Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 30.
30]
Freitag, den 10. Februar.
( Nachdrud verboten.)
Der Baumeister.
Steinert verbeugte sich. Uebrigens, lieber Herr Baumeister," richtete Frenzel wieder an Keßler das Wort, es würde mir ein besonderes Vergnügen sein, wenn Sie mir auch in meiner Privathäuslichfeit die Ehre Ihres Besuches
Wenn Sie gestatten, gern."
"
Wer ist denn übrigens der Herr in Uniform?" Ein gewisser Freitag."
Auch Aktionär?"
" Sa!"
Sieht eigentümlich aus."
1905
Wenn Keßler zu Ende geredet hatte, betrat Steinert das Podium und entwickelte das Kunstprogramm.
Er versprach das Blaue vom Himmel herunter. Seine Spekulation, den Leuten den Mund wässerig zu machen, damit sie sich stießen und drängten, wenn die erste Abonnementseinladung erlassen würde, leuchtete Seßler ein. allmählich in einen solchen Rausch, daß sie an ihre Lügen felsenSo logen sie beide förmlich um die Wette und gerieten fest glaubten.
Keßlers bemächtigte sich ein Glücksgefühl, das jede nüchterne Erwägung ausschloß. Er sagte sich im stillen: Niemals ist ein Theater auf solche Weise gebaut worden wie dieses; der Grund und Boden ist nicht bezahlt worden, die Steine find wir schuldig geblieben, den Lohn für die Arbeiter haben wir geliehen, ich selbst besite keinen Pfennig und habe Schulden, wie sie ein verfrachter Edelmann nicht höher haben kann. Und
" it auch ein eigentümlicher Kauz," entgegnete Seßler. mun, dachte er weiter, fäme es nur darauf an, daß der Bau so Der Mann führt einen Prozeß um Millionen."
"
Hm sehr interessant!"
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Frenzel sekte seinen goldenen Kneifer auf und fixierte genau Herrn Freitag.
Ueber die Sache sprechen wir noch einmal privatim," warf Steinert dazwischen.
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,, Gern Millionen interessieren einen immer." Er Tachte und ließ mit einer geschickten Bewegung den Kneifer von der Nase fallen.
Entschuldigen Sie mich einen Augenblick," sagte Reßler. Unbemerkt verließ er rasch den Saal. Er hatte sich genügend mit Feststimmung geladen. Seine Sehnsucht drängte
ihn fort.
Draußen stand der Wagen-hastig sprang er hinein. Fahren Sie zu, Kutscher so schnell die Pferde laufen können! Jede Minute ist mir kostbar!"
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Der Kutscher hieb auf die Tiere ein der Wagen jagte davon.
Seßler hatte sich in die Polster zurückgelehnt. Er schloß die Augen und dachte an Grete Anders...
Einundzwanzigstes Kapitel.
Es schien, als ob unsichtbare Kräfte mit im Spiele wären, wenn man sah, mit welcher Geschwindigkeit der Bau in die Höhe stieg.
zwingend, so überwältigend schön würde, um den Erfolg zut sichern und all die ungeheuerlichen Manipulationen zu rechtfertigen, zu denen er sich in seiner Notlage hatte hinreißen lassen.
Er wollte jetzt feine Gewissensfragen an sich stellen oder durch sorgenvolle Vorstellungen sich selber hemmen und lähmen. Sein Bau würde, selbst wenn er für seine Person zugrunde ginge, für sein Tum die beste Rechtfertigung bedeuten. Nur feinen Sparrücksichten nachgeben! Nur nicht durch kleinliche Bedenken das Schönheitsbild, das er bis in jede Einzelheit deutlich sah und sich geformt hatte, trüben oder gar auflösen! Vor allen Dingen wollte er beweisen, daß er von anderem Schlage war wie diese Handwerker und Pfuscher, welche die großen Aufträge erhielten und trotz der reichsten Mittel den schlimmsten Kitsch zuwege brachten.
Und niemand glaubte stärker an ihn als Grete Anders, die ihn in seiner Zuversicht kräftigte und allen seinen Phantasien neue Nahrung zutrug, wenn sie mit schimmernden, glänzenden Augen ihm zuhörte. Sie war wie gewandelt und lebte nur in seinen Träumen und Vorstellungen. Kam er müde und erschöpft von der Arbeit, so hellte sich seine Wiene auf, wenn er nur über die Schwelle seiner Wohnung trat.
