-
63
„ Ein armes Weib fann nicht immer gepukt gehn. Als Mädchen sie noch nicht weichen wollten, ihnen eins auf den Belz gebrannt. war das anders."
Er seufzte. Lange blickte er sie an, goß den Schnaps ein, trant ihn aus.
„ Es war doch besser so, Anne
So gern man sich hatte!" " Das war's wohl," sagte sie. Ihre Hände waren vom heißen Wasser, mit dem sie gescheuert, noch etwas gedunsen. Sie wickelte sie in die Schürze.
"
Aber beim Abschied war mir doch. ganz dämlich zu Mut. Weißt noch?"
"
An der Kirchhofspforte. Die anderen suchten mich noch." Ja, sie waren höllisch hinter Dir her. O je, warst ein schmuckes Mädel! Und küssen konntst Du...
"
Sie lachte verschämt.
"
Wenn ich nur ein bißchen Geld gehabt hätte, wär's jetzt anders. Nu ja, ja. ich hätt' Dich geheirat't. Aber es war gut... sonst könntst Du jetzt die Landstraße lang trecken und Scheren einsammeln." Die Frau seufzte.
" Da sieht man doch die Welt. Hier gibt's nur Arbeit den ganzen Tag."
Der Scherenschleifer nidte vor sich hin. " Ich muß jeht.
meine Frau. Adje auch!"
wohl gehn, Anne. Draußen. steht
" Adje, Johann. Na, willst Du denn die Stullen nicht mitnehmen? Ist ja von einer alten Bekannten."
Er hatte einen scheuen Blick und schämte sich. Die Frau jedoch drückte sie ihm in die Hand.
,, Und wenn Du wieder mal vorbeikommst ,, Komm ich' ran. Adje, Anne
"
-
"
war doch ganz anders früher." Ganz anders, Johann. Nu adje!" Sie sah ihm nach, sie schürzte die Röcke von neuem, sie nahm Die Schleife ab. Dann wollt sie mit dem Abseifen der Fenster wieder beginnen. Schon hatte sie den Lappen eingetaucht und aus gewunden, als sie ihn plöblich wieder in den Eimer zurückfallen ließ, sich sezte und die nassen Hände vor's Gesicht schlug.
Sie war so hart in eintöniger Arbeit und Plage geworden, sie hatte das freie Glück der Jugend und die jubelnde Lust ihrer Mädchen tage so lange vergessen da kam heut Johann Klatt an ihre Zür, wie ein Bote aus versunkenen Fernen.
U
So faß sie, fast zusammengesunken, ein paar Minuten. Heulereil" brummte sie dann und fuhr sich energisch mit dem Handrücken über die Augen. Und dann scheuerte sie, daß ihr die Arme weh taten.
-
Der Scherenschleifer zog derweil mit seinem Hund, seinem Weib, feiner Starre weiter der Waldschenke zu. Mit gebeugtem Haupt war er aus der Tür getreten. Seine Alte hatte gemurrt, wo er so lange bleibe. Doch als sie die Stullen mit Zwetschgenmus sah, leuchteten ihre Augen auf.
Da ist Frau Späßin das Opfer geworden. Jsts auch recht, so einen fleinen Spizbuben aus der sonnigen Heiterkeit zu vertreiben? Noch blicke und höre ich in den Frühlingsjubel, da kommt auch schon der Spaßenwitwer mit einer neuen Madam abermals zu dem ihnen versagten Nest am Fenster geflogen. In knapp fünf Minuten Vers lust, Trauer, Tröstung und neues Leben! Das ist empörend, und da nun einmal ein Spakennest dicht am Fenster unangenehm werden fann, so wird auch der männliche Eindringling einen Denkzettel erhalten. Das Schrot fliegt und eine Witwe flattert nach zwei Minuten langer Ehe davon. Nun ist's aber genug des gewaujamen Einschreitens! Ich drehe mich abermals der Sonne zu. Da pioguch ist auch schon ein neues Zwitschern am Fenster. Diesmal ist Frau Späßin bereite mit einem neuen Galan angezoddelt gekommen.
