mit aller Fülle gegenständlichen Details zu geben. Wo sind all die Tische, die Bänke, die Stühle? Sie fehlen. Die süddeutsche Bauern- kunst überlasse man den dortigen Museen, dem germanischen Museum in Nürnberg , dem Nationalmuseum in München , die mit Recht sich über diese mangelhaste Vertretung in Berlin lustig machen würden, da sie über eine Fülle von Material verfügen, von der hier nichts zu sehen ist. Ja, es wäre vielleicht das Beste gewesen, man hätte sich nur auf die nächsten Kreise beschränkt, auf die Mark, den Spreewald, und diese ganz vor uns erstehen lassen, statt durch eine willkürliche Auswahl den Schein einer Vollständigkeit vorzutäuschen, der doch nur dem Uneingeweihten imponiert. Mir scheint, da wäre tatsächlich eine Aufgabe zu erfüllen gewesen, denn überall im Deutschen Reiche ist man dabei, die alten Vorbilder auszunutzen, ihren Wert weiterbildend zu erhalten, und die Bauernkunst ist überall in hohem Ansehen. Nur die Mark gilt immer noch als Stiefkind und wird von Kunsthistorikern nicht allzu höflich be- handelt. Freilich ist es ein karges Land, und die Mark kann nicht so prunken wie die reichen Vierländer. Dennoch hat auch sie ihre Motive, ihre Reize, ihre Schönheiten, und dieses Vorurteil zu brechen und den Leuten zu zeigen: seht einmal, was ihr im eigenen Lande habt, es ist nicht so aufdringlich, aber es ist doch da. holt es heraus — das wäre eine schöne Aufgabe gewesen, deren Erfüllung von der einsichtigen und voraussehenden Intelligenz der Leitung ein voll- wichtiges Zeugnis abgelegt hätte.— — Sie lernen k Der.Frankfurter Zeitung ' wird geschrieben: Trotz der unbedeutenden Anzahl von Japanern, welche den Russen in die Hände gefallen sind— es find 65 Offiziere und 382 Mann— hat man es nötig gefunden, sie ganz erstaunlich weit von ihrer Heimat, und zwar im Gouvernement Nowgorod zu internieren. Hier, im schneeverwehten Dorfe Medwiedj, was beiläufig zu Deutsch „der Bär' bedeutet, sind die Söhne des Landes der aufgehenden Sonne einquartiert und erwarten mit Ungeduld die Stunde der Be- freiung. Denn ein Capua ist das Nowgorodsche Walddorf sicherlich nicht und selbst die Russen scheuen die Strapazen einer Reise in dieses abgelegene Rest, wo sich heute die Füchse gute Nacht sagen, wo aber ehemals eine der berüchtigten Militärkolonien des Grafen Araktschejew geblüht hat.— Kommt da neulich ein Korrespondent der Petersburger„Rowoje Wrcmja' in dieses Nowgorodsche Kleinjapau— denn der Ort soll schon ganz japanisch aus- sehen, dank den vielen Papierlaterncn und künstlichen Chrysanthemums in den Fenstern— und läßt sich in die Kaserne der Kriegsgefangenen führen. Dort sitzt alles steistig über der Arbeit zusammengebückt und keiner hebt den Kopf auf um den fremden Ankömmling zu nmstern. „Was machen denn die Leute?" fragt der Korrespondent den ihn begleitenden russischen Soldaten. „Sie lernen. Euer Gnaden! Die einen die englische, die andern die französische, die Mehrzahl aber die russische Sprache." „Ich muß gestehen", ruft der Korrespondent der„Nowoje Wremja" aus,.ein solches Bild des Fleißes habe ich noch nie gesehen. Das ganze Haus lernte. Ueberall saßen zusmmnengekauerte Gestalten und ochsten in Lehrbüchern. Einen ganz besonderen Eifer bezeugten diejenigen, welche die russische Sprache erlernten. Diese— immer ein ganzes Häuflein mit ein- ander— klebten wie Fliegen am Tische und summten auch wie ein Fliegenschwarm über einem zersausten Lehrbuche. Ich sah mir das Titelblatt an. Es war ein vorsintflutlicher Leitfaden, mit dessen Hülfe nicht mal ein Russe etwas erlerne» könnte, geschweige denn ein Japaner. Aber die fleißigen Fliegen ließen sich's nicht vcr- drießen. Ich war zum Beispiel Zeuge dessen, wie sie eine kleine Erzählung in mehrere Abschnitte unter einander ver- teilten und dann die