000

fürchtete geheime Nachstellungen, irgend einen Hinterhalt in dieser unbegrenzten Bergesfreiheit, die ihm durch die An­wesenheit von Baskas Bewunderern entweiht schien.

Ein unheimliches Gefühl, ähnlich dem, welches Bio Pietro in den Stunden der Einsamkeit verspürte, überkam ihn; feine Falkenaugen unterschieden jedes einzelne Blatt der Stein­eichen und des Buschwerks, jeden schwarzen Tupfen auf dem Granit der Felsen; aber dahinter? Dort, wohin das Auge nicht reichte? Was war hinter den Blättern, dem Gebüsch, in den Felsspalten? Mochten die Feinde hervorkommen, sich im Hellen Tageslichte zeigen- er würde sie nicht fürchten; mochten sie ihm das Gewehr auf die Brust setzen, er würde nicht erschrecken. Aber Hinterlist, Verrat, das fürchtete er und dachte:

Der Vogel kann sich bis zu den Wolfen erheben- aber ein wenig elender Leim genügt, um ihn zum Gefangenen zu machen.

Als er seiner Behausung näher fam, suchte er sich aufzu­raffen und über seine törichte Besorgnis zu lachen: konnte er fich doch von einer Gefahr keine Vorstellung machen. Aber der Schrei der Elster klang ihm wie das Echo der Stimme Zia Bisaccias.

Der Anblick Zio Pietros, der wie gewohnt vor der Hütte stand und auf den Tritt des Pferdes horchte, verschärfte seine Pein. Wenn man den Sohn traf, so verwundete man auch den Vater: war eine solche Schlechtigkeit denkbar? Und um wen gar? Und warum? Um ein leichtsinniges und boshaftes Geschöpf!

Munde drang ein Stöhnen und Fauchen, ähnlich dem einer fleinen Dampfmaschine. Erschrocken lief die Fillotte zu ihrem Mann, der im Hofe stand und mit sorgenvoller Miene nach dem Himmel blickte. holen," fagte sie. " Du solltest nach der Stadt gehen, Fillotte, und Herrn Cristobel.

Fillotte drehte sich mit finsterer Miene um.

Den Arzt? Wozu denn? Man kann doch sterben, ohne daß man sich einen Arzt zur Hülfe holt."

Aber es ist doch der Vater, der Vater," sagte die Frau vor turfsvoll.

"

Das bestreite ich ja nicht," versetzte der Mann weniger brutal. " Ich habe aber keine Beit, nach der Stadt zu gehen." Dabei zeigte er mit zorniger Geste nach dem Himmel. ,, Sieh Dir doch das Wetter an! Wir werden Regen bekommen und das Getreide ist noch nicht eingebracht."

"

Bei dem Gedanken, das Getreide könnte verfaulen, verdüsterte sich die Stirn der Fillotte.

" Ja, das muß allerdings sein," feufzte fie, das ist eiliger. Hoffentlich geht's dem Vater besser, bis Du zurückkommst."

Da indessen der Wagen des Herrn Cristobal zufällig am Vor­mittag an der Tür vorbeifuhr, so benutzte sie die Gelegenheit, um den Doktor hereinzunötigen. Dieser untersuchte den Kranken und schnitt eine Grimasse. nicht gestern holen lassen?" " Sie sind doch alle gleich!" brummte er: Konnten Sie mich

Er hatte sich an den Tisch gesetzt und schrieb ein Rezept. Dann machte er den stöhnenden Erklärungen der Bäuerin ein Ende und sagte:

" Es ist gut! Schicken Sie sofort Ihren Mann nach der Stadt zum Apotheker. Und er soll sich nicht etwa aufhalten, die Sache eilt."

Sein erbittertes Herz ahnte in diesem Augenblick die ganze häßliche Wahrheit, die ganze Gefahr, die ihm drohte. Um zehn Uhr fam Fillotte nach Hause, der Negen hatte ihn Pasta wollte sich von ihm befreien und mit Hülfe ihrer Be- zurückgejagt. Das Wasser stürzte in Strömen herunter, und die Hälfte der Ernte war noch draußen. Darum war er in schrecklicher schüßer ihn unschädlich machen, entfernen, ins Gefängnis bringen..

Welche Anklage zettelte man gegen ihn an? Er wußte es nicht, aber er fühlte es; und Zia Bisaccias Worte schnitten ihm wie Dolche ins Herz.

Der Greis trat auf die Richtung; Hund und Katze gingen neben ihm, ( Fortsetzung folgt.),

Die Medizin.

Von Michel Thivars. Autorisierte Uebersetzung.

I.

Als Fillotte um 8 Uhr abends vom Felde zum Effen nach Hause kami, sagte seine Frau, die gerade Brot in einen Napf schnitt, zu ihm:

,, Du, der Vater ist frank!"

"

Was fehlt ihm denn?" fragte Fillotte.

Das weiß ich nicht, es hat ihn so gepackt, ganz plötzlich, und das Schlimmste ist, er will nicht reden."

Während des Sprechens hatte die Fillotte die Suppe fertig gemacht, die der kleine, am Ende des Tisches fizzende Schäfer bereits mit dem gierigen Appetit seiner fünfzehn Jahre verschlang.

Fillotte wollte zuerst nach dem Vater sehen.

