1 Genossenschaftliche Werkstätten bestehen gegenwärtig für die Zigarrcnarbeiter, die Schuhmacher und die Metallarbeiter, aber in anderen Stadtteilen. Das VereinShaus enthält einen ge- räumigen Saal für Versammlungen im Hintertrakt. Im Parterre befindet sich ein großes, schönes und sauber gehaltenes Cafe mit sehr billigen Preisen. Ein materieller Profit wird nicht angestrebt, da man den Genter sozialistischen Arbeitern statt der schmierigen Kneipen«inen anheimelnden Zusammenkunftsort bieten will, und diese Absicht ist auch schon in erfreulicher Weise erreicht worden. Die Front des oberen, sehr hohen Stockwerkes wird durch ein Riesen- fenster eingenommen, das dem durch seine praktische Einrichtung sehenswerten Bibliothekssaal, um den manche kleinere Universität denVooruit" beneiden könnte, Licht spendet. In den hohen Schränken stehen etwa achttausend Bücher. Die endgültige dekorative Ausschmückung des Hauses ist noch der Zukunft vor- behalten. Außer dem Hause am Freitagsmarkt haben die Genter Arbeiter noch ein anderes Versammlungshaus, das sogenannteFeestlokaal", einen Saal mit anstoßendem großen freien Platz. Hier saß früher der wohlhabendste Bourgcoisverein der Stadt. Als ihm das Lokal zu teuer wurde, erwarben es die Arbeiter, allerdings vermittels einer Ueberrumpelung. Die unmittelbare Folge war, daß in den ganzen, damals sehrvornehmen" Straßen die Mietzinse um die Hälfte fielen, weil den Bewohnern das neue Publikum, das nun- mehr an den Sonntagen die Konzerte dort besuchte,zu ordinär" war und weil der Anblick der Proletarier, die an Versammlungs- tagen durch die Straßen marschierten, die Zuschauer hinter den Vorhängen beunruhigte. Die weiteren Anstalten desVooruit" er besitzt sieben Spezcreigeschäfte und vier Apotheken und hat in einem seiner fünf Häuser eine Turnhalle bieten im einzelnen nichts Interessantes. Ich folge meinem Führer noch in die freilich nicht der Genossen- schaft gehörige Parteidruckerei, deren Arbeitssaal einen geradezu koketten Eindruck macht. Hier befindet sich auch die Redaktion des Genter TageblattesVooruit", im Gassenladen die Buchhandlung. In der Druckerei sehe ich auch große Stöße mit Broschüren der literarischen ParteiunternehmungG e r m i n a l" mit deren Organisation mich Anseele bekannt macht. Für 1 Frank Jahres- beitrag erhält man alle vomGerminal" herausgegebenen Bro- schüren. Da alle vierzehn Tage ein neues Heft erscheint, ist der Preis der oft vier Bogen starken Schriften fast unbegreiflich niedrig. «» * Es ist nicht wunderlich, daß in mir beim bewundernden Be- trachten aller dieser Dinge der Wunsch rege geworden war, auch die Menschen näher kennen zu lernen, deren zähe, zukunftsgläubige Solidarität sie geschaffen hat. Der Zufall fügte eS, daß am selben Abend im Saale   am Freitagsmarkt eine Versammlung stattfand, von der ich vor Abgang meines Zuges noch einen Teil mitmachen konnte. Es war eine gewerkschaftliche Versammlung der Textil- arbeiter und es ging um eine wichtige materielle Frage, die durch einen dreisten Vorstoß des Unternehmertums lebendig geworden war. Also ein Gegenstand, bei dem bei uns zulande das Tem- perament der Zuhörer stürmisch zutage gebracht würde. Ich war daher in hohem Grade überrascht, daß die einleitende einstündige Rede eines Gewerkschaftsleiters mit fast andächtiger Ruhe angehört wurde. Kein Zuruf, kein Applaus nach kräftigeren Stellen. Frauen und Männer diese zumeist mit der hier bei den Arbeitern üblichen Kappe auf dem Kopfe   saßen stumm da. Daß aber nicht Teilnahm- losigkeit die Ursache davon war, sah man an den gespannten Äe- sichtcrn und hörte man schon lange vor dem Beifall am Schlüsse an dem nachdrücklichen Zischen, das Zuspätkommende zur Ruhe mahnte. Ich