichts weniger als eine illustrierte Prachtausgabe von Kants Kritik der reinen Vernunft ". Das Werk, das von den beliebtesten Mitarbeitern desTag" bearbeitet worden ist, enthält 2000 aktuelle Originalaufnahmen aus dem Gebiet der reinen Vernunft; um Platz für die Illustrationen zu gewinnen, ist der Text auf einige der hauptsächlichsten Sätze beschränkt worden, deren Auswahl der deutsche Reichskanzler Graf Bülow selbst besorgt hat. Endlich hat noch unser Herr Holzbock den zweiten Teil von GoethesFaust" in einen außer- gewöhnlich spannenden, wirklich wertvollen Roman umgedichtet; Mephisto spricht in dieser Ncudichtung den Jargon der Gebrüder Herrnfeld, und sind wir sicher, �daß er in dieser Gestalt dem Geiste des deutschen Volkes, in dem die Ideale immer noch hoch gehalten werden, willkommen fein wird. Zir. Feier des 500 000 Spezial-Kabeltelegramms desLokal- Anzeigers" vom südwestafrikanischen Kriege sind heute die Schulen geschlossen. « Herr August Scherl hat nmtmehr die deutsche Denkinalspflege gepachtet. Er beabsichtigt in der Woche 50 neue Bildwerke zu setzen. Zum erstenmal wird das System der Denkmal- Wolkenkratzer in Anwendung gelangen. In einer Art senkrechter Sieges-Allee sollen zunächst vor der Maikäfer-Kaserne sämtliche schuldenfreien Gardeleutnants des letzten Jahrhunderts übereinander verewigt werden. Die Hacken des einen werden immer auf der Helmspitze des vorhergehenden Kameraden befestigt werden. Haby hat eine neue Art Brillantine erfunden. Eine einmalige Ein- reibung des Körpers genügt, um jeden: Menschen die nötige Festig- keit, Wetterbeständigkeit zu verleihen, daß berühmte Zeitgenossen sich schon bei Lebzeiten an jeder Straßenecke in monumentaler Form aufstellen und der Nachwelt erhalten können. Die Frisur bleibt garantiert unveränderlich. Die Aussichtsbehörde hat der Großen Berliner Straßenbahn- Gesellschaft erlaubt...... Joe. Kleines feirilleton. or. Frauenarbeit. Und sonst ist es wirklich weiter nichts, Tante?" Aber nein, Kind, wirklich nicht, ich weiß gar nicht, wie Ihr darauf kommt! Ich sollte etwas übel genommen haben? Was denn? Lächerliche Jdeel" Und Frau von Osten lachte wirklich, herzhaft und fröhlich. Die junge Frau stimmte ein. Na, es war ja auch nur, weil Du Dich eben so lange nicht hast sehen lassen, schon drei ganze Wochen bist Du nicht bei uns gewesen." Wirklich drei Wochen nicht? Ja, aber Kind, Ihr wißt doch, was ich zu tun habe, und gerade jetzt, wo die Saison beginnt. Ich, bei meinem großen Haushalt l" Ja, ja, Tantchen," die junge Frau nickte,ich habe es ja meinem Manne auch gesagt. Gar nichts liegt vor, habe ich ihm gesagt, Tante hat bloß so viel Arbeit." Und wie viell" Frau von Osten seufzte.Na, Du mußt ja auch wissen, was solch ein Haushalt für Arbeit macht." Ob i ch es weiß." Die Nichte nickte.Das glaubt einem aber kein Mensch, und die Männer am wenigsten. Nun schilt Kurt, daß ich jetzt so wenig mehr Klavier spiele. Na, komm' ich denn dazu? So selten!" Glaube ich, glaube ich Dir sehr gern." Die Tante machte ein verständnisvolles Gesicht.Hast ja auch vier Stuben und gibst viel Gesellschaft. Aber ja, die Männer, die Männer, die erkennen Frauenarbeit gar nicht an." Die Nichte zog die Stirne kraus und sah vor sich hin, es blieb ein Weilchen still im Zimmer; dann richtete sie sich plötzlich leb- Haft auf. Was habe ich heute wieder für Arbeit gehabt I Nicht zu sagen! Erst durch alle Zimmer laufen und aufpassen, daß das Mädchen ordentlich Staub wischt und wenn ich nicht nachsehe, macht sie es nicht ordentlich. Denkst Du etwa, die bückt sich und poliert die Tisch- füße? New, ich muß dabei stehen und ihr sagen: Nun, bücken Sia sichl, sonst fällt es ihr gar nicht ein, deswegen unter den Tisch zu kriechen." Das fällt keinem Mädchen ein! Die faule Gesellschaft!" Frau von Osten lachte verächtlich.Denkst Du etwa, meine Lina wischt alle Tage die Oefen ab? Wenn ich nicht komme und ganz energisch sage: Hier, jetzt holen Sie sich die Stehleiter und klettern raus'l macht sie es nicht; und so hat sie auch noch'n groben Mund und sagt, das paßte ihr nicht, alle Tage die schwere Leiter durch die ganze Wohnung schleppen." UnerhörtI" Die Nichte nickte. Jawohl, unerhört. Ader so sinki sie alle. Man muß ewig hinterher sein." Na ja, eben, und das macht doch so viel Arbeit. Nun will ich mal am