Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 52.

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Dienstag, den 14. März.

( Nachdruck verboten.)

Die schöne Andrea.

Erzählung von Karl Busse .

" Ich hab' nichts... nichts!" Schwach die Stimme und heiser; sie unterstrich das zweite Nichts" krampfhaft. Und die tiefliegenden Augen sahen voll Angst auf die des Försters.

Dem kam es vor, als wäre Andrea nicht halb mehr so schön. D, o," sagte er mur und schüttelte immer nur den Kopf. Er bedauerte ehrlich. Nun mußte es also doch die Schulzentochter sein. Schlimm aber Gottes Wille! Warum hatte der Pan Falk nicht besser gesorgt?

Und eigentlich: es war gemein, das erst jetzt zu sagen! Gemein, die Andrea so zu verwöhnen wie eine Gräfin! Sie hatte weniger noch als die Madurowicz, aber wer hätte sie den Karren ziehen und arbeiten sehen?

" Ihr werdet sie heiraten," quälte der Tischler angstvoll immer wieder.

Man war kein Unmensch. Warum einem Sterbenden Schmerzen antun? Lügen natürlich wollte man auch nicht. Für nichts und wieder nichts tut man keine Sünde.

Aber man brauchte nicht rundweg Nein zu sagen. Grausam wäre das. Also man beruhigte. Man wollte rechnen, man wollte sehen. Vielleicht ginge es. Immerhin war der Förster froh, als er wieder draußen war.

Und nun war der Pan Falk tot. Die schöne Andrea blieb einsam zurück in der Hütte nur mit ihrer Mutter und dem Esel. Die Junge bei zwei Alten.

Julian Libelt überlegte hin und her. Wenn er sie nahm drei Fresser mehr! Wenn man den Esel, die Hütte, das Tischlergerät verkaufte was war's? Ein paar Taler, die schon auf der Hochzeit von guten Freunden vertrunken wurden. Und er hieb mit dem schweren Stock den wuchernden Schoß eines Baumes ab: Adieu, Andrea!"

Morgen wollte er sich durch Laslowice schlängeln Die schöne Andrea hatte bisher immer in der Sonne ge­standen. Ihr Vater war ein betriebsamer Mann gewesen. Weil ihn die Tischlerei nicht gar zu sehr in Anspruch ge­nommen, hatte er sich den Esel Anton angeschafft. Es lohnte fich für das Dominium nicht, die Milch durch eigenes Fuhrwerk in die Stadt zu schaffen. Noch weniger für die Kleinbauern, die knapp ein paar Liter abzugeben hatten. Da kam der Tischler mit seinem Eselwagen wie gerufen. Er nahm Be stellungen mit, machte Besorgungen, und Groschen auf Groschen gab auch Geld.

So war feine Not in die Hütte gekommen, und die schöne Andrea war aufgewachsen... nun, wie eine Gräfin. Sie hatte feinere Hände als die Dörflerinnen, denn sie brauchte nicht viel anzufassen. Sie konnte sich puzen, konnte müßig gehen und brauchte den Vater nur zu streicheln, um alles zu erlangen, Nun war der Vater tot. Weinen und Wehklagen gab Weinen und Wehklagen gab es reichlich. Daß Julian Libelt sich nicht sehen ließ, empfand die schöne Andrea bitter. Selbst Bogdan Konarski war ge­tommen und hatte ihr die Hand gedrückt.

was sie wollte.

Die beiden Frauen drängten sich aneinander und wußten nicht ein, nicht aus. Im Bettstroh lagen zwar noch harte Taler. Aber Geld kostete alles, der Arzt, das Begräbnis. Und vergeblich fragten sie herum, ob einer dem Verstorbenen noch etwas schuldig wäre.

Immer näher tam die Not. Es mußte etwas geschehen. Die Dörfler lachten hinter Andrea drein, denn ihr Hochmut hatte viele gekränkt.

,, Wann kommt der Prinz?" rief einer. Grünrock, Bettelprinzeß?" ein anderer.

Suchst Du den

Bogdan Konarski machte das nicht mit. Aber leise sagte er: Nun lernt Ihr Eure Freunde kennen, Pani. Auch den grünen."

Sie wollte es nicht glauben. Sie stellte Julian Libelt im Walde. Er wand sich wie ein Wurm, redete ihr vernünftig Bu, füßte fie. Das ließ sie geschehen. Aber die Flammen tamen nicht in ihre Augen die Augen blieben tot.