merkte, daß ich hier ein Volk vor mir hatte, bei dem die Gemüts- bewegungen einen sparsameren Ausdruck finden als bei uns. Welche Menge Energie mag bei uns in flüchtigen Aufwallungen verpuffen, die bei ihm ins Innere, in das Becken abfließt, das den Willen speist I Eine starke, gehärtete Rasse sehen wir dort dem Rufe der Geschichte folgen. Die Lebenskraft größerer Ahnen blüht in späten Enkeln wieder herrlich auf. Die flandrischen Proletarier, die im 14. Jahrhundert die tapferen Vorkämpfer der städtischen Demokratie Westeuropas   waren, werben mit edlem Ehrgeiz um den Ruhm, die Lehrmeister der modernen Sozialdemokratie in geduldiger, von der Gewißheit des Ideals beflügelter Tagesarbeit zu sein. _ Otto Pohl.  kleines feiriUeron. Was die Stadt Egcr für Wallenstein   zahlen mußte. In den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen  veröffentlicht der Egerer Archivar Dr. Karl Siegl einen Artikel, in welchem wir mit den Ausgaben der Stadt Eger   anläßlich des jedesmaligen Aufenthaltes Wallensteins daselbst bekamit gemacht werden. Die Angaben find den Ausgabsbüchern des Egerer Stadt- archivs entnommen. Albrecht v. Wallenstein   erschien 1626, nach- dem er das erste Generalat erhalten hatte, zum erstenmal in Eger  , wo er damals im Hause deS Bürgermeisters Pachelbel   abstieg, um aber bald nach dem nahe gelegenen Gute Lehenstein zu übersiedeln. Eger   war damals sein Werbeplatz. Die Stadt sorgte nicht nur für seine Bewirtung auf dem Gute Lehenstein, sie bestritt auch für seine weitverzweigte Korrespondenz sämtliche Botenlöhne, die einzeln genau verrechnet i erscheinen und in Summe aus 648 fl. 68'/z kr. sich Beliefen, klnte» den Städten, an welche Briefboten, von denen ein ganzes Heer auf den Beinen war. abgefertigt worden sind, finden wir unter anderen Prag  , Pilsen  , Plan, Tachau  , Ansbach  . Bayreuth  , Kulmbach  , Sulz» bach, Bamberg  , Wiirzburg, Koburg  , Fulda  , Schweinfurr, Nürnberg  und Konstanz   erwähnt. Groß waren auch die Auslagen der Stadt für Wallensteins und seiner Offiziere Bewirtung. Für Wein allein werden 1363 fl. 46 kr. 4 Pf. verrechnet, für Gewürze, welche zum Teil von Achazius Illing aus Nürnberg  , zum Teil von dem Egerer Apotheker Christoph Brufch bezogen worden sind, 367 fl. 46 kr. Im ganzen kostete dieser erste vom 31. Juli bis 3. September 1626 dauernde Aufenthalt Wallensteins der ohnehin schon durch Kriegs- kontribution erschöpften Stadt 11 626 fl. 11 kr. Vor seinem zweiren Aufenthalte in Eger  , der in das Jahr 1630 fällt, weilte Wallenstein  drei Wochen in Karlsbad  . Auch dahin lieferte die Stadt Eger   für ihn und seinen Stab eine Menge von Nahrungsmitteln, darunter 16 Ochsen, 46 Kälber, 160 Schöpse, 90 Lämmer, 60 Kapaune, 300 Hühner, 30 Jndiane, 30 Fasane, 276 Hechte, 90 große und 5 Schock Mittelkarpfen, 240 Pfund Stockfisch, 1 Tonne Heringe, 1 Tonne gesalzenen Lachs und eine Menge anderer Artikel. Auch der dritte und vierte Aufenthalt Wallensteins in Eger   verursachte der Stadt erhebliche Kosten. Am 24. Februar 1634 hält Wallenstein   als gefallene Größe, schwer krank, seinen fünften und letzten Einzug in Eger  . Vor seiner Wohnung, dem jetzigen Stadthause, hatten vier Stadtschützen Wache zu halten und insbesondere dafür zu sorgen. daßkein gedöß, klopfen auch bellen der Hund" entstände, wofür sie 30 kr.Trinkgeld" erhielten. Am 26. Februar sollten die Anhänger Wallensteins: die Grafen KinSky und Tertzky, Feldmarschall Jllo und Rittmeister Neumann, ermordet werden. Zu diesem Zwecke gab der Egerer Stadttommandant Gordon das bekannte Gastmahl auf der Burg. Tags vorher werden von der Stadt noch Hechte und Schnecken, Wein und Bier für Gordon verrechnet. Beim Schmause von Hechten und Schnecken scheint also die Ermordung jener Getreuen in Szene gesetzt worden zu sein. Bei dieser Ermordung scheint es nun recht turbulent hergegangen zu sein, denn bald danach werden einem Glaserfür gemachte arbeitt vff der Burck in der Stuben, do die Exekution gescheen, für sieben Fenster in die Stuben, vff den boten vnd Ställen von 4l/z Schock Scheuben 7 fl. 26 kr." gezahlt. k. Die Schrecken der Belagerung. Die Nachrichten von der Kapitulation Port Arthurs verleiht einen« Briefe des Korrespondenten derDaily Mail", B. W.   