Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 19.
19]
Donnerstag, den 26. Januar.
( Nachdruck verboten.)
Der Baumeister.
Roman von Felix Holländer . " Ich glaube ja auch nicht ernstlich, daß das Glück von äußerer Bracht abhängig ist," entgegnete Keßler. Ich kann mir auch vorstellen, daß man mit einem Menschen, der einem alles ist und alles gibt, in einer elenden Kammer namenlos glücklich zu sein vermag.
„ Ist das Ihr ganzer Ernst?"
" Ja, Fräulein Anders!"
"
Warum belügen Sie sich?" " Ich glaube fest daran."
„ Ein Mensch, der ein Theater bauen will, muß die Pracht und Herrlichkeit von ganzer Seele lieben
"
,, Man kann doch sein Berufsleben und sein inneres Glück voneinander trennen!"
„ Nein, das kann man nicht. Und ein Künstler ist es
vollends nicht imſtande."
„ Sie halten mich also für einen oberflächlichen Menschen?" „ Das habe ich nicht gesagt. Im Gegenteil, es wäre vielleicht schlimm für Sie, wenn Sie anders wären."
Sagen Sie mir, ob Sie mir ein bißchen gut sein
fönnten.
"
רוד
Bitte, fragen Sie mich nicht."
" Ich lege mein ganzes Glück in Ihre Hände!" Auf, wie lange?"
"
-
Warum zweifeln Sie an mir? Und warum entziehen Sie sich mir? Ich habe gedacht, Sie müßten mich ein bißchen verstehen." Vielleicht verstehe ich Sie auch und besser als Sie ahnen." Ihre Züge wurden schwermütig. „ Wenn Sie mich verstehen, so müssen Sie wissen, daß mein ganzes Schicksal von Ihnen abhängt." Er sah sie voll Er sah sie voll Leidenschaft an und wurde befremdet durch ihr Gesicht, das ihm traurig und entsagend schien.
"
" Was haben Sie denn nur?" fragte er bekümmert. Warum tun Sie mir weh?"
" Ich möchte Sie nicht verlegen." " Ich glaube Ihnen!"
" Ich habe einen Vater," fuhr sie fort, der sein ganzes Leben hindurch wie ein strenger Künstler gerungen. Erreicht hat er freilich nichts. Immer stand er im Dunklen, und heute schlägt er sich als armer Orchestermusiker in einem Rauchtheater durch und instrumentiert für andere in seinen Muße stunden. Dieser Mensch- sagte sie langsam hat dennoch feine innere Freiheit und Heiterfeit nicht verloren. Er hat niemals über sich hinausgewollt, und kein falscher Ehrgeiz hat ihn mürbe gemacht und zerbrochen."
Sie schwieg und betrachtete ihn ernst.
-
" Fräulein Grete," entgegnete er, ich begreife nicht, was Sie damit sagen wollen."
,, Nur, daß ich auch nicht über mich hinausstrebe daß ich mir mein inneres Gleichgewicht bewahren möchte. Ich habe Angst, wenn Sie so große Worte zu mir sprechen."
" Das ist freilich bitter, daß Sie so gar kein Vertrauen zu mir haben!"
Grete schüttelte den Kopf und schwieg eine Weile, ehe sie erwiderte: Ich möchte mich nicht verlieren."
Er nahm ihre Hand und drückte sie.
"
Wissen Ihre Eltern, wo Sie heute abend sind?"
" Ja," antwortete sie einfach.
,, und hatten sie nichts dagegen?"
„ Sie haben Ehrfurcht vor meinem Willen. Sie wissen, daß ihr Einfluß aufhören würde, wenn sie mich hemmen wollten."
Ich habe mich in Ihren Vater beim ersten Blick verliebt. Er ist keine Nummer er ist ein Mensch."
Das ist er!" erwiderte sie warm, und ein dankbarer Blick traf ihn.
Wir wollen auf das Wohl Ihres Vaters trinken." ,, Und auf das meiner Mutter."
Sie hoben die Gläser und stießen an.
Er schenkte sie von neuem voll.
" Fräulein Grete, wissen Sie, daß Sie mein Halt und meine Stüße sind?"
Darauf schwieg sie.
