Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 231.

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Donnerstag, den 24. November.

( Nachdruck verboten.)

Der Alte vom Berge.

Roman von Grazia Deledda.

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and 1904

Wichtigkeit bei, obgleich, wie gesagt, die betreffende Person sehr glaubwürdig ist. Aber jetzt höre wohl, was ich sage, Melchior. Ich habe Dir meine Tochter versprochen, weil ich weiß, daß Dut rechtschaffen, arbeitsam und gut bist."

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Und wohlhabend!" stieß er hervor. odd hoit

Wohlhabend auch. Man lebt nicht von der Lcce auem." Na, Liebe!" sagte er bei sich. Und mit gekreuzten Armen, stolz aufgerichtet, blieb er stehen, um die Frau zu Ende zu hören. Sie milderte ihre Stimme, daß sie fast demütig klang, doch das milderte die Herbe ihrer Worte nicht:

..... Und ich bin bereit, mein Versprechen zu halten. Aber wenn Du... Dich nicht ganz ruhig fühlen solltest... wenn Du vielleicht... am Ende sind wir ja alle Menschen und dem Irrtum unterworfen

Weib," sagte er bitter, ich bin fein Dieb!" Und wenn ich dem armen Alten nicht schon Summer genug gemacht hätte, so würde ich nach diesen Euren Reden weggehen und nie mehr einen Fuß in dieses Haus setzen."

Durch andere Ursachen gereizt, behauptete Melchior un­gerechterweise, daß die Schweine ihm die Weide verdürben; er forderte den benachbarten Hirten auf, seine Herde nicht mehr auf seine Tanca zu lassen. Der andere versprach dies, hielt aber nicht Wort, und als Melchior eines Tages einige Ferkel unter den Steineichen antraf, jagte er sie fort. Auf der Flucht zer­streuten sie sich und einige stürzten ab und blieben tot. Der Schweinehirt brannte vor Zorn und fing mit Melchior Streit an; sie schimpften einander, warfen sich hunderterlei eingebildete Vergehen vor, und es schien, daß es zu Tätlichkeiten kommen würde. Das unterblieb zwar, doch von jenem Tage an waren ihre nachbarlichen guten Beziehungen abgebrochen und sie boten einander nicht mehr den Gruß. Das erbitterte Melchior vollends. Jeden Sonntag ging er nach Nuoro hinab, um seine Verlobte zu besuchen, die ihm immer mehr zuwider wurde. Nach der anfänglichen, heuchlerischen Zurückhaltung zeigten Mutter und Tochter sich ihm so, wie sie wirklich waren: fückisch, Melchior bebte innerlich. Von neuem überfiel ihn die fleinlich, geizig bis zum Schmutz und voll dummen Hochmuts. instinktive Furcht vor unbekannten Gefahren, und zwischen In vier Monaten war nicht ein süßes Wörtchen zwischen den diesen beiden Frauen, die er nicht liebte und die ihm mißtrauten, beiden Verlobten gewechselt worden; die unförmig dicke Gestalt fam er sich wie von Feinden umgeben vor. Ganz im Grunde der Mutter wachte stets neben dem Herde, an dem sie saßen- indes verspürte er ein Glücksgefühl, das ihm die Bitterfeit jener Melchior verlangte aber auch gar nicht nach einem vertrauten Augenblicke wieder fühlbar machte. Gespräch.

Eines Abends hingegen fand er die Alte allein vor. ,, Und sie?" fragte er, zu Boden blickend. " Sie ist ausgegangen, wird aber bald zurückkommen," erwiderte die Frau, ihn aufmerksam betrachtend. Da wir gerade allein find, will ich Dir etwas sagen." Was?"

Höre, Melchior, mein Sohn. Du weißt, daß ich Schwazereien nicht leiden mag. Wenn also das, was ich Dir jetzt sagen will, eine Kleinigkeit wäre, jo hätte ich mich nicht darum gefümmert; aber es handelt sich um Ernstes. Also: eine zuverlässige und gute Person ist gekommen und hat mich gefragt: Auf Treu und Glauben, ist es wahr, daß Ihr Eure Lochter dem Melchior Carta gebt?"

,, Dem ist so!"

,, Ueberlegt wohl, was Ihr tut, denn der ist auf schlechtem Wege und es wird nicht lange dauern, so fällt er dem Gericht in die Hände.

"

Zum Teufel auch!" schrie Melchior, mehr erbost als er­schrocken. Fängt das Spiel wieder an?"

" Was meint Ihr damit?" fragte die Alte aufmerksam. " Fahrt nur fort!"

