hörten Konzerten d'e Sache genau zu erklären und namentlich aufdie Art und Weise einzugehen, in welcher er sich an den Instrumenten-bau von Professor Hermann Ritter anschließt, und in welcher Weiseer darüber hinausgeht. Natürlich können wir uns hier nicht auf dietechnischen und historischen Einzelheiten einlassen und quittierenauch das Spiel der vier jungen Herren, welche zur Vorführung vonBeispielen gekommen waren, nnt dem, was da an Anerkennungmöglich war. Jni ganzen haben wir es also mit einem Klangcharakterzu tun, der beträchtlich dunkler ist, als der bisher gewahnte, undnamentlich mit einer unstreitigen Erweiterung des bisherigen In-strumentalbestandes: mit der Tenorgeige, die für die Bratsche ein-treten soll und nur um vier Töne tiefer ist als sie. Felix Wein-gartner, der sich für diese Dinge ganz besonders interessiert, will sieauch im Orchester ausprobieren. Spielt man die bisherige Quartett-literatur mit den neuen Instrumenten, so bleiben allerdings einigeRegionen von diesen unbenutzt; aber nun heißt es eben: Komponistenheraus und neu komponiert!Der„Berliner Tonkünstlerverein" hat durch seine Gastfreund-schaft gegen dieses neue Unternehmen wiederum seine große Be-deutung erwiesen. Es gibt nicht bald eine Stätte, auf der so ohneVorurteil und ohne Parteirichtung das neue Produktive zum Wortegeführt wird. Sein letzter JahreÄiericht, der uns vorliegt, weist aufeine 60jährige Tätigkeit und auf ganz besonders günstige Aufschwüngenr der letzten Zeit hin, die sogar zu einer Pensionsanstalt für deutscheTonkünstler helfen werden. Im übrigen würde dabei noch sovielInteressantes zu sagen sein, daß wir lieber schließen, als uns dieMühe einer unsicheren Auswahl zu geben. Vielleicht wird es demVereine auch möglich werden, an einem der bedeutsamsten Pläneunserer Zeit mitzuarbeiten: an dem Plane zur Schaffung einerdeutschen Reichs-Mnsikbibliothek, der nun immer greifbarer wird.—sz.Kleines feuilleton.kl Im Patientcnziimner einer Berufsgenossenschaft. ES ist neunUhr morgens. Das Wartezimmer ist heute ausnahmsweise gefüllt.Alles Opfer, die auf dem Schlachtfelde der Arbeit zu Schaden ge-kommen sind. Fast alle Bauberufe find vertreten. Ungeduldigwartet alles auf Einlaß. Endlich öffnet sich die Tür, und mit einemsonoren.Guten Morgen, meine Herren 1" tritt der HeilgehülfeBrunnert ein.„Wer heute zum erstenmal hier ist, bitte, hervortreten....Sie haben doch die Vorladung mitgebracht?"„Jawohl I"Er prüft die Papiere.„Bitte, kommen Sie zum Doktor." Zuden anderen gewandt:„Sie können auch eintreten."Die Kontrollmarken werden abgegeben, und nun wollt sich jederauf seinen Platz, jeder sucht sich nützlich zu machen. Da werden dieverschiedenen Sorten Binden gelöst und auf der Wickelmaschinefein säuberlich gerollt, um nachher wieder Verwendung zu finden.DaS Zimmer ist mit orthopädischen Instrumenten angefüllt, undso mancher Seufzer wird von denen ausgestoßen, die zum erstenmalden Raum betteten.Langsam beginnt die Unterhaltung; den meisten Stoff liefertdie Krankhcitsgeschichte.„Ich bin nur neugierig, wie lange ich noch her muß. Ob ichüberhaupt wieder arbeitsfähig werde...?" stöhnt ein Zimmermann.„Am besten ist, man hängt sich auf."