tyerden. damit der Kulturmensch al« höchsten geistigen Besitz denWeltblick erwirbt, der ihn in allen Dingen und Vorgängen die Welt-feite als den wesentlichen Kern erkennen läßt und durch diese Er-kenntnis daS Handeln bestimmt. Der Weltblick findet und weist dieBahn zur neuen gesellschaftlichen und zugleich natürlichen Sittlichkeit,um die wir unseren Kulturkampf kämpfen.Franz Diederich.kleines Feuilleton.c. Eine Todesfahrt mit dem Automobil. Die EmpfindungenS Automobilfahrers, der in einem Wettrennen dahinsaust undplötzlich einen Sturz erleidet, schildert mit großer Anschaulichkeitder amerikanische Fahrer George Arents, der mit seiner Maschine inrasender Fahrt einen schweren Unfall erlitt und für tot vom Platzegetragen wurde, während sein Chauffeur wirklich den Tod erlitt.Das Rennen fand am 8. Oktober statt. Arents kannte jede Kurvedes WegcS. Dazu stand ihm eine vorzügliche Maschine zur Ver-fügung, und er selbst fühlte sich frei von jeder Nervosität. Es warein frostiger Morgen. Der Chauffeur Karl Mensel meldete, daßalles in Ordnung sei. Die Fahrt begann. Sie stürmten die Land-straße hinab, an der die Bäume wie schweigende starre Schild-wachen standen. Immer schneller jagten sie vorwärts, auf das Zielzu, und der Sieg schien ihnen zu winken.„Auf einmal," so erzähltArents,„fühlte ich, wie die Maschine zitterte. Ein scharfer, knirschen-der Ton drang zu meinen Ohren. Wenn man so eingefahren istmit seiner Maschine wie ich, dann sind Wagen und Fahrer nur einePerson, gehören so eng, so innig zusammen, daß jede kleinste Schwan-kung der Maschine sich augenblicklich auch dem Manne bemerkbarmacht: ich verspürte sogleich eine Veränderung des Rhythnrus in denRädern, es war mir wie eine Unruhe im eigenen Blut, ich fühltediese ruhige, unbewegliche, starre und tote Erde, über die wir dahin-fausten, und sie schien sich mir wie ein drohendes Verhängnis gegenuns zu erheben, wie mit Klammern sich an den Wagen zu hängen.Auch Meusel fühlte ein nahendes Unheil: er saß fest am Lenkradswie immer, ein Teil der Maschine selbst. Mir schien unsere Schnellig.keit dieselbe zu sein wie früher: doch das knirschende Geräusch schienzu wachsen, anzuschwellen. Ich kann das, was dann geschah, nicht inder momentanen Plötzlichkeit beschreiben, in der es sich ereignete.Unendlich viel langsamer sind die Worte, aber meine Gedankenfolgten in rasender Hast dem schnellen Sturze. Immer heftigerwurde das Geräusch: und mit dem Schwirren in der Luft mischte sichein Sausen, atemlos sich überstürzend schoß die Maschine vor— da,ein jäher Ruck, ein Stoß, eine Erschütterung des Körpers und ichfühlte, daß mein pfeilschnelles Hinstürmen durch die Luft ging undich nicht mehr die Maschine unter mir hatte. Ich wußte ganz genau,daß ich nun durch den weiten Raum schnellte, und daß die Fahr-straße tief unter mir lag, ein weit aufgetaner grausiger und tieferAbgrund. Es war mir, wie wenn ich einen Kopfsprung von einemsehr hohen Brette herab täte, und ein drehniges, schwindelndes Ge-fühl schlang Dämmerungen und Nebel um mich. Dann hörte ich ausweiter Ferne gedämpft, doch gräßlich hallend einen schrillen Schreidie Stimme eines Menschen in größter Todesangst.