Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 3.

3]

Januar.ht

Mittwoch, den 4. Januar.

( Nachdrud verboten.)

Der Baumeister.

Roman von Felix Holländer . Drittes Kapitel.

Kepler machte Licht. Aus dem Nebenzimmer hörte man ein regelmäßiges Geräusch. Herr Freitag ging mit großen Schritten auf und nieder.

Keßler horchte. Was trieb der Kleine nur? Was hatte es mit seinem seltsamen Gebaren für eine Bewandtnis?... War er wirr im Kopfe? War er ein Sonderling? Oder was hatte es sonst mit ihm auf sich? Und wovon existierte er? Er lebte als färglicher Chambregarnist und hielt sich ein Reit­pferd und Stallung! Darin lag doch ein grotesker Wider­spruch.

Ein Gedanke schoß ihm auf einmal durch den Kopf. Am Ende war Freitag der Kapitalist, den er mit der Laterne suchte! Er reckte sich in die Höhe, und in einem mutigen Ent­schluß flopfte er an die Nebentür. Aber er bekam keine

Antwort.

Hören Sie einmal, Herr Freitag, ich wollte mir nur erlauben, Sie zu einem Glas Kognak einzuladen!" Wieder feine Antwort.

-

" Ihr Besuch würde mir eine große Ehre sein wie ge­sagt zu einem Gläschen Hennessy Fine Champagne ertrafein!"

Von drinnen kein Laut, aber das gleichmäßige Auf- und Niedergehen hatte aufgehört.

Mein Herr, ich habe Ihnen außerdem etwas Wichtiges mitzuteilen," fuhr Keßler unentwegt fort. Es handelt sich um eine Sache von einschneidender Bedeutung!" Er wartete eine Minute.

,, Gut, so kommen Sie zu mir herüber!" klang es kurz zurück.

Aha!" machte Keßler, und sein Gesicht hatte einen merf­würdigen Ausdruck der Genugtuung. sch komme!" ant­wortete er rasch; und wieder stand er auf dem Hausflur und flopfte bei seinem Zimmernachbar an.

Dieser öffnete vorsichtig eine Rize der Tür.

So kann ich aber doch nicht hinein!" sagte Reßler lachend. Der alte Herr öffnete, und Keßler betrat einen gewöhn lich ausstaffierten Raum, in dessen Mitte ein großer, mit auf­geschlagenen Büchern und Papieren angefüllter Tisch stand. Herr Freitag aber befand sich in einem merkwürdigen Aufzug. Er trug einen blauseidenen, verschossenen Schlafrock und auf dem Kopfe einen roten Fes. Er kam Keßler wie eine Operettenfigur vor.

Was wünschen Sie eigentlich?" fragte er grob. Kepler schwieg. Er wußte ja selbst nicht, was er von dem Manne wollte.

richters.

Freitag fixierte ihn mit der Miene eines Untersuchungs­Etwas äußerst Wichtiges haben Sie mir doch mit zuteilen wie? So sagten Sie doch!" Gewiß gewiß! Etwas äußerst Wichtiges!" ent­gegnete Keßler, indem er sich aus seiner Verwirrung auf­raffte.

-

"

Also heraus damit!... Heraus damit, sage ich! Reßler suchte krampfhaft nach einem Vorwand. Ah! Jetzt hatte er ihn! " Ich wollte Ihnen nur dringend raten," begann er Langsam, Silbe für Silbe betonend, diese nächtlichen Spazier­ritte aufzugeben. Sie sollten überhaupt diese Gegend ver­Lassen!" segte er hastig hinzu.

Er machte eine kleine Pause und beobachtete, daß seine Worte auf den alten Herrn einen merkwürdigen Eindruck ge­macht hatten, denn er glotte ihn mit leeren, großen Augen an. Wie meinen Sie denn das?- Haben Sie Verdachts­gründe?"

1905

Ja, ja, das muß man!" antwortete der Kleine, und in­dem er die Arme auf dem Rücken verschränkte, schritt er mehrere­mal nervös durch das Zimmer. Dabei hatte er die Angewohn­heit, mitten auf seinem Wege sich plötzlich umzudrehen und Seßler zu firieren, als wollte er ihn auf irgend etwas ertappen. Keßler stand in lässiger Haltung da. Er tat, als ob er nichts in diesem Zimmer wahrnähme, als ob ihn der Mann und seine Umgebung nicht im mindesten interessierten.