Im Hintergrunde des gimmers in einem schranfartigen Alfoven, der an das Bett der Fillottes stieß, lag der Alte auf dem Rücken, die Decken bis an das Kinn empor gezogen, die Nachtmüße über den Augen, leblos, mit offen stehendem Munde und starren Augen da. Na, was ist denn, Vater Pinguet?" Wollt Ihr nicht die Suppe effen?"

Oder wollt Ihr lieber ein Glas Glühwein?" schlug die Frau vor.

Der Alte betrachtete seine Tochter und dann seinen Schwieger­sohn mit trüben Augen. Er bemühte sich, zu sprechen, seine Nase bewegte sich, seine Lippen gingen auf und nieder, und er stammelte:

Ga..ga.. ga.. ga."

Dann fiel er wieder in seine Betäubung zurück.

Fillotte schüttelte den Kopf und setzte sich neben den kleinen Schäfer, der die Abwesenheit der Herrschaft benutzt hatte, um starke Bresche in den Kohl zu legen.

eine

Erst als er schweigend seine Suppe gegessen, entschloß sich Fillotte, seine Ansicht auszusprechen.

Das ist aber recht merkwürdig," erklärte er.

" Ich glaube, es steht mit ihm sehr schlecht", meinte die Frau. " Das mußt Du nicht sagen," versezte der Mann. Ja, ja, ich will ja nicht behaupten, daß es gut steht, aber schlecht steht es auch nicht, das kann man nicht sagen.. Wir müssen ihn jetzt schlafen Lassen, morgen werden wir ja sehen."

Die ganze Nacht feuchte der Alte in seinem Bettschrank. Bei Tagesanbruch erhoben sich die Fillottes. Die Tochter lief an das Bett ihres Vaters. Der Alte lag noch genau so wie am borigen Abend, doch sein Atem ging teuchender, und aus seinem

Laune.

Man kann sich den Empfang denken, den er seiner Frau be reitete, als sie ihm das Rezept des Doktors hinhielt. Himmel­donnertetter, weiter hatte nichts gefehlt! Der Herrgott mochte wissen, wieviel Sousstücke dieser verdammte Lappen Papier   kostete! Doch der Arzt hatte gesagt, die Sache eile, und da mußte er ge­horchen. Er spannte das Pferd an den Wagen, zog seinen Braten­rock an und fuhr brummend, bei strömendem Regen, ab.

II.

Der Wagen fuhr durch die gelblichen Schmußpfüßen, während Fillotte mit traurigem Herzen das vom Regen geknickte Korn be trachtete.

Eine so schöne Ernte!

Aber plöglich schoß ihm ein anderer Gedanke durch's Him, so daß er selbst das Getreide darüber vergaß.

Als der Vater Pinguet sich auf's Altenteil zurückgezogen, hatte er, was er besaß, zwischen seiner Tochter, der Fillotte, und seinem Sohne, der drei Meilen weiter den Pachthof Pomnières bewirtschaftete, geteilt. Man war übereingekommen, daß der Alte, der alles seinen Kindern überlassen, abwechselnd sechs Monate im Jahre bei dem einen und dann bei dem andern leben sollte. Doch die Eventualität einer Krankheit war nicht vorgesehen worden.

Wer sollte die von dem Arzt verordneten Medikamente be­zahlen?

man

Wer weiß, ob der junge Pinguet, ein geiziger Kerl, sich nicht weigerte, zu den Kosten beizutragen unter dem Vorwande, hätte ihn nicht um Rat gefragt. Diese Vermutung ängstigte Fillotte derart, daß er, anstatt seinen Weg nach der Stadt fortzusehen, um­fehrte. Drei Meilen mehr oder weniger, darauf kam es doch schließ­lich nicht an! Er wollte zuerst Pinguet aufsuchen und dann zum Apotheker fahren.

Als Fillotte regentriefend nach Pomnières fam, befferte Binguet, den das schlechte Wetter vom Felde zurückgehalten, in der Küche ein Baumzeug aus. Seine Frau stridte.

,, Guten Tag alle miteinander!" sagte Fillotte beim Eintritt. " Guten Tag, mein Junge!" verfekte Pinguet höflich.

Er machte eine Pause und fuhr dann fort:

"

Du bist also hergekommen

" Ja, ich bin hergekommen," fagte Fillotte.

" Na, es ist gut, es ist gut; schlechtes Wetter, was?"

" Ein Elend!" versezte Fillotte schmerzlich.

Pinguet fand, daß es in der Tat elend war.

Eine halbe Stunde plauderten die beiden Männer gesetzt, mit lang­samen Phrasen, vom Regen, von der Ernte, vom verwüsteten Ge­treide, von den schlechten Zeiten, dann erhob sich Fillotte, um Abschied zu nehmen.

"

Du willst also fort?" sagte Binguet. " Ja, ich will fort."

" Na, es ist gut, ich biete Dir keine Erfrischung an, es ist nicht die Zeit dazu," fuhr er fort, indem er seinen Gedanken mit einem Blid auf das naffe Fenster ergänzte. Dann erkundigte er sich eifrig, während er die unbestimmte Bewegung Fillottes für eine Ab­lehnung nahm.

Na, wie stehts bei Dir, alles gefund?"

" Es geht, sagte Fillotte, und setzte dann nach einer Bause

hinzu: