Anterhaltungsblatt des Vorwarts

Nr. 232.

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aid Freitag, den 25. November.

JDE 1996 8712 19129 ( Nachdrud verboten.)

1904

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spüre. Weshalb? Aus Anhänglichkeit? Aus Angst? Er wußte es nicht, er erriet es nicht, doch die stumme Unruhe Winternacht.

Der Alte vom Berge. Basilios vermehrte ſeine eigene. So verging die lange, falte

Roman von Grazia Deledda .

Die Luft war lind wie in einer Herbstnacht, und in dem hellen Mondschein fühlte Melchior sich trotz all der Aufregungen leicht und frisch an Körper und Geist. Keine Furcht beirrte ihn; sein Blut freiste lebhaft, heiß, von keinerlei Ungewißheit gehemmt, denn ein jeder Pulsschlag seines Herzens sagte: Pasta, Pasta!

Und sein Denken antwortete:

in Ich liebe sie; sie wird die Meine! Das Ungeheuer kann lenge warten, ehe es mich wieder sieht; wie komme ich von dem Versprechen los?

Auch diese Frage störte den lauten Hymnus seines Herzens nicht, der, in das eine Wort: Pasta! zusammengefaßt, alles andere übertönte.

Bei dem Zollhaus, vor dem vom Monde hell beschienenen Orthobene, sah er zwei Karabinieri. Ein instinktiver Schred durchzuckte ihn, und er wandte sich seitwärts, um ihnen aus­zuweichen; dort standen noch zwei.

Melchior blieb stehen: der Anblick des Orthobene erinnerte ihn an den wartenden Vater; ein Gedanke aber tröstete ihn in dem fatalen Augenblick:

Mein Gewissen ist rein. Wenn sie mich festnehmen, so ist das wenigstens ein Grund, um von meinem Versprechen Loszukommen.

XII.

In der Grotte harrte Bio Pietro in vorahnender Sorge. Auch hier oben war die Nacht klar, und der schweigende Wald schimmerte im Raufrost.

Melchior fam nicht. Zio Pietro wußte jekt, daß er nicht mehr kommen würde, und doch erwartete er ihn, unbeweglich auf der Matte liegend, deren grobes Geflecht die alten Glieder des Schlaflosen drückte. Heftig pochten seine Schläfen und Bulje, und doch war ihm kalt. Da waren wieder die eisigen Gewässer, das tiefe, dunkle Meer, in das seine Seele versant: Melchior würde nicht mehr heimkehren...

Und auch Bafilio wachte...

Als der untergehende Mond in die Höhle hereinblickte, stand er auf. Zio Pietro hörte, wie er sich redte, gähnte, und dann das Feuer anblies. Er verspürte den hellen Schein des felben und allmählich durchdrang ihn eine milde Wärme, die iene entseglichen Vorstellungen verscheuchte. Sein Puls ging ruhiger, und die schweren Augenlider schlossen sich. Während er jo völlig erschöpft dalag, vernahm er einen Pfiff, vermochte aber nicht, sich zu ermuntern. Basilio dagegen, der zusammen­gekauert am Heuer saß, sprang auf, stürzte hinaus und eilte zu der Hütte. Er traf dort Felir, den Sohn Zia Bisaccias, der von seinem gestrigen Rausch noch ganz rote Augen hatte. Er sagte gleich, daß Melchior verhaftet worden sei.

Meine Mutter weiß, daß man ihn beschuldigt, ge­stohlenes Vieh verkauft zu haben. Sie sagen, daß das Vieh hier, bei der Hürde gesehen worden ist. Nimm Dich in Acht, Bursche!" Er padte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn heftig. He, wofür hältst Du mich? Wir können sie nichts an haben!" erwiderte Bafilio.

Der Mond verschwand und es ward plötzlich dunkel. Trotz ihrer Kühnheit fürchteten sich die beiden.

Bafilio hatte die Ziegen in die Schutzhütten getrieben und das Pferd vor der Grotte angebunden. Die Stunden vernd, Wahrscheinlich werden die Karabinieri kommen, um die gingen, Melchior kehrte nicht heim. Tanca zu durchsuchen; der Ochse muß weg! Zum Teufel, wo hast Du ihn gelassen?"

"

Das hat etwas zu bedeuten," sagte Zio Pietro vor sich hin.

Ihr seid töricht, Zio Pietro! Er ist bei der Geliebten und vergißt die Zeit.".

Der Alte neigte den Kopf, so daß der Bart ihm die ganze Bruft bedeckte, und schwieg. Dann nach einer Weile: Aber die anderen Male? Es ist nicht umsonst, daß er so lange bleibt."