Was haben Sie denn davon, sich einen Schimmel zu halten und durch die Nacht zu jagen? Das fordert doch die Leute gewissermaßen heraus, abgesehen davon, daß es ein Seidengeld kostet!"

Herr Freitag richtete sich auf. Er nahm eine soldateske Haltung an.

"

Mein Herr meister a. D. bitten darf."

-

ich bin Rittmeister! Ritt­Uebrigens nehmen Sie Play, wenn ich

" Ja, wo denn?" fragte Keßler lachend, denn das Sofa und die beiden Stühle waren ebenso wie der Tisch vollkommen mit Büchern bepackt.

Herr Freitag stülpte ohne weiteres einen Stuhl um, so daß die Folianten krachend zur Erde fielen, und mit einer Be­wegung, als ob das selbstverständlich wäre, forderte er seinen Gast von neuem zum Sitzen auf, und nach einer Weile sagte er zaudernd, indem er den Zeigefinger an seine Nase legte: ,, Es wäre immerhin denkbar- Sie müssen wissen, ich habe sehr viele Feinde Leute, denen mein plößlicher Tod äußerst willkommen wäre!"

Dabei legte sich sein Gesicht in unzählige Falten. Man sah es ihm deutlich an, daß er sich über irgend etwas den Kopf zerbrach, ohne zur Klarbeit zu gelangen.

Mitten aus seinem Nachdenken wachte er unvermutet auf. Haben Sie gedient?" fragte er kurz und mit der Stimme eines Kommandeurs.

Zu Befehl, Herr Rittmeister!" Befördert?"

"

Leutnant der Reserve!"

Bei welchem Regiment?"

Kepler gab feine Antwort, und Herr Freitag schien auch feine zu erwarten. Er war an seinen Sekretär getreten, griff hastig nach einem Schriftstück und schloß es ein alles mit einer Geschwindigkeit, als fürchte er, Seßler könnte sich über­zeugen, was es mit diesem Schriftstück auf sich habe.

"

Sie meinen, ich sollte hier ausziehen?" nahm er den abgerissenen Faden wieder auf.

adas ist meine Ueberzeugung. Sie setzen sich un­nüßen Gefahren aus."

Sache denn doch nicht. ,, Hm," machte Herr Freitag, so gefährlich scheint mir die einen Sechsläufer bei mir. Bitte, überzeugen Sie sich ge­Sache denn doch nicht. Sie müssen wissen, ich trage immer fälligst."

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-

Ich

Er wies auf den Revolver, der mitten auf den Büchern lag. " Ich hätte ja die Kanaillen da unten einfach niederknallen fönnen," sagte er verächtlich. Cela ne vaut pas la peine!" fügte er hinzu, während er seine Mundwinkel herabzog. Außerdem ich will nicht in Konflikte kommen habe noch eine Mission Lassen wir das das interessiert nur mich.-Wollen Sie übrigens mein Patent als Rittmeister Mir scheint, Sie trauen fehen? Ich bin Rittmeister a. D. meinen Worten nicht!" Er ging wieder an seinen Sekretär und holte aus einem anderen Fach ein großes Schriftstück hervor.

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Aus dem breiten Leinwandkuvert blickte Keßler ein ganzes Paket von braunen Scheinen entgegen. Sein Wirt legte plöglich beide Hände fest auf das Paket und sah ihn erschreckt und hinterlistig zugleich an.

Keßler wurde einen Moment bang zumute. Dieser närrische Rauz brauchte ja bloß Ernst zu machen und in seinem verrückten Zustand nach dem Revolver zu greifen.

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Er gab sich den Anschein, als ob ihn diese Unterhaltung durchaus langweilte. Der Rittmeister a. D. lächelte leise. Da ohne ein Seßler nahm eine äußerst wichtige Miene an. Wort der Erklärung schloß er das Kuvert wieder ein. Ala ,, Es gibt hier Leute, denen ich nicht traue," sagte er leise. er sich ihm wieder zukehrte, sagte Seßler: Man muß auf seiner Hut sein," fezte er hinzu. ,, Gestatten Sie, daß ich mich Ihnen vorstelle."

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