-

67

oberfläche liegende Flöße, die schon seit Jahrhunderten brennen. Auch| Flächen breiten fie fich aus. Das Niveau dieses Meeres ist etwa Zimmerungsbrände haben sich schon häufig als verhängnisvoll er 1800 bis 1900 Meter über dem Wasserspiegel. An demselben Tage, wiesen. Einem Zimmerungsbrand zu Pribram fielen z. B. im Mai an dem Rudaur das Wolfenmeer beobachtete, zog das Meer über 1892 319 Bergleute zum Opfer und einem gleichen Brande der das südliche Frankreich und bedeckte das ganze Land. Von dem Kleophasgrube" bei Kattowig im März 1896 100 Arbeiter. hohen Standpunkte aus erschien diese endlose Fläche, die in uns Verlegungen und tödliche Unfälle find in Bergwerken besonders gewissen Formen und verschwebenden Linien sich ausdehnte, wie häufig. So bildeten zum Beispiel in Preußen während eines Jahr- ein riesiger Ozean. Dieses Wolfenmeer blieb einen Teil der Nacht zehnts( 1882-1892) die tödlichen Unfälle 23 Prozent aller Sterbefälle hindurch stehen; um Mitternacht fuhren Windstöße in die Massen bei den Bergleuten, und der Steinkohlenbergbau wies die hinein, wühlten sie auf, ein brausender Orfan brach los und zer­höchste Verunglückungsziffer auf. Brüche, Quetschungen und Ver- streute alles in den ersten Stunden des nächsten Morgens. Von renkungen der verschiedensten Knochen find an der Tagesordnung. besonderer Schönheit waren die Wolken, als sie ruhig und glatt wie Die häufigsten Erkrankungen bei Bergleuten find solche der Atmungs - der Spiegel eines stillen Sees erschienen und dann, als sie vom organe, denn der Kohlenstaub wie die bedeutende Anhäufung von Sturm aufgewühlt in zackigen Riffen und zerrissenen Formationen Kohlensäure üben einen ständigen Reiz auf die Schleimhäute der sich zusammenballten.- Luftwege aus. Die Häufigkeit der Luftröhrenfatarrhe bei den Berg­Theater. leuten erklärt sich durch die sehr wechselnde Temperatur an den ver­schiedenen Orten unter Tage, wie durch die häufige Durchnässung der Kleidung. Auf dem Boden solcher Katarrhe". sagt Dr. M. Calm, gelingt es nun den eingeatmeten Kohlenteilchen leicht, durch die aufgelockerte Schleimhaut hindurch in das Lungengewebe einzubringen; indem sie sich hier ablagern, führen sie den Zustand der sogenannten Rohlenlunge herbei. Die Lunge sieht dann vollkommen schwarz aus; es tommt infolge der ständigen Reizung der Kohlen­partitel zur Entzündung und Berödung größerer Gebiete der Lunge." Rheumatismus , Asthma, Ischias, Herenschuß, Augenzittern, wie auch die vielbesprochene hartnäckige Wurmtrantheit, welche meist von eingewanderten Leuten eingeschleppt wird, find die bekanntesten Bergmannskrankheiten.

-

Die Berufsarbeiten des Bergmanns sind also so außerordentlich schwere und die Gefahren, die sein Leben, seine Gesundheit, die Existenz seiner Familie bedrohen, so zahlreich, daß ihm in dem gegenwärtigen Kampfe um eine nur geringe Aufbesserung seiner Eristenzbedingungen wahrlich kein Mensch von Gefühl Teilnahme und Sympathie versagen kann. Wir fönnen nur wünschen, daß dieser ernste und schwere Kampf mit dem vollkommenen Siege der Bergarbeiter ende. Fred Hood.

-

Kleines feuilleton.

