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würfen an ihn herangetreten war. Auch erfuhr er von ihr durch keine Silbe, wie sie es möglich machte, zu jeder Zeit und Stunde von den Ihrigen loszukommen und bei ihm zu sein.
Sie tat, als ob das selbstverständlich wäre und der ganze Swed ihrer Eristenz darin bestünde, ihm Wohlbehagen 31 schaffen. Er erkannte, wie sie sich ihm restlos hingab, und grübelte darüber nach, welches eigentlich der Kern ihres Wesens sei; denn das stand doch fest, daß sie ihm anfangs wie ein schwerer Pflichtmensch erschienen war, während sie jetzt mit einem beherzten, wundervollen und starken Leichtsinn jede ernstere Erwägung mied und nur das tat, was ihn bereichern und glücklich stimmen konnte.
Es tamen dann beängstigende Augenblicke, wo ihn die Furcht überfiel, dies schattenlose Glück könnte ihm plötzlich und früher, als er es ahnte, vernichtet werden. Und weil er ein grüblerischer Mensch war, der die Dinge in ihrer Einfalt nicht zu genießen vermochte, so forschte er nach Erklärungen, Gründen und Ursachen, weshalb und warum sie ihm jetzt eine andere Seele zeigte als früher.
Sie sah ihn groß und liebend an und begriff, daß er sie nicht verstand.
( Fortsetzung folgt.)]
Menzel.
Adolf Menzel ist Donnerstag früh kurz nach 7 Uhr gestorben.
In München sah ich Menzel das letzte Mal. Ich konnte ihn da eine ganze Zeitlang beobachten. Er stand auf dem großen, weiten Platz vor der Theatiner Hoftiche. Ringsum lauter hohe, ftattliche Gebäude von wirklich imposantem Aussehen und vor ihnen diese Heine Figur, unansehnlich und puzzig.
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Er rief einen Droschkentutscher; der beachtete ihn aber gar nicht. Da rief er vor Aerger so gewaltig, daß der Kutscher eine bayrisch umfängliche und schwerfällige Erscheinung ordentlich zusammenschrat und sich langsam nach dem Schreier umwandte. Der Kleine Menzel war schon schwach, und der Kutscher mußte ihn hineinheben, es bedurfte einiger Zeit, eh er verstand, was Menzel wollte, dann stieg er gewichtig hinunter von seinem Bock, bersah dies Amt und kletterte topfschüttelnd wieder auf seine Höhe. Sobiel hatte er heraus ,, es mußte etwas Besonderes sein!" Drüben, überm Damm, hielt der Wagen wieder, und wieder Hletterte der Bajuvare herab von seinem Thron und half Menzel heraus. Dort, vor den Arkaden, befindet sich nämlich, wie jeder weiß, der München kennt, eine Obstbude. Hinter ihr dehnen sich die schönen Hofgarten- Anlagen und linte, vor der Feldherrnhalle , laufen die Tauben geschäftig am Boden hin und her und piden die Körner auf.
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Dort stand er nun vor der Bude und bepickte ebenso mit dem Zeigefinger der linken Hand- er hatte recht einfache, graue, baumwollene Handschuhe an jede einzelne Frucht. Er konnte sie nicht weich genug friegen, und die Frau, die des allseitigen Bepidens ihrer Früchte nicht froh war, wollte schon energischen Einspruch erheben. Aber auch auf sie wirkte die von der merkwürdigen fleinen Gestalt ausstrahlende Energie. In München verschafft einem die Originalität noch Ansehen. Wer verrüdt ausschaut, ist halt ein Maler, ein Künschtler, und dem wird dort manches verziehen. Und als sie merkte, daß er ein guter Käufer zu werden versprach, ließ fie sich alles gefallen und machte Menzel, der sich durch nichts hatte irre machen laffen, der die Frau ruhig wütend werden ließ und lange und sachgemäß jede einzelne Frucht prüfte, besonders noch auf die schon etwas angefaulten, mußigen Aepfel aufmerksam. Die waren ihm weich genug, und er ließ sich zwei große Tüten voll geben, die er unter den Arm nahm, sorgfältig- und dann schob er wieder in seinen Wagen hinein.