-
Mein Nachbar schmaucht sein Pfeifchen am Gartenzaun und hört schmunzelnd diese Spaßengeschichte.
Was isch, Pappe," fragt sein Achtjähriger, selle Sach tue nur die Spazze gell?"
"
-
Der Pappe" zwinkert mir zu, und die Aeuglein glitzern vor verschmitter Klugheit unter den Fettpolstern.
" Bappe sag! Das mache doch nur selle Spate?" forscht der wissensdurstige Sohn aufs neue.
Da tut der Herr des Hauses noch einen tiefen Zug und sagt: Nittemal, Albertle, nittemal!' sisch noch ein Vogel da, der selle Sach gelegentlich fertigbringt; aber sellen lernscht erst später kenne. Man heißt ihn: homo sapiens. Weischt?"
-
wr. Schlamasser. Schlemihl. In Berlin hört man oft das Wort Schlamassel in irriger Weise auf Personen angewendet. Dies ist wahrscheinlich auf eine Verwechselung mit Schlemihl zurückzuführen. Das Wort Schlamassel entstammt der jüdischen Gaunersprache, sein zweiter Teil entspricht dem jüdischen Massal, Glucksstern, das als Masel, Massel in der Gaunersprache üblich ist. Ob der erste Teil das verneinende hebräische schello oder an das deutsche schlimm angelehnt ist, dürfte kaum zu entscheiden sein. Schello Massal würde also soviel wie Unglüd heißen. In seinen nach Ort und Zeit verschiedenen Anwendungen findet man für Schlamassel folgende Bedeutungen: böser, verdrießlicher oder schmutziger Handel, widriger Zustand, Mißgeschid, arge Verwirrung, Gemengsel, Plunder, widerliche und sogar schlammige Masse. Eine Reihe dieser angeführten Bedeutungen erklären sich aus der Beziehung, in die man das Wort zu Schlamm brachte. So kommt es in der Form von Schlamaster in der Bedeutung von fumpfigem, von Regen aufgeweichtem Boden bor. In den Redensarten, in denen man das Wort antrifft, wird es in allen drei Geschlechtern gebraucht, auch in der Mehrzahl, meistens aber wendet man es wohl männlichen Geschlechtes an, wenigstens in Berlin .
Aus der Gegend von Ulm bringt Wander in seinem Sprichwörter- Lexikon: einen in a Schlamaß bringen, einem aus der Schlamaz heraushelfen. Ferner verzeichnet er: in die Schlamaffel kommen. Daß die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß man auch an das deutsche schlimm" gedacht haben kann, zeigt das jüdischdeutsche Sprichwort: Wenn en Schlimm- Masset tummt, so tummt vollem Zuge.
Und mit einemmal hob auch ihr Mann den Kopf. Man trottete so hin, Jahre. Jahre, Jahre immer dasselbe Einerlei, immer stehen und schleifen. Und heut, da war's, als wär' etwas Helles. Sonniges durch die graue Dede gehuscht... etwas etwas Wunderschönes. Und es war doch eigentlich gar nichts. Mutter," sagte er, hier hast Du das Brot. JB es auf und gib es nit allan. Wenn das Unglück einmal kommt, so kommt es in auch dem Hektor was!"
" Na und Du?"
" Ich bin drinnen schon satt geworden. Einen Schnaps hab' ich auch gefriegt. Ach was, immer feste Was meinst Du, Alte, wenn's sein muß, ziehn wir den Karren noch ein paar Meilen weiter!"
Und lustig, ob auch mit halb heiserer Stimme, fang er:
Ich bin ein Scherenschleifer
Und acht' den freien Stand, Schrum heididi, schrum heidada
Wohl auf und ab im Land!
