Wie immer, und doch wogte es wie ein durchsichtiger Nebel-schleier durch den ganzen Raum. Die Frau von heute Abend,die Frau mit den tränenlosen, verblichenen Augen kam mirnicht aus dem Sinn.Sie hatte kein Geld gehabt zur� Bestattung des Kindes,das schon lange gekränkelt und das sie tot vorgefunden hatte,als sie abends aus der Fabrik heimgekommen war.„Janzalleene gestorben. Fräuleinchen, unser eener hat keene Zeit nich,dabei zu sind--" und ich hatte ihr einen etwas reichlichbemessenen Vorschuß gegeben, obwohl ich wußte, daß die kleineSumme ein Nichts war dem ungeheuren Elend gegenüber.Ter Mann saß im Gefängnis, und sie konnte froh sein,daß Herr Herrig sie trotzdem in der Fabrik behielt, umsomehr,als schon ein zweites kleines Wesen auf den Tag wartete, andem es seinen Einzug in diese beste aller Welten halten sollte.An meiner rechten Seite stand der große, eiserne Geld-schrank. Tote Papiere schlummerten in seinen Tiefen, die denWert von ungezählten Tausenden besaßen.Heiß und würgend stieg es auS meineni Herzen empor.Wie ein Blitz schlug die Erkenntnis in meine Seele. Und einewütende Lust überkam mich, das eiserne Ungeheuer zu zer-schmettern, die Papiere zu zerreißen und das gleißende Goldhinauszuschleudern in die eisige Oktobernacht.„Wer gibt Euch das Recht zum Aussaugen, zum Zu-sanunenraffen und Erpressen, das Recht zur Ermordung leben-diger Werte?"—Meine Hand fiel auf den Schreibtisch nieder mit einemdumpfen Schlag. Und von der Kontortür her erklang eswie ein leiser Widerhall.Ich fuhr empor. Es klopfte wahrhaftig, leise undvorsichtig.„Fräulein, bitte, Fräulein Talkenberg! Ich sah nochLicht---"Julius Leonhard! Dicht an die Tür gedrängt, fragte ichzurück:„Ich arbeite für morgen im voraus. Was wünschenSie, Herr Leonhard?"„Bitte,— öffnen Sie doch erst!"Ich überlegte ein wenig, weil die Situatio.ii mir nichtgeheuer vorkam. Was hätten meine Bellegarder Kameradinnendazu gesagt, wenn ich in nachtschlafender Stunde einen jungenMann zu mir ins Zimmer ließ?— Schließlich aber war's seinKontor mehr als das meinige,—— und als ich noch dazuder blauen Augen und des wohltuenden Lachens des jungenHünen gedachte, besann ich mich nicht gar zu lange, sondernöffnete die Tür vorsichtig so weit, daß Herr Julius Leonhardniit einiger Anstrengung hereinschlüpsen konnte.Wir standen uns einen Augenblick stumm gegenüber.Dann lachte Leonhard mit einer gewissen Befangenheit leiseauf und sagte hastig:„Fräulein Wilma, ich war heute nacht durchgegangen."„Ich weiß. An Herrn Herrigs Laune haben wir alle esmerken müssen."„Fräulein Wilma, sein's nit bös! Ich bin total ab-gebrannt. Und muß heute abend einlösen. Nicht viel, fünfzigMark tun es schon. Die kleine Kasse merkt es nicht. Undzur Abrechnung.— wahrhaftig Fräulein Dalkenberg!— zumnächsten Sonnabend haben Sie es wieder!"Ich befand mich in einer grausamen Lage. Es tat mirweh, dem jungen Manne eine Bitte abschlagen zu müssen, dieich ihm doch nicht gewähren durfte. Wie sehr ich mich aberauch sperrte und hartherzig anstellte, er ließ nicht nach mitBitten und Bestürmungen, indem er immer wieder auf die amDienstag bevorstehende Ankunft seines Bruders hinwies.„Franz ist kein Geizdrachen, wie Herrig— Sie sollensehen, Fräulein Dalkenberg: nun kommt eine andere Zeit!"Was soll ich Dich ermüden, meine Seele?— Mit einemschweren Seufzer schloß ich endlich die Kasse auf und gab dieso heiß begehrten fünfzig Mark. Und Julius Leonhardschüttelte mir die Hand mit kameradschaftlichem Druck, ver-sicherte mich seiner unbegrenzten Dankbarkeit und eilte hinausmit dem befreienden Bewußtsein, seine Ehrenschulden einmalwieder abtragen zu können.Und neben mir in dem einsamen Zimmer stand das Bildder armen Frau, die kein Geld hatte, ihrem toten Kinde einenSarg zu kaufen, und blickte mich blaß und stunim mit tränen-losem Vorwurf an.*Am Dienstag kam Franz Leonhard mit seiner jungenFrau aus Italien heim. Das Personal hatte es sich, sehrgegen Herrn Herrigs Willen, nicht nehmen lassen, Guirlandenzu wickeln und Korridor und Türen festlich auszuschmücken.Am frohesten war Julius. Er arbeitete seit Montag frühaußerordentlich fleißig und nickte mir hinter Herrn HerrigsRücken oft verstohlen und verständnisvoll zu.