Gut. Nachdem ich sie lange gebeten, ja beschworen, machte die Person mir einige Andeutungen. Es scheint, daß Deine Base Paska etwas ausgeplaudert hat. Du weißt, Paska ist die Magd und sie sagen... ich behaupte nicht, daß es wahr ist, Gott behiite! Nun, sie sagen, die Magd und etwas mehr bei einem Richter. Es scheint, daß man Dich denunziert hat, Du beherbergtest Banditen und man sehe mit­unter gestohlenes Vieh in Deiner Tanca."

Melchiors Lippen wurden weiß und zitterten; aber er sagte kein Wort. Er biß die Zähne zusammen, um vor den scharf aufmerkenden Augen der Frau seine Aufregung im Baum zu halten,

" Ich wollte Dir nichts sagen, aber seit Paska weiß, daß Du mit meiner Techter verlobt bist, hört das Geschwäß nicht auf. Sie hat jogar gesagt, wenn sie mur gewollt, so hättest Du fie geheiratet, statt des Ungeheuers... Meine Tochter nennt sie ein Ungeheuer..

"

Jetzt lächelten Melchiors Lippen und in seinen Augen leuchtete es. Weshalb lächelte er, wenn er an Benturedda dachte, und weshalb glänzten seine Augen, wenn er an Paska dachte?

,, Sie sagt auch, wenn sie es gewollt, so wärst Du jetzt schon verloren, daß es aber imuner noch an der Zeit sei, weil die Gerichtsbarkeit Dich schon aufs Korn genommen hätte. Nach dem allen dachte ich, daß sie vielleicht das Gerücht von den Denunziationen ausstreut, damit Deine Heirat mit meiner Tochter zu Wasser würde; darum lege ich demselben keine große

,, Du hast mich mißverstanden!" rief sie aus und suchte ihn zu begütigen, als die Tochter eintrat und die Rede auf gleich­gültige Dinge fam.

Baska also hatte gejagt, daß wenn sie es gewollt, er lieber ihr angehört hätte, als dieser Verlobten. Sie hatte also doch an eine Vereinigung gedacht? Sie war eifersüchtig? Alles andere verschwand für ihn: Troß, Haß, Schmerz, Drohungen, Niederträchtigkeit, alles. Es blieb nur die schmeichelnde Süßigkeit dieser Worte zurück in die sich freilich ein Ver­langen nach Rache mischte. Er fühlte, daß er Paska verachtete und sie nicht mehr heiraten konnte; doch wenn er sich mit einem anderen Mädchen, mit Benturedda zum Beispiel, verband, so würde seine größte Freude die Reue und der Aerger der ehe­maligen Braut sein. Ganz erregt ging er zu Zia Bisaccia und erzählte ihr alles.

" Ich möchte ein paar Worte mit meiner Base wechseln," sagte er dann. Ich will wissen, was an diesem Gerede ist." Zia Bisaccia überlegte.

Wenn Du mir versprichst, keine neue Torheiten zu be­gehen, so kann ich Dir dazu verhelfen, sie noch heute abend zu sprechen.

So geht! Jene Zeiten sind vorüber," sagte er gereizt. Sie hing ihre Tunika um und ging.

Der Abend sank hernieder. Melchior saß beim Feuer, das Gesicht in den Händen vergraben. An dem Abend, an dem Zio Pietro hingegangen war, für ihn um Bentureddas Hand zu werben, da hatte er nicht in so beklemmender Unruhe ge­wartet.

Zia Bisaccia wußte, wo Paska zu finden war: sie spazierte den Korso auf und ab, mit anderen Magden und aufgeputzten Kindern, die sich über Moden unteróielten und über andere flatschten, wie große Damen. Pasfas junger Herr, immer noch fümmerlich und das blasse Gefichtchen in dem unechten Pelzfragen seines Ueberziehers vergraben, ging neben ihr her; das schwarze Hündchen mit seinem ewigen Schellengeflingel und dem blanken Halsband folgte.

Die flare, winterliche Dämmerung sentte sich mit foltem Glanze über den westlichen Horizont; hinter dem Orthobene im Osten stieg der Vollmond auf und warf sein Licht auf den ziemlich belebten Korso.

Mit ihrem gewohnten, festen Schritt fam Zia Bisaccia daher; die Herren und Damen und ganz besonders die Mädchen, die da umherspazierten, erweckten ihre vollste Verachtung, der sie für sich hin murrend Ausdruck verlieh. Endlich sah sie die, welche sie suchte.

Finger.

Sss...!" zischte sie und machte ein Zeichen mit dem Was wollt hr?" fragte Paska herankommend. Dich. Willst Du einen Augenblick mit mir kommen? In meinem Hause ist jemand, der Dich sprechen will." Wer?"

" Dein Vetter."