Vormittag sitzen und üben, dann muß ich nach der Küche und sehen, ob sie auch den Braten richtig begießt, ob sie die Kar» tofseln zur Zeit schält, na, und so weiter; immer muß man sehen, daß das Mädchen auch alles tut. Ja, man hat schreckliche Arbeit!" Kenne ich, kenne ich! Ach, mir brauchst Du nichts zu erzählen!" Die Tante machte eine abwehrende Handbewegung:Ja, und dann heißt es, was hat sie denn zu tun? Sie hat ja'n Mädchen I Als ob man nicht schon genug Arbeit damit hat, daß man aufpaßt, was die arbeitet." Nun, ich Hab' noch ganz andere Chikanen gehabt." Die junge Frau sah in die Lust und nahm eine wahre Opfermine an:Ist da mit einem Male an der Gardine im Salon oben eine Falte ab- gegangen; ich also ans Telephon und klingle den Tapezierer an. Ja, der ist nicht da. Nach einer halben Stunde klingle ich noch mal, er ist wieder nicht da; ich warte noch ein Weilchen und bimmle von neuem, ja, da heißt es denn endlich, er wird in'ner Stunde kommen. Na, weißt Du, der halbe Tag war damit hin, daß ich ans Telephon lief und zurück. Ich war so wütend." Läßt sich denken, ich Hab' auch noch telephonieren müssen um Kaffee und Zucker und alles mögliche andere. Ja, man hetzt sich ab und dazu muß man dann noch am Abend in Gesellschaft gehen oder welche geben." Und kommt keine Nacht bor Eins ins Bett. Geht es Dir auch so?" Die Nichte lachte. Na ja, natürlich, und dabei fängt die Saison erst an, nun, ich schlafe morgens immer bis Neun, halb Zehn, da ruht man sich dann wieder aus und erholt sich." Du kannst es wenigstens." Die Nichte seufzte wieder.Deine Lina ist wenigstens so weit tüchtig, daß sie morgens alles allein besorgt, und wenn Du um halb Zehn aufstehst, ist die Wohnung sauber." Na, hör' mal, ist das bei Dir etwa nicht so?" Frau von Osten geriet förmlich in Entrüstung. Meine... Auguste...l" Die Nichte sah gen Himmel:Die steht ja nicht mal um halb Sechs auf! Die ist ja immer so ver- schlafen und so müde! Die kommt ja erst um halb Sieben aus den Federn." Und das läßt Du Dir gefallen?" Die Entrüstung der Tante stieg:Kindchen, Du bist noch'ne junge Frau und kannst lernen, also laß Dir's gesagt sein: das Mädchen wirf raus! Ein Mädchen, das so spät aufsteht, kann man nicht behalten; das heißt ja geradezu die Faulheit begünstigen..." Das sage ich ja auch immer, aber will denn Kurt hören? Und bloß, weil sie gut kocht, hält er ihr die Stange. Und dann sagt er noch, ich könnt's nicht anders verlangen, wo sie beinahe jede Nacht erst um Zwei zu Bett kommt, denn beim Ausziehen muß sie mir natürlich helfen." Nun, das wird sich wohl auch so gehören!" Frau von Osten machte ein teilnahmsvolles Gesicht.Und so ist Dein Kurt? Sieh' mal an! Statt das faule Mädchen aus den Federn zu bringen, läßt er Dich wohl gar früher aufstehen?" Nu natürlich!" Die Nichte lachte gereizt.Und da�alles bloß, weil sie gut kochen kann. Nun, lieber Himmel, wenn ich es auch nicht kann, ich muß ihr doch aber immerhin sagen, was sie für uns kochen soll. Das achtet aber Kurt nicht, das gilt ihm für nichts." Natürlich nicht! So sind die Männer!" Frau von Ostens Augen strahlten verständnisvoll.Na, es ist so, wie ich Dir gesagt habe: Frauenarbeit findet bei diesen Barbaren gar kein Verständnis und keine Achtung." Theater. Schiller- Theater O. Die Tyrannei der Tränen. Lustspiel in 4 Akten von C. Haddon Chambers . Die Komödie von Chambers, ein Repertoirestück der englischen Bühnen, fand auch im Schillcr-Thcater ein sehr dankbares Publikum. Und es war Grund zur Dankbarkeit; man lachte und hatte das Gefühl, intelligent zu lachen, ohne den flauen ärgerlichen Nachgeschmack, den die leeren Zwerchfellspekulationen der üblichen Schwänkq am Schlüsse hinterlassen» Die feine erfindungsreiche Ironie des Dialogs entschädigt reichlich für das Erfindungsmanko in der Handlung, und macht bis zu einem gewissen Grade auch die Widersprüche, in die sich stellenweise die Charakteristik verwickelt, noch erträglich. Neu ist das Thema von der Tyrannei der Tränen in der Ehe ganz gelviß nicht. Reben der Gewalt und Huttigkeit der Zunge, oder wie der alte Kant in seiner würdevoll-philosophischen Weise es nennt, derasfektvollen Beredsamkeit" des Weibes, ist die Kuaft beliebiger Tränenergüsse von altersher als eine der Hauptwaffen verwöhnter Frauen im ehelichen Daseinskampf bekannt. Bis zum