Norregard, der die Belagerung bei der Armee Nogis mittnachte, ein besonderes Interesse. Der Brief ist vom 30. Oktober dattert und schildert anschaulich die Schwierigkeiten und die Schrecken einer modernen Belagerung. Zunächst stellt der Verfasser dar, wie die Japaner nach dem Scheiten, ihres großen allgemeinen Angriffes mit größter Vorficht vordrangen. Kein Schritt Boden durfte genommen werden, ohne daß ein Erdwall oder Sandsäcke vorgeschoben, wurden. Kasematten mutzten auf dem Wege gebaut werden, in denen die Mannschaften nach ihrer Ablösung ruhen und nachts schlafen konnten. Meilenlange Sappen mußten gegraben werden, bald durch weichen Alluvial» boden, bald durch Schieferfelsen, dann wieder durch Gestein, das ein Gemisch von Kalkstein, Kiesel und Quarz und so hart war, daß eS ausgemeißelt werden mutzte. Dabei durften die Sappen natürlich nicht gradlinig gegen die Forts vorrücken, sondern in Zickzacklinien, und da auch von rechts und links her Forts drohten, mußten die Sappen in mehr Windungen angelegt werden als gewöhnlich. Alle Ausfälle der Russen wurden nachts unternommen, so daß sie die Unterstützung der Scheinwerfer hatten. Sie griffen zum Beispiel jede Nacht die eingenommenen Panlungforts an und wurden jede Nacht zurückgeschlagen. Die Japaner Befestigten die Plätze sofort gegen russische Angriffe: neue Laufgräben und neue Feldschanzen wurden angelegt; einige alte Kasematten konnten noch gebraucht werden lind neue wurden gebaut, so daß die Garnilon von Tag zu Tag verstärkt werden konnte. In den ersten paar Wochen betrugen die japanischen Verlnste durch» schnittlich hundert Mann an einem Tage. Wen» die Japaner ihre Sappen etwas von ihrer Basis entfern, vorgeschoben halten, be» gannen die Russen in fever Nacht ihre Angriffe auf die arbeitenden Mannschaften. Eine kleine Schar Soldaten schlichen sich unter dem Schutze der Dunkelheit näher, stürzte ans sie los, tötete sie mit Kugeln, Bajonetten oder Dynamitbombcn, zerstörte in wenigen Minuten bielleicht die mühsame Arbeit eines ganzen Tages und zog sich dann eitlgst zurück. Zu den schlimmsten Hülfömitteln der Russen gehörten die Drahtverhaue, Die einfachen oder doppelten Reihen dieser Verhaue waren die stärkste passive Verteidigung der Forts. Di« Japaner schnitten sie mit Scheeren durch, zerrissen sie in ihrer Wut auch mit Händen und Zähnen, zerschnitten die Pfähle, an denen die Drähte befestigt waren, oder befestigten Seile daran und zogen sie von den Gräben aus nieder. Dann nahinen sie noch lange, mtt Pulver gefüllte Bambusstäbe, zündeten sie an und verbrannten die Drahtverhaue. Diese Bambusstäbe brauchten sie auch bei Augriffen auf Kasematten; wenn der schwarze Dampf die Verteidiger fast ersttckte und blendete, unten, ahmen sie ihren Erdangriff. Als letztes verzweifeltes Mittel hatten die Japaner große eiserne Schilde im Gewicht von 40 Pfund; durch diese ge» schützt, zerschnitten sie am Tage im Angesicht der Feinde die Verhaue. Die feindlichen Kugeln drangen nicht durch die Schilde, warfen aber die damit Bewaffneten nieder. Trotzden, standen die Leute immer wieder auf und gelangten an die Drahtverhaue. Eine äußerst wirksame Verteidigung fanden die Russen auch in ihren