Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 42.
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Dienstag, den 28. Februar.
( Nachdrud verboten.)
Wolfgang Wilfling.
Erzählung von Nikolaus Krauß.
1. du
Er bog den Ast der Jung- Föhre zur Seite und stand vor dem Moor. Noch sah er die Becassine, um die er den Sprung über den Graben getan; nach dem Zick- Zack war sie in der steil aufschießenden Bahn..
„ Nein!"
is Die Hand fiel vom Kolben, der Förster verhoffte. Ein paar Atemzüge, dann suchten seine Augen.
1905
und dort stieß aus dem grauen, braunen Grunde etwas Fahles: Baumgerippe. Noch standen sie. Aber keine Spur von Rinde war mehr an ihnen; wenige Aststümpfe wiesen sie noch. Auf einigen saßen große Vögel, ohne sich zu rühren.
Weiter her spannen die Sonnenfäden um aufgeschichtete Torfhaufen, polierten die Flächen dunkler Wasserlöcher.
Der Förster trat vorsichtig hinaus. Vor einem ausgestochenen Biered setzte er sich auf einige Torfstücke. Das Wasser erschien ganz schwarz. Aber plötzlich glaubte er, es wimmle von Fischchen. Er neigte sich vor: fleine Blasen, wie runde Silberblättchen anzusehen, rollten mit vielen blizenden Wendungen aus der Tiefe empor, um mit leisem Glucksen an der Oberfläche zu verpuffen. Er schöpfte von dem Wasser; hell
Ins Moor einspringender Kiefernbestand deckte das Sud- gelb stand es in seiner Hand. haus. Ein mählich nach Süd- West zergehender Rauchballen wies die Stelle, an der man das Salz gewann, das die Franzensbader Moorbäder ersetzen sollte..
Wenn er das früher gewußt hätte! Auch das wäre noch versucht worden!...
InGerade gegenüber die Stöhr Mühle.
Das Gehöft verkroch sich hinter den Damm des Stauteiches, verschwamm noch mehr im flirrenden Dunst.
Auch so ein Strippenreiter! Wasser für ein paar Wochen nur im Jahr, im foten Herbst, und wenn der Schnee schmolz; im Sommer sog's der Riesenschwamm, das Moor.
Zur Linken auf leichter Lehne Felder, in wenigen Wochen fensenreif, da und dort ein grüner Streifen Kraut oder Hafer. Dann die Bauerngehölze.
Wie ein Pelz, in den die Motten gekommen. Zweitausend Schritte mochten es sein bis hinauf. Und doch glaubte er das Krähengeschrei in den Ohren zu hören.
Gleich nach Pfingsten war er drüben gewesen. Sie hatten ihn zum„ Krähenschwenken" eingeladen, und gar keine Ruhe gegeben. Und er war hingegangen, wenn auch widerwillig. Sie hatten viel Wald hier, die Bauern, und da ließ sich etwas
verdienen.
Als er kam, war die Schlächterei schon im vollen Gange. Aus dem ganzen Bezirk war alles zusammengeströmt, was eine Flinte besaß oder auftreiben konnte. Und viele Neugierige, denen hernach das Bier schmecken sollte. Und Weiber und Kinder. Zistel, Tragkörbe, Heukörbe zogen sie hinter sich her. Da hinein flogen die geschossenen jungen Krähen. Später wanderten sie alle in Tagelöhnermägen, nachdem man ihnen die Haut mit den Federn abgezogen.
So viele Saatfrähen hatte er noch nie gesehen. Ueber zwanzig Nester oft auf einer Föhre. Ueber den Wipfeln, wie eine quirlende, schwarze Wolke, die alten Vögel. Immer wieder schossen einige schreiend herab, um im Schrothagel der Bauernflinten zu enden. Gelächter, Geschrei unter und über den Kronen, das Krachen der alten Schrotbüchsen, man verstand fein eigenes Wort nicht mehr.
Weiter ging das Morden.
Vier, fünf Knechte schleppten einen Wiesbaum daher, an dem ein Bindseil schlängelte. Die glatte Stange wurde an den Kiefernstamm gelegt, ein paar Schwingungen mit dem Seil, und die Schlinge saß fest, knapp unter den Aesten. Eifrige Hände griffen zu. Ein scharfes Anziehen des Seiles, ein schnelles Nachlassen, die Krone fauste her und hin, mit einem Rud schnellten die jungen Vögel aus den Nestern. Zwanzig, dreißig Flintenläufe zugleich fuhren empor. Ein Knattern, Krachen, Brasseln: aus dem Pulverdampf regneten Federn, Blutstropfen, ganz zerschossene Vogelleichen.