„Und nun tun Sie mir alle den Gefallen und vergessenSie über Herrn Leonhards Ankunft nicht, daß Sie auchPflichten gegen das Geschäft übernommen haben!"Herrn Herrigs Mahnung fruchtete diesmal nicht so viel,wie es sonst der Fall zu sein pflegte. Eine fröhliche Erwartunghauchte ihren Frühlingsduft durch das düstere Kontor. Derkleine Woitczecky, der in irgend einem Jünglings-Turnvereinein sehr tätiges Mitglied war, versuchte sogar, so oft dergestrenge Chef nach der anderen Seite sah, seiner rosenfarbenenStimmung durch Springübungen über die Barriere einenetwas kühnen Ausdruck zu geben.Meine Erwartung war arg gespannt. Ich dachte anLotte und war begierig, den Mann kennen zu lernen, den sieliebte und der sie betrogen hatte. Und auch auf die Frau, umderetwillen das arme Mädel hatte hinaus müssen in die Nacht,war ich gespannt.Endlich zeigte die Uhr die erwartete Stunde. Undpünktlich auf die Minute hielt mit scharfem Ruck eine eleganteEquipage vor der Tür.Julius Leonhard, der wohl aus Geschäftsrücksichten nichtzum Bahnhof gefahren war, stürzte hinaus. Herr Herrig erhobsich sehr gemessen, um den Kompagnon zu bewillkommnen. Ichschlich mich in den Laden und sah durch die Spiegelscheiben denEinzug des jungen Paares mit an.So groß wie sein Bruder, aber viel feiner gebaut, schlankund brünett war Lottes Geliebter. Ein weiches, doch nicht an-genehmes Gesicht. Er trat selbst an den Schlag und hob, denhinzuspringenden Diener mit einer leichten Handbewegung ab»wehrend, seine Frau heraus.Ein zartes, rotblondes Geschöpf, mit Augen, so müde,so blaß und gleichgültig um sich blickend, daß ich nicht zubegreifen vermochte, wie eine Frau, die ihren Mann doch hattelieb haben müssen, so--- so seelenlos in die Welt schauen,mit so schlaffen, eckigen Bewegungen die blumengeschmückteSchwelle ihres neue» Heimes überschreiten konnte.....Das Paar trat in den Korridor. Vor dem Kontor schienLeonhard zu zögern: das Geräusch im Flur stockte für einenAugenblick. Dann aber gingen sie die Treppe hinauf, ohne sichweiter aufzuhalten. Das Lachen und Plaudern werklang, undnur in meiner Seele tönte noch ein schwacher Laut:Du arme Lotte!(Fortsetzung folgt.)!(Nachdruck verboten.)Die Technik der falTadenmalereuVon allen Techniken der Fassadenmalerei hat sich dieSgraffito malerei am beständigsten erwiesen: doch sie ent»spricht gerade am wenigsten den Vorstellungen, welche sich die Moder--neu vom Reiz der Farbe in der Architektur zu machen pflegen. Siewirkt stumpf und eintönig und ist wenig geeignet, das graue Straßen»bild unserer.modernen Städte zu beleben. Wenn wir von derFassadenmalerci sprechen, so meinen wir im allgemeinen doch einemehrfarbige Malerei, welche sich lebhaft von dem im allgemeinenrecht gleichgültigen Grundton der Fronten abzuheben vermag. Allerdingssoll nicht bestritten werden, daß sich durch Sgraffitotechnik unter Um»ständen monumentale Wirkungen erreichen lassen.Spätere Reste von Frontmalereien in Florenz haben in unsererZeit Veranlassung gegeben, diese alte Technik der Renaissance wiederaufzunehmen. Giorgio Vasari, der ausgezeichnete Baumeister undMaler(geb. 1S11, gest. 1574) hat uns über diese Technik belehrt.Vor allen Dingen müssen die Mauern vollständig trocken sein: derUntergrund besteht aus eineni rauhen Stipp-Putz von gutemhydraulischen Kalkmörtel, für dessen Herstellung grober, scharferSand zu verwenden ist. Gottfried Semper, der sich um die Er-Neuerung dieser Kunst verdient gemacht hat, empfiehlt einen geringenZusatz zerkleinerter Steinkohlenschlacke, um eine größere Rauhheitdes Putzes zu erzielen. Von anderer Seite wird ein Zusatz vonHolzkohlenstaub oder Steinkohlenasche empfohlen. Im Rheinlandwird nach meiner Erfahrung der Grundputz für gewöhnliche Feinputz»arbeiten durch Zusatz zerkleinerter Schlacken gebildet. Dieser Grund»putz soll mehrere Monate der Witterung ausgesetzt bleiben; dannkommt daübcr eine zweite Putzschicht aus geeignetem Kalk und feinemSand, nachdem man dem Mörtel einen Farbstoff, Kobaltgrün,Umbra, Ocker oder dergleichen zugesetzt hat. Endlich wird dieserfrische Putz mit Kalkmilch überstrichen, die man auch nicht selten mitein wenig heller Farbe versetzt. Es soll aber stets nur so vielPutz hergestellt werden, als der Zeichner oder Maler an einem Tagezu vollenden vermag. Die Zeichnung wird nämlich direkt auf denfrischen Putz schablonicrt, woraus mittels spitzer Werkzeuge dieobere Schicht im Sinne der Zeichnung derart fortgekratzt wird, daß