Ein Wort war faum dabei gesprochen worden. Und Obstfrauen find doch meist nicht wortfarg. Aber ihr Redeschwall hatte sich gelegt und sie ließ den fleinen Mann gewähren.
Er hatte eine zähe, nicht nachlaffende Energie, die den Widerstand des anderen gar nicht beachtete. So wie hier hatte er wohl überall seinen Willen durchgesetzt, im Leben wie in der Kunst. Es war die Entschädigung, die ihm die Natur mitgegeben. Denn ohne Kampf und Entsagung wird es bei ihm, der von der Natur so stiefmütterlich bedacht war, nicht abgegangen sein.
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Menzel wurde am 8. Dezember 1815 zu Breslau geboren. 1880 ficdelte fein Vater mit ihm nach Berlin über. Der Vater besaß eine lithographische Anstalt. Von hier begann Menzels fünstlerische Laufbahn. Er zeichnete in Stein. Wie überall, bildete er auch in dieser Technik ohne eigentlichen Unterricht sich selbst weiter. Wieder ein Beweis für die Tatsache, daß die Begabung sich ihren Weg sucht, und eine Akademie oder ähnliche staatliche Kunst Lehranstalten nur den Schwächlingen zum Dasein verhilft, die ohne fie im Dunkeln tappten, indem sie ihnen zu einem ephemeren Scheinbasein verhilft, ihnen Mittel und Wege zeigt, wie man, ohne innerlich berufen zu sein, Kunst" machen kann.
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Wir stoßen in der Lebensgeschichte unserer großen bedeutenden Maler fast immer auf den Punkt, wo sie sich nach langem Kampf, nach langer Ueberlegung frei machen von den Fesseln der staatlichen Kunstanstalt und gegen die Akademie, abseits von ihr sich ausbilden. und Menzel bildete sich von Grund aus durch sich selber aus. Bu Menzels Zeiten gab es Gott sei dank noch keine Akademie, Sein erstes Werk stammt vom Jahre 1833. Es war betitelt: Künstlers Erdenwallen ", ist eine Folge von 6 lithographischen Blättern, die ihn in der Deffentlichkeit vorteilhaft bekannt machten. In humoristischer und ernster Weise wird da in markanten Situationen der Entwickelungsgang des Künstlers geschildert, der mit allerlei Fährlichkeiten und Not zu kämpfen hat. Schon früh beginnt die Feindseligkeit der Welt. Das erste Blatt zeigt es: es ist ei m die Preiserteilung besteht in Prügeln; faum entschlüpft der betitelt und trägt die Unterschrift: Erstes Aufbliken des Genies, Schmetterling der Puppe und regt die Schwingen zu eigenem Flug, so bedroht ihn die Fangklappe." Ins Prosaische übertragen heißt das: Der Sohn, ein etwa 4-5jähriger Bengel, hat auf den Boden Figuren gezeichnet und bekommt dafür von dem erzürnten Water, der natürlich die Gaben des Sohnes nicht anerkennt, den Rohrstock zu foften. Schon sind ihm die Hosen gelockert und er wird noch einmal vor den Ort seiner Tat gezerrt, wo der Vater erbost auf die Schmiererei" deutet, die den Jungen steif und komisch anblidt; es find kindliche Versuche, ein Kreis als Kopf, zwei Punkte die Augen, ein länglicher Sack als Bauch, darunter zwei Stelzen die Beine, und rechts und links zwei Streichholzarme mit gespreizten Fingern. Der Junge aber mag fie gar nicht mehr und hält sich die Hand vor die Augen, aus denen die Tränen laufen, Tränen der Wut, denn er zerrt mit aller Kraft dagegen und will sich nicht vor seinem Kunstwert", auf das er im Geheimen doch stolz ist, so schnöde blamieren lassen. In der Sofaecke schnurrt unterdessen behaglich eine Rake, die sich erstaunt ein wenig aufrichtet, um das Schauspiel in Ruhe genießen zu können.