„Meusel ist auchhinausgeschleudert," dachte ich. Darauf traf mich etwas wie einschwerer dumpfer Schlag hinten auf den Schädel. Mir war's, alssänke ich in eine weite Finsternis: ein großes Schweigen umfingmich, die Stille einer laugen Nacht.... Plötzlich schoß durch dieseDunkelheit ein dämmeriges graues Licht: ich fand mich in einemkleinen Zimmer: mein Körper schien mir wie versteinert. Ich ver-suchte nachzudenken, doch ich vermochte mich auf nichts zu besinnen,endlich fand ich meine Stimme wieder:„Wo bin ich?" Eine jungeDame beugte sich über mich und küßte mich weinend. Wer war das?Langsam erkannte ich diese lieben Züge und merkte, daß es meineFrau war, und langsam erinnerte ich mich an meine Wettfahrt, dieich unternommen, an den Unglücksfall, an Meusels Todesschrei.Und allmählich erfuhr ich, daß ich im Krankcnhause lag, daß meinSchädel beschädigt, mein Gesicht schwer verletzt war, daß mir einOhr abgerissen und ein Schulterblatt gebrochen worden, daß Meuseltot war...."—Geographisches.en. Ein verschwindender See. Einer der größten undbekanntesten Seen Jnnerafrikas, der T s ch a d- S e e, ist scheinbarin unaufhaltsamem Verschwinden begriffen. Der französische OberstLenfant, der sich um die Erforschung der Landschaften in der Um-gebung dieses noch immer sehr ansehnlichen Wasserbeckens in denletzten Jahren die größten Verdienste erworben hat, legt durch eineSchilderung und eine Kartenzeichnung in der Wochenschrift„Mouve-ment Geographiquo" dar, um wieviel der Tschad-Sec im Lauf derletzten Jahrzehnte kleiner geworden ist. Namentlich aus der Karteist deutlich zu ersehen, daß sowohl im südlichen wie im nördlichenTeil des Sees eine Verlandung in großem Maßstab stattgefundenhat. Der Tschad-See erhält sein Wasser einmal durch den Regen-fall, zweitens durch den Schari und seine Nebenflüsse und endlichdurch zahllose kleinere Wasscrläufe, die während der Regenzeit dasWasser aus angeschwemmten Gebieten der Nachbarschaft ableiten.Danach ist es begreiflich, daß der See seinen Wasserstand schonwährend der verschiedenen Jahreszeiten erheblich verändern muß.Im Januar erreicht er seinen höchsten Stand, wie eS natürlich ist,tveil in den Tropen der Winter sich als Regenzeit äußert. Da dieRegenfälle aber in ihrer Menge recht unregelmäßig sind, verliert derTschad-See dauernd an Wasser, und seine Tiefe beträgt jetzt nurhöchstens noch 4 Meter. Außerdem zehren an ihm gleichzeitig dieSonne, der Wind und der Erdboden, da auch letzterer großeWassermassen verschlingt. Vor einem Jahrzehnt konnten die anseinem Ostufer wohnenden Kuri-Neger mit ihrem Vieh trockenenFußes die Fläche des Sees durchschreiten. Lenfant hält es nachseinen Untersuchungen für wahrscheinlich, daß der Tschad-See schonin seiner nahen Zukunft nichts mehr weiter sein werde als einesumpfige Ebene, auf deren Wassern man auch nicht mehr mit einemkleinen Boot werde fahren können. Auch jetzt ist die Schiffahrt dortschon sehr behindert. Der von den Franzosen für den Verkehr aufdem See erbaute Dampfer konnte in den letzten Jahren währendder Trockenzeit mit voller Ladung schon nicht mehr die Barre über-schreiten, die der Schari-Strom vor seiner Mündung aufgebaut hat,weil dort nur noch zwei Fuß Wasser waren, während selbst in dergünstigsten Jahreszeit nur noch zwei Schiffe mit einem Tiefgangvon 1,20 Metern dort zu passieren vermögen. Früher hat man ge-glaubt, daß der Tschad-See sich in demselben Verhältnis nach Westenausdehnt, wie er im Osten an Boden verliert. Diese Ansicht hatLenfant zunichte gemacht, indem er nachweist, daß der See von allenSeiten mehr und mehr eingeengt wird. Nur an einer einzigenStelle scheint die Uferlinie noch beständig zu sein, und nur hier kannman landen, ohne genötigt zu sein, noch 2<>— 25 Kilometer weit durchSchlamin und Sumpfgras zu waten, ehe