„Das ist nicht so leicht, dazu gehört ein Strick," scherzt der Nachbar,ein Töpfer.„Ich bin auch bald 13 Wochen hier: Die Krankenkasse ist baldabgelaufen, nun möchten sie mich hier abschieben. Mit meinem Annkann ich noch lange nicht arbeiten; ich bin nur gespannt, wie hochdie Rcntenberechmmg sein wird."„Heute muß ich Euch eine feine Geschichte erzählen," beginnt einRohrleger.Alles horcht hin.„Vorgestern bekomme ich eine Karte von meinem Chef, ichmöchte mich vor den Feiertagen mal sehen lassen. Ei. da fällt wasab zu Weihnachten sage ich zu meiner Frau. Ich gehe gestern hinund nach dem Comptoir..Guten Morgen, das ist ja schön, daß Siesich mal sehen lassen. Was macht Ihre Hand? Bald arbeitsfähig?'fragte der Chef. Ich erwidere:.Ein paar Wochen werden nochvergehen, ich bin mit der Massage noch nicht fertig.'.Sie rauchendoch?'.Jawohl,' sage ich. ,Hier haben Sie auch was für dieFeiertage.' Ich nehme mein Paket, wünsche vergnügte Feiertageund schiebe los. Unterwegs mache ich das Paket auf, und siehe,2S Zigarren find darin."Alles lacht. Der Heilgehülfe, der emsig mit Massieren be-schäftigt ist, ruft:„Machen Sie doch nicht so einen Krach! DerDoktor wird bald r auskommen."...Die Tür des Nebenzimmers öffnet sich, und der Chefarzt er-scheint.„Guten Morgen! Heute alles so vergnügt? Bitte, einernach dem anderen hereinkommen!"Die Untersuchungen beginnen.„Nun, wie geht eS, mein Lieber? Noch Schmerzen?" fragt derDoktor.„Es geht." Der Arzt untersucht die Wunde.„Tadellos,sehr schön! Die Hauptsache ist baden." Der Assistenzarzt sieht sichdie Wunde ebenfalls an.„Wirklich, sehr schön I"„Nicht wahr?"erwidert der Chefarzt und zum Pattenten gewendet:„Wir legen amTage Borsalbe darauf und abends einen feuchten Umschlag. Brunnertbekommt näheren Bescheid."„Herr Doktor, ich möchte bitten um den Konttollschein betreffsdes Fahrgeldes."„Sie kommen zweimal täglich her."„Jawohl!"„Bitte, hier ist der Schein. Sie gehen in das Haus um dieEcke, parterre, Zimmer Nr. 7."Zinnner Nr. 7 ist ein Wartezimmer, verbunden mit einem ab-gegitterten Bureauraum, in dem die Kassengeschäfte erledigt werden.An einem Schreibtisch sitzt ein junger Mann.„Sie wünschen?"„Bitte, hier ist der Konttollschein."„Sie sind zum erstenmal hier?"„Jawohl."„Was fehlt Ihnen?"„Fingerverletzung."„Sie heißen Söhler?"„Nein, Söhlert."„Aber hier fehlt ein t.... Und wohnen Memingerstratze inSchöneberg."„Jawohl."Der Beamte studiert den Stadtplan.„Na, das sind jahöchstens zwanzig Minuten bis hierher! Die können Sie dochlaufen."„Sie werden erlauben, daß man die Sttecke Weges auf drei-viertel Stunden schätzt. Ueberdies bin ich gewohnt, solche Tourenzu fahren. Warum soll ich jetzt laufen, wo ich krank bin? Es istdoch mein bar ausgelegtes Geld!"„Mit was für einen Wagen fahren Sie?"„Südring I und II."„Wir können nur eine Tour bewilligen; die andere Tourmüssen Sie laufen."„Na, da werde ich mich beim Doktor beschweren..."„Herr Doktor, ich komme vom Bureau. Mir wird mein Fahr-geld nicht bewilligt."„Ja, mein Lieber, bei Handverletzung wird nur eine Tour, beiFußverletzung die ganze Tour bewilligt. Das sind Entscheidungenvom Reichs-Versicherungsamt, dagegen ist nichts zu machen."