Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 20.
20]
Freitag, den 27. Januar.
( Nachdruck verboten.)
Der Baumeister.
" Wie ist das möglich?" entgegnete Grete fassungslos. Das ist doch gar nicht denkbar... Ich begreife das alles nicht." Ihre Stirn fräufelte sich, und ihre Miene wurde schen und Aha!" sagte er. Ich weiß, worüber Du Dir den Kopf zerbrichst." Er lachte laut und fröhlich. Das Rätsel ist bald gelöst. Ein Mensch, der hungert und im Wagen fährt das meinst Du doch, nicht?"
verwirrt.
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"
1905
aneinandergeschmiegt schritten sie durch die weiche, linde Frühlingsluft. Ueber ihnen wölbte sich der Himmel mit ungezählten Sternen, die auf sie herabfunkelten.
Sie gingen über die Linden, durch das Brandenburger Tor , durch den Tiergarten, der in tiefer Stille und Nachtruhe dalag.
Mit allen ihren Poren atmeten sie den Frühling ein. Und in dieser Stunde hatte er nur den einen Wunsch, ihrer reinen Seele wert zu sein. Alle seine ehrgeizigen Wünsche und Pläne verjanken in dem einen Gefühl seiner großen Liebe
die Notiz, daß einer Korrespondenz zufolge draußen im Westen In den nächsten Tagen brachten die Berliner Blätter ein neues Theater entstehen sollte. Ein Konsortium kapitalfräftiger Leute hätte sich zusammengefunden, um das neue " Ja," antwortete sie tonlos. " Nun, siehst Du, wie ich Deine Gedanken errate. Und Unternehmen zu finanzieren. Da fein Name genannt war, " Nun, siehst Du, wie ich Deine Gedanken errate. Und so dennoch beruht alles, was ich Dir sage, auf reiner Wahrheit. So hatten die Redaktionen verschiedener Blätter an diese Notiz dennoch beruht alles, was ich Dir sage, auf reiner Wahrheit. so und so viele Fragezeichen geknüpft und die Frage erörtert, Also höre: An jenem Abend hatte ich tatsächlich nur ein paar ob für ein neues Theater überhaupt ein Bedürfnis vorliege. Groschen in der Tasche. Da traf ich zufällig einen Freund, Am Tage darauf bekamen die Zeitungen schon die Mitteilung, den ich jahrelang nicht gesehen hatte einen ganz famojen daß Friedrich Keßler , einer der talentvollsten Architekten Kerl. Ohne daß ich ihn mit einer Silbe darum gebeten hätte, Berlins , den Bau ausführen würde". Gleichzeitig wurde hindrängte er mir mehrere hundert Mark auf. Als ich mich von ihm trennte- traf ich Dich vor der Apotheke. Am anderen zugefügt, daß in dem neuen Hause das moderne Drama Tage fuhr ich bereits per Wagen, und um ein Haar hätte gepflegt werden sollte; das Theater selbst würde innerhalb ich mir sogar einen Diener genommen... es wäre mir gar eines Jahres fir und fertig dastehen". nicht darauf angekommen. Kind, fieh mich nicht so erschreckt niemand anders als Steinert. Vor allen Dingen hatte er Der Verfasser aller dieser vorbereitenden Notizen war - und großäugig an. Es hat alles seinen tiefen Sinn. Das Leben zwingt einem Komödien auf, und man muß seine Rolle, Berlin von nichts anderem als von unserem Theater gesprochen 3 Steßler gesagt müssen wir es dahin bringen, daß in ohne mit der Wimper zu zucken, spielen, wenn man nicht in wird. Nur auf diese Weise finden wir Menschen, die sich an der Versenkung untertauchen will... Kind, das mußt Du doch einsehen! Glaubst Du, man läßt einen armen Teufel bauen dem Unternehmen beteiligen. Wind machen muß man- Wind machen!" hatte er hinzugefügt...„ Wenn man selbst glaubst Du, irgend ein Mensch fümmert sich um ihn? Journalist gewesen ist, versteht man sich auf den Rummel. Alle Taschen voll Talent kann er haben, und man läßt ihn doch Sie werden sehen, Herr Baumeister, wie uns die Leute auf den verhungern. Zum Bauen gehört wie zum Kriegführen dreimal Geld und fein Unternehmer läßt sich mit einem armen Schlucker ein. Wenn man diesen Hallunken nicht Sand in die Augen streut, schieben sie einen beiseite und sehen einen verächtlich an. Du kannst Dir gar nicht denken, was für Dienste mir dieser Wagen geleistet hat!.. Was ist Dir denn Du siehst mich ja wie entgeistert an?" unterbrach er seinen
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Redefluß.