Ach, Scherenschleifer, fomm' er' rein,
So spricht manch schönes Jungfräulein,- Schrum heididi, schrum heidada,
Was mag zu schleifen sein?"
-
Fassungslos hatte sein Weib zugehört. " Mann!" rief fie ,, was ist denn los mit Dir? Seit Jahr und Tag singt er nicht mehr und heut, bei fünf Groschen nu foll doch ein Mensch sagen!"
•
-
Aber der Scherenschleifer lachte laut:" Mir ist heut mal fo fingrig Schrum heididi, schrum heidada- sing man ruhig mit, Mutter!" Und so geschah's. Vor ihnen lag das Abendrot und fiel durch die Baumwipfel auf den Weg, den sie singend, mit dem Hund und dem Karren, entlang zogen... zum Nachtquartier in der Waldschenke.-
-
Kleines feuilleton.
-tt- Spaken.( Nachdruck verboten.) Die Spaken find geschäftiger denn je, und welches Männchen das Glüd hat, führt die Braut heim in ein fremdes Nest. Doch ich will nicht lauter Graukittel im Garten und am Hause haben; die sorglich hergerichteten Schlupfwinkel sollen den Sängern dienen. Weil aber unsere Gedanken für Freund Spaß völlig zollfrei find, so habe ich zwei zudringliche Kerfe fechsmal aus dem Starkasten getrieben, und als
Dem Worte Schlemihl begegnet man oft in der Volkssprache, ohne daß viel Uebles dabei gedacht wird, in der Bedeutung: Träumer, Schelm. Auch dieses Wort entstammt der jüdischen Gaunersprache und bezeichnet einen Dümmling, einen ungeschickten Menschen, einen Pechvogel. Der bekannte Held des Chamissoschen Märchens, Peter Schlemihl , der unbeholfene Träumer, der von ber schuldetem und unverschuldetem Mißgeschid verfolgt wird, trägt also einen sehr bezeichnenden Namen. Die jeßige Schreibung des Wortes stammt wahrscheinlich von Chamisso her. Denn in dem Sprichwort: Wenn es noch so viele Schlemielim gibt, was hilft es mir?", sieht man eine andere Schreibung, und zwar ist die lang zu fprechende Endung.im" das Zeichen für die Mehrzahl im Hebräischen.
Die Verwechselung von Schlemihl und Schlamassel hat wahr, scheinlich ihren Grund darin, daß ein Schlemihl sich so oft im Schlamaffel befindet und dann auch selbst beinahe zu einer widerwärtigen Sache, einem Schlamassel, wird.
Kunft.
es. Lesser Urh, der bei eller ut. Reiner ausstellt, ist ein unglückseliges Temperament. Es zerrinnt ihm sein ganzes Malen. Etwas eigentümlich Passives ist in seiner Natur, etwas Auflösendes, Verschwimmendes. Es ist, als flüchtete er angstvoll vor den Dingen und ließe sich nicht die Nuhe, den Erscheinungen auf den Grund zu gehen.
Man kann hier den Weg verfolgen, den Urh genommen hat. Von den kleinen, stimmungsvollen Interieurszenen( im Café z. B.), die malerisch einfach und groß gesehen sind, von den gründlichen Arbeiten der früheren Zeit( einige Kinderbilder, Gruppen), die noch in der Wirklichkeit verbleiben und festhaften an dem Licht und an der Luft der Erde, löst er sich plöglich los und will versuchen, seinen eigenen Weg zu gehen. Dieser Weg teilt sich in drei Linien, die miteinander Berührungspunkte haben.
Auf dem einen Wege kommt er zu scharf und eindringlich kontrastierenden Farbenflächen, zu dekorativen Landschaften. Abendsonne, gelbliches Himmelslicht, dunkle Wälder wie schivere Massen wirkend, tief unten ein leuchtender See oder ein heller, grüner Weg. Alles