man wirklich festen Bodenerreicht. Selbstverständlich haben diese natürlichen Veränderungenauch auf die Besiedelungcn der Ufer einen großen Einfluß aus-geübt. Das von Barth und Overwcg erforschte Dorf N'gigmi istüberhaupt verschwunden, und der Platz, wo es früher stand, liegtjetzt 25 Kilometer vom See entfernt. Die früheren Bewohner dieserOrtschaft haben sich dann eine andere Stadt gebaut, die der Afrika-reisende Foureau 1899 am Ufer des Sees entdeckte. Jetzt liegt auchdieses junge Negerdorf bereits wieder 5 Kilometer von der Küste ab.Ebenso ist es allen anderen Ortschaften ergangen, die noch vor ver-hältnismäßig kurzer Zeit unmittelbar am Gestade des Sees lagen.Sogar in der Mitte des Wasserbeckens finden sich weite Flächen,auf denen das Auge kaum noch Wasser, sondern nur Sumpfgewächsewahrnimmt. Je flacher der See wird, desto schneller verdunstetnatürlich das Wasser, so daß die Kräfte, die am Verschwinden desSees arbeiten, mit der Zeit immer wirksamer werden. Es wirdfür' die Geographen von großem Wert sein, das weitere Schicksal desmächtigen Seebeckens, dessen Fläche in den Lehrbüchern noch auf27 099 Quadratkilometer im Durchschnitt und 50 000 Quadratkilo-meter nach der Regenzeit angegeben wird, zu beobachten. Allerdingssollt« man meinen, daß ein vollständiges Verschwinden nicht ein-treten könnte, weil die zahlreichen Gewässer der Umgebung auch späterimmer noch einen Sammelplatz wenigstens nach der Regenzeitbrauchen würden.—Humoristisches.— Milder nderUm st and. Ida:„Was, Emmy. mit demdu m m e n Menschen läßt Du Dich ein— der hat ja ein Brettvor'm Kopf!"Emmy:„Ja, aber ein Zahlbrettl"—— Nach der Jubiläumsfeier. A.:„WaZ, einen großartigen Toast habe ich gestern ausgebracht I"B.:„Kein Wort hast Du gesagt!"A.(nachdenklich):„Hm, soll ich denn da schon auf dem Polizei-b u r e a u gewesen sein?"—(„Luftige Blätter".)Notizen.— Im Schweizer Natioualrat wurde der Vorschlag gemacht, inder Schweiz eine„S ch i l l e r- S t i f t u n g" ins Leben zu rufen.Junge, vielversprechende Talente sollen durch Stipendien gefördert,verdiente alte und invalide Dichter unterstützt werden.—— Zum Bewiebe, der in der Fricdrichstraße, Ecke des Weiden-dammes zu errichtenden ,. K o m i s ch e n O p e r" hat sich eine Ge-sellschast gebildet. Künstlerischer Leiter wird Direktor Gregor.Man hofft, das Theater Mitte Oktober 1905 eröffnen zu können.——„Rübezahl", eine abendfüllende Oper von HansSommer, geht als nächste Neuheit im Opern hause EndeJanuar in Szene.—— In Nürnberg hat man die Gründung einer Gesellschaftfür fränkische Geschichte beschlossen. Die neue.Vereinigungsoll systematischer als es bisher geschehen konnte, für Veröffent-lichung von Quellen der fränkischen Geschichte— der politischen,der Vcrfassuugs- und Wirtschaftsgeschichte— Sorge tragen undzu Forschungen und Darstellungen auf diesem Gebiete anregen.—Ir. Auf den letzten K u n st a u k t i o n e n in London hat sich einauffälliger Rückgang für moderne Bilder bemerkbar gemacht.Dagegen find Bilder alter Meister, besonders Bilder der italienischenSchulen, bedeutend im Preise gestiegen.—— Eine prächtige römische Tempelanlage lvurde beiP o I a in Jstrien freigelegt. Der Tempel ist halbkreisförmig an-gelegt und hatte im Mittelpunkt ein großes Standbild. Münzendes Claudius, die mau im Schutt fand, weisen auf die frühe Kaiserzeit hin.—(Cerantwortl. Redakteur: Paul Büttner, Berlin.— Druck und Verlag:Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer LcCo., Berlin L�V.