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Nachdem Menzel Szenen aus der preußischen Geschichte ebents falls in Stein gezeichnet hatte, versuchte er sich 1835 als Delmaler. Auch hier war er vollkommen Autodidakt. Mit seinem dritten Bilde( 1837): die Rechtskonsultation, errang er einen Erfolg.
Weiteren Versuchen in dieser Richtung wurde er vorläufig ents zogen durch einen Auftrag, der ihn wieder einer anderen Technik zuführte, der Holzschneidekunst. Horace Vernet hatte die Geschichte Napoleons illustriert. Ein Verleger plante ein Werk in gleicher Weise über Friedrich II. von Preußen. Der Historiker Kugler schrieb die Geschichte Friedrichs des Großen". Kugler selbst schlug Menzel als Illustrator vor, und so begleitete der Künstler den Text, der die ganze Zeit behandelte, mit seinem Bilderschmuck. 4 Jahre, 1838-42, arbeitete er daran und lieferte in dieser Frist 400 Blätter, die allein schon als Erzeugnisse der Holzschneidekunst Menzel zog fich feine eigene Schule von Holzschneidern heran, er überwachte das Kleinste von historischer Bedeutung sind. In diesen Blättern legte er Zeugnis ab sowohl von seiner eingehenden Kenntnis, als auch von der freien und nie erlahmenden Schaffenskraft, mit der er das Gelernte in Geschautes umsetzte.
In den folgenden sechs Jahren entwarf er im Auftrage Friedrich Wilhelms IV. 200 Zeichnungen( Holzschnitt) zu einer großen Ausgabe der Werke Friedrichs II. Weiterhin, bis 1857, arbeitete er an 600 Federzeichnungen auf Stein, in denen er die Armee Friedrichs II. nachbildete. Diese Sammlung ist nur in 30 Erem plaren gedruckt worden.
Diese Aufträge führten Menzel also notgedrungen aufs historische Gebiet, dessen er sich in seiner Gründlichkeit so energisch bemächtigte, daß ihm in genauefter Kenntnis des Details dieser fremden Zeit wohl kaum einer über war. Er füllte das trockene Studium mit lebendiger Anschauung aus. Dennoch, nachdem er noch eine Reihe Kleinerer Aufträge erledigt hatte, reizte es ihn, diese selbe Zeit zum Gegenstand malerischer Darstellung zu machen. Der Gegenstand war für ihn nur das Mittel, das es künstlerisch zu beleben galt. Denn es lebten in ihm allerlei neue Ideen, die ausschließlich malerisch" waren und die ihn weit weg führten, von der üblichen, schablonenhaften Geschichtsmalerei, die den Inhalt für die Form nehmen und vom äußerlichen Kostüm sich genügen lassen. Es ist das Große an Menzel, daß er, der wahrlich mit dem Stofflichen sich über und über hatte belasten müssen, sich daran nicht genügen ließ. sondern darüber hinaus noch genug Spannkraft und Phantasie be faß, um nach mehr, nach den rein künstlerischen Problemen zu streben. Er erfüllte lange vorher, was May Klinger in seiner Broschüre Malerei und Beichnung" untersucht und auseinandersetzt, er respet tierte die Grenzen, ohne sie zu kennen, instinktiv. Er erzählte und fabulierte in seinen Holzschnitten und Lithographien, und im Delbild strebte er zu rein malerischer Wirkung.
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Von diesen Bildern sind zwei hertoragende Stüde in der Ber liner Nationalgalerie: Die Tafelrunde Friedrichs des Großen in Sanssouci "( 1850) und„ Das Abendkonzert"( 1852). In Breslau , Weimar , im Berliner Palais sind noch andere Bilder aus dieser Zeit, die alle in dem Einen übereinstimmen, daß sie das malerische Moment mit Bewußtsein in den Vordergrund schieben. Menzel ers reicht hier eine Wärme, eine Intimität des Kolorits, ein Flimmern des Lichts, eine Räumlichkeit der Atmosphäre, die in der damaligen Zeit umerhört war und noch jetzt uneingeschränkte Bewunderung abnötigt. Und die Zeichnung dieser Köpfe, der Ausdrud, die Bewegung der ganzen Körper ist so geistreich und leicht, daß man an pariferische Anmut denkt.