--In dem Türrahmen erscheint ein Mann in den vierziger Jahren.Man sieht, daß ihm das Gehen schwer fällt. Von weitem schonruft ihm der Doktor zu:„Nun, was bringen Sie denn Neues?Sie find doch Maler?°„Ja wohl, Herr Doktor. Ich habe versucht, zu arbeiten. DreiWochen ist es gegangen. Da hatte ich eine sogenannte„Parterre-Arbeit", aber auf der Leiter halte ich es nicht aus mit meinem Fuß,namentlich wenn man mit der Leiter laufen muß."„So, so I Ziehen Sie mal den Stiefel ab."Der Fuß wird betastet, nach verschiedenen Seiten hin gedreht.„Der Fuß ist sehr gut geheilt. Die augenblicklichen Beschwerdendas ist Schwäche. Der Fuß muß jetzt wieder in Bewegung kommen.Also Bewegung, verstehen Sie!..."Unterdessen wird im Nebenzimnier ein älterer Mann mühsamentkleidet. Seine Stimme ist lallend, das Augenlicht hat sehr gelitten,alles Lähmungserscheinungen.„Er ist Ganzinvalide geworden durcheine Lcuchtgasvergiftung," erklärt mir mein Nachbar.„Wenn seineAngehörigen schlau sind, so beanttagen sie die Hilflosenrente. Mirtut der arme Mensch leid."„Wenn man so ein Elend sieht, ist man immer froh, wenn manwieder draußen ist," beginnt ein Maurer.„Die Hälfte von demElend könnte vermieden werden, wenn ein wirklicher Bauarbeiter-schütz durchgeführt wäre, mit Kontrolleuren aus der Arbeiterschaft.Und gerade wir sind berufen, hier agitawrisch vorzugehen, weil wirdas Elend am eigenen Leibe verspürt haben."—u. Magnetisierte Stimmgabeln. Von Alters her werden dieSttmmgabeln zum Sttmmen von Musikinstrumenten benutzt, weil sieeinen reinen, klaren, von Nebengeräuschen fast völlig fteien Tonhaben und weil sie den Ton, auf den sie einmal abgesttmmt sind,sehr lange Zeit unverändert beibehalten. Aber vor einer Sachemuß man die Sttmmgabeln sorgfälttg hüten: Man darf sie nichtmagnettsieren. Denn wenn eine solche Gabel magnetisiert ist, üben chreZinken einen solchen Einfluß aufeinander, daß sie ganz anders schwingen,also auch einen ganz anderen Ton angeben, als wenn sie nichtmagnettsiert sind. Nun wird sich wohl kaum jemand den Spaßmachen, eine brauchbare Stimmgabel mit Absicht zu magnettsieren;aber bei den heute vielfach vorhandenen elekttischen Anlagen kannes leicht vorkommen, daß man mit einer Stimmgabel in der Taschean eine im Betrieb befindliche kräftige Dynamomaschine herantritt;schon diese Nähe der elektrischen Maschine kann es bewirken, daß dieStimmgabel, an die man vorher gar nicht dachte, ganz unbranchbarwird, wie ja bekanntlich auch Uhren, die man in die Nähe einerelekttischen Maschine brachte, in vielen Fällen verdorben find.—Kulturges chichtliches.a. Aerzte und Heilkunde in früheren Zeiten.Von allen Zweigen der Wissenschast waren im Mittelalter Medizinund Nawrwissemchasten ain meisten vernachlässigt worden. Jahr-hunderte hindurch war man in diesen beiden Disziplinen nicht einenSchritt vorwärts gekommen. Lehrte man doch an den Universitätennoch im 16. Jahrhundert nach den Schriften de« Hippokrates,Galenus und Avicenna. Von anatomischen Kenntnissen fand sichkeine Spur und selbst die Chirurgie lag im 13.— 14. Jahrhundertnoch so im Argen, daß die Aerzte einen einfachen Beinbruch nicht zuheilen im stände waren. Als Leopold der Tugendhafte bei einent