Was für ein Tor Ihr seid! Die Liebe wird eben heißer und Euer Sohn sitt da wie der Vogel auf der Leimrute. Oder vielleicht hat er sich auch betrunken."

,, Er betrinkt sich nicht."

Nein, nie!" sagte Basilio spöttisch. Auf jeden Fall: wenn er heute nicht kommt, kommt er morgen. Legt Euch doch nieder."

Ich lege mich nicht. Es ist nicht umsonst, daß er nicht wiederkommt. Bieviel Uhr ist es?"-

and Bist Du deshalb gekommen?"

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Meinst Du vielleicht Deiner schönen Augen wegen?" Felig hatte einen Ochsen gestohlen, und indes er die Ge legenheit abpajte, einen zweiten zu stehlen, um sie zusammen zu verkaufen, hatte er ihn Basilio übergeben, damit er ihn in der Tanca verberge. Solche Gefälligkeiten machte er dann dadurch wett, daß er das Vieh verkaufte, das Basilio fand. us

Sie suchten nach dem Ochsen, fanden ihn im Walde aus­geftredt, wedten ihn und trieben ihn an. Das fette, schwärze Tier kniete schwerfällig auf die Borderfüße und erhob sich dann vollends, ganz verdugt in der Dunkelheit. Hop, weg," schrie Felig, klatschte in die Hände und lief hinter dem Ochsen her. sid

Basilio biickte sich, nahm einen Stein auf und warf ihn dem Tier in die Flaufe. Es zuckte zusammen, wandte den Kopf, ledte fich die Wunde und trottete schwerfällig davon. Die beiden jungen Leute liefen eine ganze Strecke hinter ihm her und trieben es mit lautem Geschrei fort.

Ach! laßt mich in Frieden," sagte Bafilio rauh.Er stand aber doch auf, trat an die Oeffnung der Grotte und blickte Durch das tiefe: Schweigen der Natur erklang deutlich nach oben.

"

Dem Monde nach kann es acht Uhr sein."

Was ist geschehen?" dachte Zio Pietro. Er ist noch nie nachts ausgeblieben. Sollte er sich wirklich betrunken haben? Oder haben sie ihn verhaftet?"

Eine solche Angst überkam ihn, daß falter Schweiß seinen Nacken nette. In einem Augenblick waren alle die alten, Schrecklichen Vorstellungen wieder aufgewacht und raubten ihm auch den schwachen inneren Schimmer, der ihn belebte. Alles war dunkel, außen und innen, für Seele und Leib; und in dem Augenblick, wo Melchior so lebhaft an ihn dachte, ahnte er alles, was vorgegangen war.

Nach der ersten schmerzlichen Ungewißheit beschlich ihn Angst; Basilio seine Ahnung mitzuteilen, wagte er nicht, weil er befürchtete, dieser würde ihn verlassen.s

Er legte sich nieder, wachte aver angestrengt, mit offenen Augen, in dem tiefen, beängstigenden Dunkel, das ihn überall umgab.

Basilio hatte sich in der Nähe des Einganges ausgestreckt; Bio Pietro bemerkte jedoch, daß auch er nicht schlief. Er hörte, wie er sich umherwarf, wie er manchmal den Atem anhielt, und feine eigene Besorgnis sagte ihm, daß auch der Hirt Sorge ver­

der Widerhall des schweren Tritts des Ochsen und der Stimmen der beiden Männer. Bei der Hürde bellte der Hund. Zio Pietro lag wie betäubt; er fühlte jedoch, daß er nicht schlief, und verworrene Laute tönten ihm im Ohr. Im Osten er­schauerten die dunklen Steineichen vor dem sich leise rötenden Morgenhimmel, und die Ziegen in den Schutzhütten stießen sich mit den Hörnern, als Felix und Basilio in die Grotte ein­traten. Das Feuer war herabgebrannt; Zio Pietro schien zu schlafen, erwachte aber sofort und fühlte die Anwesenheit eines Fremden. Ahorien

,, Wer ist da?" fragte er, erhob den Kopf und streckte die Hand aus.

Felix bückte sich, faßte die Hand und half ihm aufstehen. ich bin's, Zio Pietro."

" Du bist gelir. Und Melchior?" Da Felix mitleidig schwieg, fragte er entschlossen:

"

Haben sie ihn festgenommen?" Sa."

Die Antwort, die er doch erwartet hatte, verursachte ihm tödlichen Schreck, unsäglichen Schmerz.

" Herr, dein Wille geschehe!" stöhnte er; aber sein ganzer Glaube, seine einfache Weisheit, seine Güte, feine Kraft ver