c. Wolfenmeere. Seitdem Luke Howard zuerst die Phänomene der Wolkenbildung wissenschaftlich zu erforschen begann und Goethe diese Versuche mit freundlichen Versen und lebhaftem Interesse be­gleitete, hat man bewundernd zu diesen stets wechselnden Formen­spielen aufgeschaut und diese komplizierten Erscheinungen der Atmosphäre immer genauer beobachtet. Ruskin hat in feiner " Königin der Luft" einen Hymnus auf die zarten Gewebe des Himmels gesungen und in Wolfenmythen und Luftfagen die ge­staltende Phantasie früherer Völker erfannt, die schon in den Wolfen Geister und Wesen suchten; der jüngst verstorbene Friedrich Rabel hatte ebenfalls den Wolfenbildungen seine Beobachtung zugewandt und in Natur und Kunst ihren Reichtum an Konturen und Lage­rungen aufgesucht. Doch auch im einzelnen haben die Geographen befondere Formen, in denen die Wolken auftreten, bestimmt, und unter diesen ist das Phänomen des Wolkenmeeres eines der mert­würdigsten, die man bewundern kann. Die Möglichkeiten, folche Erscheinungen zu beobachten, sind nicht immer leicht zu erlangen. Man fann sie nur mit dem Ballon oder von dem Gipfel eines hohen Berges aus beobachten. Im Ballon kann man freilich nicht alle Tage in die Luft steigen, um das Heraufziehen der Erscheinung zu erwarten, auf dem Gipfel eines Berges aber fann man ruhig aus harren, bis sich das Schauspiel in feiner ganzen unvergleichlichen Schönheit aufrollt. Die Gebirgsstationen bieten sich alle recht be­quem zu dieser Art von Beobachtungen dar, und unter ihnen erlaubt die Station Barèges in der Pyrenäen am besten, das Phänomen zu betrachten. Im August vorigen Jahres hat Lucien Rudaug ein folches Wolfenmeer genau beobachtet und berichtet darüber in La Nature". Bei sehr stürmischer Witterung bildeten sich in dem Tal, das sich von dem Gipfel des Tourmalet bis nach Luz herabsentt, mächtige Wolfenmassen. Von der Höhe der Station( 1236 Meter) sah man auf die fleine Stadt herab, deren Häuser in weite, wallende Mäntel eingehüllt schienen, die, wieder in Fehen zerreißend, dann und wann wie gespenstische Phantome ein Dach oder eine Mauer hindurchscheinen ließen. Die Wolfen weben in der Tiefe hin und her, steigen auf und nieder und füllen rasch das ganze Tal; bald ziehen sie dahin, im Winde verwehend und zerflatternd wie der leichte Rauch einer Zigarette, dann ballen sie sich zu dichtem Knäuel und fahren wieder jäh auseinander. Gestaltenlos, wefenlos schweben sie in steter Bewegung, scheiren zu verschwinden, tauchen wieder auf und gaufeln in immer höhere Regionen. Tief unten im Tal von Luz braut sich unterdessen ein dichter, schwerer Nebel zu sammen und strömt in dicken Massen hervor, sich immer weiter aus breitend. Die dunkle Wand reckt sich dräuend empor, die helleren Schleierwöllchen tangen leicht davor hin, dann mischen sich die hin­und herfließenden Luftgebilde und erfüllen das ganze Tal mit einem tiefen, unruhig wogenden Meer. Dies Meer breitet sich mit rafender Schnelligkeit aus; es erfüllt auch die nebenan liegenden Täler, der Sturm jagt die Wolkenmassen wie in Wellen auf, reißt fie jäh auseinander, wirbelt sie zusammen und läßt sie wie eine gischende Gischt sich aufbäumen. Dann wieder wird es still und feierlich. Majestätisch und ruhig, wie weiße, weiche, breite Flügel steigen die Wolken auf, immer höher empor; endlos sich erstreckend in weiten

"

"

Lessing Theater. Das gerettete Venedig." Schauspiel in 5 Aften von Hugo v. Hofmannsthal . Wie das vor ein paar Wochen zum ersten Male gespielte Drama Der Graf von Charolais" ist Das gerettete Venedig" nach einem alten englischen Original gearbeitet. Hofmannsthal , der die innerste Eigenart feiner Begabung in einigen die Rätselhaftigkeit des Daseins wunderbar wiederspiegelnden Gedichten, in Dialogen, die mit schöpferischer Bildkraft das Wesen des poetischen Eindrucks schildern, und in der dunkelfarbigen, schwermütig- sehnsuchtsvollen Szene Der or und der Tod" offenbart hat, ist vor allem eine lyrische, den Selang leiser und seltener, bisher noch taum belauschter Stimmungen nachschaffende Natur. Für das Unsichtbare, Vorfchwebende findet er Worte, durch die es gleichfam greifbare Anschaulichkeit erhält, und diese Kraft des Malerischen betätigt sich auch da, wo er über die Grenzen feines eigensten Gebietes hinausstrebt. Das fällt fofort in seinen ersten dramatischen Versuchen, ebenso in seiner Nachdichtung der Sophycleischen Elektra" und in dem geretteten Venedig " auf: Die Sprache, aber auch die Gruppierung der Szenen hat etwas Farbiges, merkwürdig Einprägfames für die Phantasie. Und die Tendenz zu malerischer Wirkung, berbunden mit dem Unvermögen, selbst einen größeren dramatischen Organismus zu erzeugen, in dem sich zugleich jener Trieb Genüge tun könnte, mag ihn wie den anscheinend ihm wahlverwandten Beer­Hoffmann jetzt zu den alten Engländern getrieben haben. Da waren bunte und wechselvoll bewegte Schicksale und große Leidenschaften, die nach bildhaftem lhrisch rhetorischen Ausdrud vers langten. Da gab es Platz für malerischen Schmuck und Glanz der Rede.