1905
" Ich habe immer die Sehnsucht nach einem Menschen gehabt, dem ich rückhaltlos alles und jedes sagen könnte. Ich habe immer allein gestanden. Sie sind der erste Mensch, zi dem ich so spreche. Von der ersten Stunde an habe ich gewußt, daß wir beide eine innere und unauflösliche Beziehung zueinander haben. Ich habe gewußt," setzte er erregt hinzu, daß es mir von nun an nicht mehr fehlen könnte. Begreifen Sie mich doch! Seien Sie gütig gegen mich! Ich brauche- hören Sie ich brauche Ihre Güte."
"
"
Bin ich wirklich hart gegen Sie?"
" Ja, Sie verschließen sich mir. Sie wollen nicht, daß ich stark und glücklich bin. Durch Sie könnte ich stark und
glücklich sein."
Nur durch sich selbst können Sie es sein."
-
„ Das ist nicht wahr das leugne ich! Mein ganzes Selbstvertrauen, alle meine Kraft würde wachsen, wenn ich wüßte, daß eine Seele fest an mir hängt bedingungslos an mich glaubt. Und diese Seele könnte kein anderer Mensch Kein anderer Mensch als ich," wiederholte sie, in sich verträumt.
sein als Sie!"
Ist es denn etwas Arges und Schwächliches, wenn man den Teil sucht, der einen ergänzt?... Und wenn man ihn nicht mehr loslassen will, nachdem man ihn gefunden hat?... Sie haben so etwas Starkes und Zuverlässiges so etwas Wurzelfestes...!" Nein," erwiderte sie, ich bin nur troßig und selbst
herrlich." ,, Sie sind, wie Sie sein müssen." Wieder nahm er sein Glas, und indem er es zum Munde führte, sagte er: Sch „ Ich trinke auf unsere Liebe! Nicht wahr, Sie haben mich" ein wenig lieb?"
" Ja, ich habe Sie lieb."
Ihr Gesicht wurde über und über rot, und ihre dunklen Augen schienen noch mehr nach innen zu sinken.
,, O," sagte er mit unterdrückter Stimme, ich möchte Dich immer nur ansehen... Deine feinen Augenbrauen, Deine Stirn, Deinen Mund
und während er sie füßte, schloß sie die Augen. Sie beugte sich zu ihm hin, ohne Willen und Widerstand, Und immer wieder zog er sie an sich und wieder ließ sie es geschehen. ,, Morgen komme ich zu den Eltern!" sagte er wie
trunken.
Mit beiden Händen wehrte sie ab.
Nein nein! Das will ich nicht!"
„ Kind, was hast Du?" fragte er, erschreckt durch ihre Miene, die plötzlich wieder etwas Verstörtes angenommen hatte. Nichts nichts habe ich!" antwortete sie und versuchte
zu lächeln.
ich
fein
-
" Ich dränge Dich nicht... ich tue, was Du willst komme nicht eher, als Du es selber wünscheſt." Laß mich jetzt heim," bat sie.
"
,, Bleibe noch," drängte er, Ich möchte, daß dieser Abend Ende nähme, ich habe Dir ja so viel zu sagen!"
Sie nichte stumm, und er begann zu erzählen, von seinen Plänen und Zukunftsträumen. Das große Gefühl, das ihn erfüllte, löste seine Zunge. Er beschrieb ihr das Theater bis in das kleinste Winkelchen. Sie sah die Fassade des aus Sandstein gebauten Hauses, sie sah die marmorne Treppe, die zu den Entrees führte, sie sah die drehbare Bühne, bei der die legten Errungenschaften der Technik angewandt waren, sie blickte hinunter in den vornehmen, hellerleuchteten Zuschauerraum, dessen Decke ein Kunstwerk war und dessen Logen und Ränge eine ungeahnte Pracht offenbarten. Und dann taten sich vor ihr die eleganten Foyers auf, in denen das Publikum während der Pausen seinem Entzücken über diesen Wunderbau Ausdruck gab.
Sie hörte ihm mit stiller Freude zu, und ihre Augen weiteten sich.
" Ich habe Dich am liebsten," sagte sie zärtlich, wenn Du von Deiner Arbeit sprichst."
,, Du kannst Dir gar nicht vorstellen," fuhr er fort ,,, was es für ein Elend ist, wenn ein Mensch, der arbeiten will und