Bedeutung der einzelnen Worte aus ihren handschriftlichen Wörterbüchern. die ihnen noch im Kriege gedient hatten, herausfischten. Jeder suchte die Bedeutung der ihm zugeteilten Worte; das geftmdene wurde, so gut es eben anging, zufammengefleistert und als Resultat erhielt man einen in Wahrheit ungeheuerlichen Sinn. Freilich wurde im gemeinschast- lichen Konzilium eine derartige Uebersetzung vertvorfen und aber- nmls begann die Sisyphusarbeit, bis schließlich der erste freundliche Strahl der Wahrheit das Gewölk der Unwissenheit durchbrach. Und so arbeiteten alle, der eine an diesem Stück, der andere an jenen,. Ans dem Fensterbrett, die Füße unter sich zusammengeschlagen, saß ein schlitzäugiger Husar, ganz wie bei sich zu Hause in Dokohama. Mit dem Kopfe nickend, ochste er die kuriosen russischen Vokabeln.... Fürwahr, ein merkwürdiges, nie zuvor gesehenes Bild!" — Islands Tierwelt. Einem Artikel von F. Kuntze über „Island am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts", der im letzten Hefte der.Grenzboten" erschienen ist, sei das Nachfolgende ent- nommen. Wie die Flora, ist auch die Welt der Säugetiere arm. Von den einheimischen Säugetieren ist am zahlreichsten vertreten der Polarfuchs. Eisbären kommen zuweilen mit den, Treibeise von Grönland herüber und zeigen sich an der Rordküste der Insel, das Renntier aber, das sich nidelweise im Binnenlande aufhält, ist erst im Jahre 1770 eingeführt. Eingeführt find auch— und zwar schon größtenteils von den ersten Ansiedlern— die europäischen Haussiere: das Pferd, das Rind, da§ Schaf, der Hund, die Katze; aber da? wackere Borstensier, das schon den homerischen Helden die erquickende Speise bot, und dessen Fleisch in Europa wenigstens den Grundstock aller Fleisch- Nahrung bildet, das Schwein, sucht man auf Island vergebens. Daß es einst auf der Insel wie die anderen Haustiere ansässig war, beweisen zahlreiche Ortsnamen wie Svknadalr tSchweinetal), Svkneh< Schweine- insel), Svlnavatn sSchweinewasser) usw., und einer der norivegischen Einwanderer, Helgi der Magere, soll bei seiner Laudung ein Schweinepärchen ausgesetzt haben, dessen Nachkommenschaft in drei Jahren bis auf die hübsche Anzahl von siebzig Stück angclvachsen war. Nun hat der Isländer längst nnt der Schweine- zucht gebrochen; allem Anschein nach infolge der durch die Mtur peZ Landes veranlassten stetigen Zunahme des Schafviehes, für dessen Fleisch und Mich es keinen anderen Abnehmer gab als den Magen der Eigentümer. Noch jetzt ist im Haushalt des isländischen Bauern außer der Milch das Hammelfleisch, frisch und gedörrt, das wichttgste Nahrungsmittel. Weit zahlreicher und mannigfaltiger als die Säugesiere ist die Schar der gefiederten Bewohner von Lust und Wasser. Man zählt auf Island über hundert Vogelarten, darunter das vielbegehrte Schnee- huhn und alle die mehr oder minder bekannten Arten der See- und Schwimmvögel, wie Möwen, Enten, Schwäne, Sturmvögel usw., die massenhaft auf den Klippen und den Vogelbergen nisten. Von den Raubvögeln sei der isländische Falke genannt, der früher als trefflicher Jäger hoch geschätzt war. Ein weißer Falke auf blauem Grunde ist das Wahrzeichen des eben erst eingeführten isländischen Wappens. Aber dem Menschen weitaus am nützlichsten ist die Eidergans. Dieser gefällige Vogel baut sein Nest in der Nähe der menschlichen Wohnungen, ja auf diesen selbst. Auf jede Weise sucht man ihn herbeizulocken, oft durch Aushängen von Schellen und bunten Lappen, da er, wie es scheint. einen lebhasten Sinn für Töne und Farben hat. Dagegen fehlt die beliebte Verwandte der Eidergans, die bekannte Retterin des Kapitals, gänzlich mif Island . Dem ehrwürdigen Marlinsvogel ist es ergangen wie dem Eber des Freyr und seiner Sippe. Daß die Nordländer die Gans hochhielten wie die anderen Germanen, ist hin- länglich bezeugt. Ms Gudrun— so erzählt die Edda — zuerst das • Antlitz des toten Sigurd erblickte, begann sie so laut zu klagen, daß die Gänse draußen im Grasgarten es hörten und laut mlflreischten. Später aber schien es dem Isländer offenbar vorteilhafter, Strand- Vögel zu fange» und ihre Eier zu nehmen, als mit teurem Futter Gänse zu mästen. So verlor sich die Gans und mit ihr auch die Ente. Auch die Hühnerzucht scheint erst in den letzten Jahrzehnten wieder aufgenommen worden zu sein.