-

Das renovierte Genre ist zu fremdartig, weicht von der all­gemeinen Richtungslinie moderner Dramatit, die auf eine immer feinere Nuancierung der Charakteristik und gefchloffenere Entwickelung der Handlung geht, zu sehr ab, als daß es mehr als eine unpopuläre Experimentierfunft sein könnte. Aber merkwürdig war es immerhin, daß das Premierenpublikum, welches den Grafen Charolais mit demonstrativem Beifall aufnahm, sich zu der Hofmannsthalschen Dichtung weit fühler verhielt. Der Applaus hatte, besonders in der zweiten Hälfte, mit starkem gischen zu kämpfen. Dabei ist die Sprache hier viel markanter, fnapper, die Handlung und Psychologie unverhältnismäßig einheitlicher, darum auch spannender als in dem wortreichen, durch einen inneren Zwiespalt in der Mitte auseinandergerissenen Werte Hoffmanns. Mag sein, daß Hofmanns thal, so wie in seiner Elektra" sich auch hier an das Original, ein Drama Ottways aus dem Jahre 1682, eng angeschlossen hat, während Beer- Hoffmann ein älteres Stück Massingers, das ihm zum Vorwurf diente, wesentlich, in Grundzügen umgestaltete, also mehr selbständige Erfindung bewies für die Bühne fällt doch nur die Qualität des unmittelbar Dargebotenen selbst ins Gewicht. Das Schauspiel hat zu seinem historischen Hintergrunde eine Verschwörung vom Jahre 1618, die das Venetianische Senatoren regiment stürzen und die Stadt an Spanien ausliefern wollte, aber vor ihrem Ausbruche durch Verrat entdeckt wurde. Der Dichter ver flärt teine der Parteien durch eine höhere Jdee. Das freche Willfür­regiment der herrschenden Klique ist in dem Stücke scharf gezeichnet; aber nicht die Empörung über das allgemeine Unrecht, persönliche Kränkungen, Rachsucht und Ehrgeiz erscheinen als das Treibende in den Verschwörern. Brachtvoll ist die Gestalt des Führers, des uns erschrockenen, harten, starten Kapitäns Pierre, der mit faft schwärmerischer Freundschaft an dem schwachen Jaffier hängt, durch geführt. Für die Entführung seiner einstigen Geliebten Aquilina, die undankbare schnöde Entlassung aus dem Dienst und die Gefängnishaft, mit der man seine Selbsthülfe bestrafte, will er Rache nehmen. Jaffier wird von ihm mit hineingezogen in den Plan. Diefer junge Bursche, der eine schöne und seelenreine Senatoren tochter heimlich gewonnen, haßt glühend ihren stolzen Vater, der dem Elend des jungen Paares jede Hülfe weigert und ihn selbst auf tiefste demütigte. Wenn der Aufruhr ausbricht, dann, hofft er, wird er dem Feinde ein Meffer in die Kehle stoßen können. Als die Verschworenen an seiner Treue zweifeln, übergibt er ihnen die Gattin als Geißel. So darf er an der geheimen Ver sammlung im Hause Aquilinas teilnehmen und wird von Pierre gesandt, um Waffen, unter Stroh im Boote versteckt, hineinzuschmuggeln in die Stadt. Er glaubt, daß Späher ihn gefehen haben, und diese erste Ahnung der Gefahr ent mannt ihn. Schlotternd vor Angst verrät er seiner Freunde Ans schlag und ehrlos feige läßt er sich überreden, bei der Behörde den Denunzianten zu spielen. Auf diese Weise meint er sein Leben