Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 4.
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Donnerstag, den 5. Januar.
( Nachdruck verboten.)
Der Baumeister.
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Roman von Felix Holländer . ,, Gestatten Sie, daß ich mich überzeuge" erwiderte Reßler leichthin; und mit einer gleichgültigen Bewegung zog er seine Brieftasche hervor.
Es müssen in der Tat ein paar
" Ja das stimmt Scheine herausgefallen sein!" " Hier sind sie!" sagte Herr Freitag und reichte ihm die drei Hundertmarkscheine.
" Ich danke Ihnen," antwortete Keßler, und," fügte er hinzu, notabene hätte das ja auch bis morgen Zeit gehabt!" Und lächelnd zerknitterte er die Scheine, als wollte er aus ihnen einen Fidibus drehen.
Herr Freitag starrte ihn wie eine Erscheinung an. " Ist Ihnen Geld so gleichgültig?" fragte er beinahe entsetzt.
Vollkommen!" entgegnete Reßler. Nun aber muß ich Sie wirklich verlassen ich bin todmüde!"
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" Ja, ja, ja!" stammelte Herr Freitag und öffnete ihm die Tür.
Als Keßler in seinem Bette lag und rings um ihn die tiefste Dunkelheit herrschte, ging etwas sehr Seltsames in ihm vor. Geheimnisvolle Vorstellungen, Gedanken und Pläne, die er nicht zu Ende zu denken, geschweige denn auszusprechen wagte, freuzten sich in ihm. Aber als er die Augen schloß, wußte er, daß er eine niederträchtige Komödie gespielt hatte, die vollkommen geglückt war. Dieser alte Herr würde von nun an auf seinen Reichtum schwörendas stand für ihn fest. Und mit dieser Idee, die für ihn etwas ungemein Lockendes und die Zukunft Weisendes hatte, schlief er endlich ein..
Fünftes Kapitel.
Am nächsten Tage stand Keßlers Entschluß fest. Er mußte handeln, wenn ihm nicht andere zuvorkommen sollten. Vor ihm auf dem Tisch lagen seine Baupläne ausgebreitet. Er betrachtete sie mit bitteren, prüfenden Blicken. Ein ohnmächtiges Gefühl des Zornes über die Gebundenheit seiner Kräfte fam über ihn. Er wußte, daß sein Leben verpfuscht war, wenn diese Pläne auf die Zeichnung beschränkt blieben. Aber wie sollte er es anstellen?... Er hatte keine Verbindungen, keine Beziehungen zu den Großkaufleuten, die allein imstande wären, ein solches Riesenunternehmen zu finanzieren Dennoch war es ihm klar, daß er handeln, daß er auf irgend eine Weise die Dinge in Bewegung bringen müßte.
Er bürstete sorgsam seinen Mantel ab und glättete den Bylinder. Dann verließ er sein Zimmer.
An der Tür des Herrn Freitag blieb er einen Augenblick stehen und zauderte, ob er nicht im Sprunge zu ihm hineingehen sollte. Er stand indessen davon ab und eilte die Treppe hinunter.
Im nächsten Zigarrenladen füllte er sein Etui mit Biga
retten und ließ sich den Adreßkalender geben, in dem er die Adressen der Fuhrgeschäfte nachsah. Aha! Da war eins in der Mauerstraße! Er ging sofort dorthin und mietete zunächst auf eine Woche einen eleganten Wagen. Er ließ gleich anspannen und befahl dem Kutscher, nach der Knesebeckstraße Nummer 21 zu fahren.
Als er im Wagen saß, zog er einen kleinen Taschenspiegel hervor und betrachtete sich aufmerksam. Er wollte ſehen, wie jemand aussah, der so ungestüm wie er auf sein Glück losfuhr.
Dann überlegte er, wie er die Verhandlung beginnen sollte, wie er sich benehmen mußte, um nicht ausgelacht zu werden. Mit dreihundert Mark in der Tasche wollte er einen Millionenbau beginnen und ein Grundstück erwerben, das Hunderttausende kostete...
Jetzt fuhr er gerade an dem Terrain vorbei. Er betrachtete es mit gierigen Augen. Dann zog er ein paar nagel neue Glaceehandschuhe an und war nun nur noch wenige Minuten von seinem Ziel entfernt.
So der Wagen hielt.
1905
Er sprang leichtfüßig hinaus und rief dem Kutscher zu: ,, Sie warten hier vor der Tür, bis ich wiederkomme!" Das Grundstück am Nollendorfplatz gehörte einem Konsortium, das Herr Kleefeld vertrat.