Er war bald gegangen. Aasjäger, wenn nicht mehr! Aber man wußte nicht, wie und wann man sie brauchen konnte... Wie fernes Gepolter...
Ach ja!... An zwanzig Stellen wohl drangen hier Säuerlinge hervor, wilde" zumeist, deren Wasser man nicht trinken konnte. Einer kam alle fünf Minuten, wie sie sagten, mit dumpfem Murren, zu einer Säule aufsteigend und dann wieder gänzlich versiegend. Den Polterer" nannten sie ihn, und von weit und breit kamen sie, um ihn zu sehen.
"
Der Blick des Försters ging wieder geradeaus zur Mühle. Der Dunst war verronnen. Im milden Schein der absteigenden Sonne glänzten die Schindeldächer.
Das ganze Moor unter dem Walde lag im Licht.
Da
Ueber dem Moor, das weite Tal zwischen dem Wald hinauf, zur Mühle hinab, kein Laut. Aus der Tiefe aber schienen dem Förster, wie er so dasaß und auf den dunklen Wasserspiegel blickte, Stimmen zu kommen mancherlei Art. Ein Raunen und Flüstern, als ginge der Wind durch Schachtelhalme; ein Kaistern, wie von Salzkörnern, die vor Size zerspringen; ein ersterbendes Aechzen, ein halbes Gluckjen, das sich selbst einschlürft, und ein beständiges Ziehen unter dem verbrannten Rafen: Wässer, die über weißen Sand rollen, an schlagen, als stände eine harte Zementschale gegen sie. Zwischendurch das„ Poltern".
Er spürte das leise Zittern, und die Sohle des SchaftStiefels schien wechselweise einzusinken und dann wieder frei zu wippen. Der Kolben des Gewehres rieb sich an einem Halm, es knirschte.
Und der Mann begann auf den dunklen Spiegel zu starren, mählich zu träumen.
Wohl, wohl! So sah er aus... Der langschießende Vollbart noch immer braun, nur bei den Schläfen herunter Krähenfüße um die Augen. D, etwas Grau- Weißes Die Nase das linke! Kam von der Abschußjäger- Zeit!.. wie schnuppernd.. Wie sein Vater! Er mußte beinahe .. Fünflachen... Aber der war ja Schnupfer gewesen Kerngesund und doch zu einem Leben verdammt siger Ein Wort nur. wie ein Pfaff!.. Aber er hatte es gesagt. Es band. Ihn, solange er
lebte.
Da erschien ja das feine, schmale Gesicht... Unsinn! Die lachenden Augen der Margaret waren es! Der Mann sprang auf. Mit beiden Händen schob er den Hut über die Stirn zurück. Im nächsten Augenblick hätte er sich am liebsten die Augen gewischt.
War denn heute alles verhert?
Die Sonne stand vorm Sinken. Ueber dem Moor lag's wie ein feiner, bunter Schleier. Und darin flimmerte, flirrte und gliterte es, rot, blau und gelb, als stünde Regenbogen an Regenbogen; mur reiner und leuchtender waren die Farben. Im Winterwald hatte er etwas Aehnliches gesehen, droben im Gebirge; Rauhfrost war, und am Kleinsten Zweig hing ein gefrorener Tropfen.
Der farbige Hauch mußte vom Salze stammen, mit dent hier alles gesättigt war.
Einige Minuten, und faltes Licht lag wieder über dem Moor. Weit draußen hüpften einige Elstern ihre possierlichen Tänze.
Der Förster wandte sich heimwärts. Baldarbeiter. Der eine stand, hatte die mit der Haue zuAn einem angefangenen Abzugsgraben traf er zwei fammengebundene Schaufel auf der Achsel und schien auf den andern einzureden. Der saß am Rande der Böschung, ließ die nackten Beine baumeln, und gab ab und zu seinem Kopf einen abwehrenden Ruck.
Als der Förster näherkam, grüßte der eine und verschwand in den Büschen. Der Kleine blieb gleichmütig sitzen. „ Na, Bartel! Feierabend ist doch schon lange! " Freilich, Herr Förster !... Schon seit einer halben Stunde.. Haben nicht darauf vergessen... Man wird doch nicht sich und den andern die Arbeit verderben!.. Das verwuzelte, gelbe Gesicht mit dem buschigen, eis. grauen Schnurrbart, der den ganzen Mund verhing, tat un geheuer wichtig.
"