— Musik. — Opernhaus. Der alte Sagcngeist des RicsengebirgeS. Rübezahl, vereinigt in seinen Erscheinungen so innig das Tämonischs und das ganz irdisch Menschliche, daß wohl jeder Künstler an ihn» alz Objekt seine helle Freude haben kann. Der Komponist H a n S Sommer hat sich dies in seiner neuen Oper„Rübezahl und der Sackpfeifer von Neiße" geschickt zunutze gemacht. In» frühen Mittelalter sitzt in der Stadt Neiße als Vogt Herr Buk», der die Bürger kreuz und quer quält. Natürlich hat er ein Pflege, kind Gertrud, die dem Anführer der Oppositton hold gesinnt ist. Dieser, der Maler Wido, ruft in seiner Not den Berggeist, und der erscheint ihm erst in seiner bekannten Rütezabl-Gestalt, dann als Sackpfcifer. Nicht die direkte Hülfe für Wido ist ihm die Hauptsache. sondern eine indirekte Hülfe: den verschiedenen Menschlein zu zeigen, wie klein ihre Sorgcy,„vielleicht ein bisse! Tod", gegenüber größerer« Tingen sind. Bukos Haus soll gestürmt werden; da lockt der Sack- Pfeifer die Stürmenden im lustigen Tanze hinter sich her. Der Ein- ladung Bukos, zu ihm zu kommen, folgt er mit durchdringendem Ucbermut, läßt sich gefangen nehmen und tut sogar so, als ob eu stürbe. Wido wird von den Soldaten Bukos verfolgt, gerät auf den Kirchhof, fällt da in die Hand Bukos, wird aber in Konsequenz eines gewaltigen Totentanzes, der mit einer Rede Rübezahls schließt, seiner Gertrud wiedergegeben. Die Dichtung ist von Eberhard König. Aus der abge» kürzten Erzählung, die wir uns erlauben mußten, ist natürlich ihr tieferer Wert nicht zu erkennen. Sie besitzt einen solchen nicht nur durch ihre dramatische Bündigkeit, die allerdings gegen Schluß ein wenig zum Ueberbrettl hinweist, sondern auch durch eine poetisch tiefgreifende, unmerkliche, in künstlerische Form ausgeloste Tendenz. Zu Wido sagt Gertrud:„Die Welt geht ihre» tollen Gang auch ohna dichl Geh du den deinen I" Und Rübezahl wiederholt dies, nun daß er statt von der Welt vielmehr von der Zeit spricht. Hans Sommer ist— man verzeihe das nicht gleichgültige Paradoxon— längst als ein Unbekannter bekmnt. Seine Lieder gehören zu den wertvollsten Stücken der lyrischen Musiklitcratur, allerdings mit einer merklichen Nuance des Harmlosen, doch ohne daß es gerechtfertigt wäre, sie an Konzertabenden so zu vcrnach- lässigen, wie es gewöhnlich geschieht. Mehrfache Bühncnspiele und dergleichen liegen von ihm ebenfalls vor. Sein Westerschreitcn zum Gebiete der großen Oper hat nun eben seine.Künstlerschast nicht um» gewandelt. Ein Werk von Macht ist cS nicht, was wir diesmal vor uns haben, wohl aber eine an Charakteristik und feiner Kleinkunst wohlgelungcne Schöpfung. Die Dämonit des Berggeistes, ein- schließlich der volkstümlichen Art seiner Sackpseifcr- Gestalt, ist dem Komponisten tatsächlich gelungen. Das Orchester verhält sich im besten Sinne des Wortes dienend: mit vornehmer Auswahl benutzt der Komponist die Instrumente, daß sie die Situation und den Gesanz tragen. Gut gesanglich ist das Werk überhaupt. Dramatisch ist es insofern, als es sich nicht aus einzelnen Stückchen zusammensetzt, sondern einen sehr geschlossenen Gang einhält. Die großen Linien
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22 (17.2.1905) 35
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