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Wie kann man sich nur solcher Mittel bedienen?" fragte sie schüchtern, während ein qualvoller Zug ihre Miene beherrschte.
bin?"
Dieser Ausdruck brachte ihn in Verlegenheit. Bist Du enttäuscht, daß ich nur ein armer Schlucker
Sie entzog ihm ganz leise die Hand. " Für mich könntest Du arm wie eine Kirchenmaus sein ich beanspruche nichts als Wahrhaftigkeit." Kind, Du darfst mich für feinen Lügner halten. sind Listen und Manöver, die einem der Krieg aufzwingt." ,, Das finde ich ja gerade so jammervoll."
Das
Auf den Krieg folgt Frieden, wo man wieder ehrlich sein fann. Du darfst Dich darauf verlassen, es kommt die Zeit, da ich solcher Mittel nicht mehr bedarf."
Sie sah zur Seite und schwieg.
,, Sage, was Du denkst ich bitte Dich darum!" Sie wandte sich ihm wieder voll zu.
" Ich habe ein solches Mitleid mit Dir. Wie mußt Du gelitten haben, wenn Du zu so verzweifelten Mitteln greifen fonntest!"
Ist das, was ich getan habe, wirklich so schlimm?" brachte er erstaunt hervor.
,, Du hast eine Scheu vor einem unreinen Stragen," sagte sie, und ich vor nichts mehr, als vor einer unreinen Handlung."
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„ Liebe Seele es ist ein ungleicher Kampf, in dem ich stehe. Ich kann und will nicht zugrunde gehen- ich muß empor. Und Du mußt mir helfen!"
Wenn ich es nur könnte, Friedrich!"
Es war das erste Mal, daß sie ihn bei seinem Vornamen nannte.
"
Du fannst es!" erwiderte er in tiefer Zärtlichkeit. Langsam erhoben sie sich.
Draußen hing sie sich schwer in seinen Arm. Und eng
zu
Leim friechen werden."
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Mit einem unglaublichen Aufwand von Energie hatte man es dann in der Tat durchgesetzt, daß eine Handvoll Leute etwa sieben oder acht an der Zahl zu arbeiten anfingen. Die Ausschachtungen begannen. Um das ganze Terrain Buchstaben die Worte gemalt waren:" Shakespeare- Theater". aber war ein großer Zaun gezogen, auf dem mit riesengroßen Reuten imponiert," hatte Steinert zu Keßler gesagt. Wir müssen für ein Aushängeschild sorgen, das den ,, Shakespeare- Theater! Wie das klingt!" Und noch einmal wiederholte er mit tiefer, feierlicher Stimme:„ ShakespeareTheater!" Seine kleine Gestalt wuchs bei diesen Worten, und sein faltiges und verkümmertes Gesicht, auf dem die Sorgen eines ganzen Lebens eingezeichnet waren, bekam einen sonder baren Glanz.
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Keßler betrachtete ihn verwundert von der Seite. Der Mensch hatte in diesem Augenblick für ihn etwas Tragikomisches und doch zugleich etwas, das jeden Spott niederzwang.. ,, Ueber diesen Namen könnte man einen tiefsinnigen Theaterprolog dichten und ich werde ihn dichten- verlassen Sie sich darauf, Baumeister! ShakespeareTheater!... Shakespeare- Theater! Das klingt und singt mir in den Ohren wie eine Melodie, aus der Ewigkeit geschöpft," fügte er entzückt hinzu. ,, Nomen est omen!" Und sich noch mehr in die Höhe reckend, berauscht von seinen eigenen Worten, sagte er:„ Darüber sind wir uns doch einig, Baumeister, daß Shakespeare und die Bibel zusammengehören. Das sind die großen Ströme, aus denen die Menschheit getrunken hat."
Und als er auf der Miene Keßlers, den dieser Redefluß ängstigte, fein Verständnis zu entdecken vermochte, lächelte er mitleidig. In dieser Stunde dünkte er sich hoch erhaben über seinen Baumeister.
" Ihr Baumenschen verliert den großen Ueberblick," sagte er ein wenig ironisch." Ihr seht nur Steine, Lehm und Mauern... aber Steine, Lehm und Mauern sind erst die Materic! Und was ist die Materie ohne den Geist!"
Keßler wurde nun doch unruhig. Er brauchte einen nüchternen Geschäftsmann, der mit kühlem Blick Menschen und Verhältnisse übersah und dieser da spielte sich auf einmal als Ideologe auf als Schwärmer und Phantast. Diese Reden und Ausbrüche- diese Gesten und Gebärden hatten