Es kam ein stolzes Herrengefühl über ihn. Er besuchte die Ateliers der ersten Maler und Bildhauer, und jedesmal war er entzückt und berauscht, wie schnell er sich mit den Künstlern verständigte, wie sie auf seine Ideen und Anregungen eingingen und seine Intentionen begriffen. Er führte in dieser Zeit große Worte im Munde, sprach von der Vereinigung aller Künste und fühlte in sich ungeahnte Entwickelungsmöglichkeiten. Dies Theater sollte erst ein Anfang für das sein, was er noch leisten wollte. Er war jung und fühlte einen Ueberschuß an Straft in sich. Das Schicksal brauchte Steinert fonnte stundenlang auf seinem Balkon stehen ihm nur ein wenig günstig zu sein, die Welt nur ganz bescheiden und dem Werke zuschauen, das unter seinen Augen wuchs. Er auf seine Pläne einzugehen- und er würde, getragen von dem bombardierte die Zeitungen mit immer neuen Nachrichten, be- Erfolg, innerlich wachsend, Werk auf Werk vor den staunenden gann in ungezählten Notizen langsam das Programm des Blicken der Menschheit folgen lassen. neuen Theaters anzudeuten, und gemeinsam mit Keßler wurde er nicht müde, in Versammlungen und Vereinen für den Kunst tempel der Zukunft Propaganda zu machen. Bezirks- und Fachbereine, Haus- und Grundbesigergemeinschaften wurden abgeklappert, und die Leute, von der Neugierde gelockt, aus der Werkstatt des Theaters und noch dazu eines werdenden Theaters die intimsten Dinge zu hören, fasziniert von der eleganten und glänzenden Erscheinung Keßlers, lauschten angespannt und mit verhaltenem Atem, wenn der Baumeister von dem Seidenbrokat sprach und von der Fülle echter Spitzen, die er nach jahrelangem Suchen in alten Klöstern aufgestöbert hatte. Er wollte keinen gemalten Vorhang. Bevor noch die Szene gezeigt wurde, sollte die Phantasie des Zuschauers durch das Kostbarste, was auf Erden existierte, angeregt werden. Dann erzählte er, durch seine eigenen Worte berauscht, von den wunderbaren neuen Beleuchtungseffekten, die diese Bühne zeigen würde. Aber auch der Zuschauer und zumal der veibliche Teil der Zuschauer würde von den Lichtwirkungen, die er entdeckt hatte, seinen Nutzen haben. Durch die farbigen, in den Logen und Rängen angebrachten Glühlampen sollte der Teint der Damen in die zarteste und Stimmungsvollste Beleuchtung gebracht werden. Die in den Foyers aufgestellten Kunstwerke sollten dem Auge des Zuschauers während der Pausen wohltun.
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Aber in die hellste Begeisterung geriet Reßler, wenn er in seinem Vortrage auf die gotischen Fensterverglasungen zu sprechen kam, die aus uralten Kirchen stammten.
Den Hörern wurde schwindlig im Kopfe von all den Wundern, die ihnen verheißen wurden.
Er, der arme Junge, der sich nur in den billigsten Studentenkneipen durchgegessen und in kahlen Wänden ge haust hatte, empfand mit innerem Wohlbehagen den Lurus, der ihn umgab.
Aber alles das bekam erst für ihn Reiz und stillen Zauber durch ihre leise, ordnende Hand, durch ihre Anmut und Zärtlichkeit. Sie war ein Wesen, das in seiner Liebe keine Sparfamkeit kannte, fich rückhaltlos und mit einer Leidenschaft gab, die, je weniger Lautes sie hatte, um so tiefer und reiner gestimmt war.
Sie schmückte sich für ihn, wenn er zur gemeinsamen Mahlzeit heimkam, und weil sie den gleichen Schönheitsfinn hatte wie er, so schuf sie ihm eine Häuslichkeit, in der alles harmonisch abgestimmt war und doch gleichzeitig ihre reiche und schlichte Persönlichkeit widerspiegelte. Mochte er verstimmt oder verärgert sein, sie wußte ihn aufzuheitern und jeden Mißmut vergessen zu machen.
Er begriff die Veränderung nicht, die mit ihr vorgegangen war, und zuweilen zerbrach er sich darüber den Kopf, wieso sie, die doch von Haus aus eine schwere Natur war und als solche vom ersten Tage an sich ihm offenbart hatte, in der ganzen Folgezeit niemals mit sorgenvollen Mahnungen und Vor