Keßler Klingelte und gab seine Karte ab. Einen Moment mußte er im Korridor warten, dann kam das Mädchen zurück und forderte ihn auf, näherzutreten.
Er legte den Mantel ab und stand kurz darauf in tadellos sitzendem schwarzen Gehrock, den Zylinder in der Linken, die neuen Glacees prall an den Händen, einem untersetten Herrn mit kurzgeschorenen grauen Haaren, einem glattrasierten Gesicht und tiefliegenden, beständig zwinkernden Augen gegen. über.
,, Mein Name ist Baumeister Keßler. Ich komme in Sachen des Grundstückes am Nollendorfplatz," sagte er, sich leicht verbeugend.
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,, Bitte sehr wollen Sie nicht Plaz nehmen?" Keßler sette sich, und mit einer fühlen Ruhe und Sicherheit, über die er sich, während er sprach, selbst wunderte, fagte er:
" Ich weiß nicht, ob ich Ihnen dem Namen nach bekannt bin Das tut ja auch nichts zur Sache," fügte er hinzu. " Ich habe also die Absicht, dieses Grundstück zu erwerben, um auf ihm ein großes Theater zu erbauen. Ich bin hierher gefommen, um mich bei Ihnen nach den näheren Bedingungen zu erkundigen."
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Herr Kleefeld zog ein buntseidenes Taschentuch hervor und begann seinen Kneifer sorgfältig zu puzen. Hm," entgegnete er langsam, sind Sie denn selbst Kapitalist? Verzeihen Sie die indiskrete Frage, aber bei einer so wichtigen Sache muß man doch klar sehen!" feinen Anstand, Ihre Frage zu beantworten. Also hinter mir Ich bin vollkommen Ihrer Meinung und nehme gar steht eine Gesellschaft, die das nötige Kapital aufbringen würde."
,, Darf ich wissen, wer dieser Gesellschaft angehört?" " Bedauere sehr," entgegnete Reßler, die Herren wünschen nicht eher hervorzutreten, bevor nicht die einleitenden Schritte zur Erwerbung des Bauplatzes getan find."
,, Na, wie denken Sie sich denn das?"
fichtig, ob überhaupt die Kaufsumme den Kapitalisten, die ,, Es kommt ganz darauf an," entgegnete Reßler vorhinter mir stehen, akzeptabel ist. Einer dieser Herren wohnt in Dresden . Er kommt in vierzehn Tagen nach Berlin , und dann soll die Angelegenheit in einer Konferenz zur Entscheidung gebracht werden."
,, Nun," sagte Herr Kleefeld, über die Kaufsumme würde man sich schon einigen. Das Terrain ist heute für einen Spottpreis zu haben. Die Quadratrute kostet vierhundert Mart. Wer das Terrain kauft, kann Millionen an ihm verdienen!" Keßler lächelte leise.
,, Bitte, das ist mein vollkommener Ernst!"
„ Das ist ja möglich," erwiderte Keßler, aber immerhin noch Zukunftsmusik. Im übrigen ich will über den Kaufbreis im Augenblick kein Wort verlieren. Darüber würde ja zuletzt noch zu sprechen sein. Ich schätze das Terrain auf zwvcitausend Ruten."
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,, Sie haben richtig geschäßt es sind zweitausenddreihundertundfünfzig Ruten."
" Ich erlaube mir nun die Frage, ob das Konsortium bereit wäre, mir das Grundstück auf sechs Wochen in die Hand zu geben zu einem Pauschalpreis von achthundertunddreißigtausend Mart?"
Herr Kleefeld schüttelte den Kopf.
„ Das ist unmöglich," antwortete er, erstens kenne ich Sie nicht, und zweitens kann sich doch bei einem so großen Objekt das Konsortium nicht auf so lange Zeit binden! Was geschieht, wenn Sie nach sechs Wochen zu uns kommen und unsere Offerte mit bestem Dank ablehnen?- Vielleicht hätten wir in der Zwischenzeit verkaufen können! Nein" sagte er, ,, darauf können wir uns nicht einlassen! Es ist ja auch ganz überflüssig," setzte er hinzu. Wenn Ihre Teilnehmer sich bereit erklären, kommen Sie wieder zu mir, und das Geschäft wird gemacht."
,, Das ist ausgeschlossen!" erwiderte Keßler. Ich muß etwas Festes in den Händen haben, da ich sonst mit meinen