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1905

Langsam ging sie zurück. Sie zuckte nur leicht, als man ihr erzählte, daß der Grünrock und die Laslowicer Schulzen­tochter sich versprochen hätten. Sie glaubte es sogar.

Mit einem Male war sie von ihrer stolzen Höhe herab­geschleudert. Zwei Tage saß sie und stierte vor sich hin. Die Mutter seufzte; Anton schrie im Stall nach Futter. Sie hörte nichts.

Dann waren ihre Lippen

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die Lippen, die so un­vergleichlich gefüßt hatten gleichsam schmaler und ge­preßter geworden. Ihren Hochmut hatte sie nicht verloren. Aber es war kein lässiger mehr wie früher, sondern ein harter. Er barg bittere Verachtung in sich.

Am dritten Tage ging sie mit diesem kalten Gesicht aufs Dominium und dann von Bauer zu Bauer. Am vierten zog sie sich wärmer an, schirrte den Esel auf, spannte ihn vor den Wagen und holte die Milchkannen.

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Alles sperrte Mund und Nase auf. Die einen lachten und höhnten; die anderen lobten. Sie kümmerte sich um beides nicht, setzte sich auf das Wägelchen auch sie mußte die Beine nach vorn ausstrecken und fuhr los. Nun können wir nicht verhungern," sagte sie zu ihrer Mutter. Bogdan Konarski traf sie auf der Chaussee. Seht, seht Kutscher seid Ihr schon, Pani." Aber nicht Pferd und Vorspann."

,, Wie Gott will," erwiderte er. Wartet erst ab."

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Auch in der Stadt jahen die Leute erstaunt auf. Al­täglich war die Sache nicht. Und die Wanderer, die das Ge­fährt auf der Chaussee trafen, guckten ihm kopfschüttelnd nach.

Anton, der Esel, zottelte seinen Weg, als wäre er eine unter. Herunter hing der Kopf. Es gab ja nichts zu sehen Maschine. Der Schwanz hing lang, gerade, gleichgültig her­Stand das Wägelchen, so starrte er unbeweglich auf einen ringsumher nichts, was Anton nicht schon gekannt hätte. Fleck vor sich hin. Kein Lärm riß ihn aus dieser tiefsinnigen Versunkenheit.

Die schöne Andrea war ihm darin gleich. Auch sie blickte Chaussee unter den Rädern schwand, sich jedoch unermeßlich immer auf einen Punkt. Sah immer hinunter, wie die graue weiter dehnte. So fahre ich durchs Leben, dachte sie- und das graue Band rollte immerzu.

daß ein harter Zug um den Mund gekommen war. Vielleicht Ihre Lippen hatten sich noch schmaler und fester gepreßt, an sie herantrauten, ob sie auch mutterseelenallein in all ihrer geschah es deshalb, daß sich die Burschen und Wanderer nicht Schönheit auf der einsamen Waldchaussee dahinfuhr. An der Seite trug sie die schwarze Ledertasche, in der das kassierte Kleinbauern und der Inspektor vom Dominium mit diesem Geld ruhte. Und da sie alles richtig besorgte, so waren die nenen weiblichen" Fuhrherrn" einverstanden und gewöhnten sich daran. Mit Macht kam uun der Winter. An einem Tage, als

eisiger Wind wehte, fuhr die schöne Andrea wieder mit den leeren Stannen nach dem Dorfe zurüd.

Sie fror. Das tat der Wind; das tat auch der Gedanke, daß heute in Laslowice Verlobung gefeiert wurde, zu der große Vorbereitungen getroffen waren. Die Braut fonnte sich freuen..

Und wie sie daran dachte, überkam sie selbst eine schwere Bitterfeit und kalte Verachtung und ein wehes Gefühl der Aber Anton war Verlassenheit. Sie sprach mit Anton. stumpf und müde. Er zottelte nur; auch er sah immer nur, wie grau, grau, grau die Chaussee unter ihm schwand.

Die Chaussee war, wie gesagt, hügelig. Als Anton mühsam wieder eine Steigung genommen hatte, erblickte die schöne Andrea dicht vor sich einen Mann. Das Felleisen ver­riet ihn als wandernden Handwerksburschen. Er ging tod müde, wie taumelnd. Als er die Räder hörte, drehte er sich um. Ein baumlanger Mensch, etwas verwildert, etwas ent­kräftet wohl auch. Als müsse er das Bild ganz genau in sich aufnehmen, starrte er das Gefährt an. Er grüßte nicht, sagte nichts.

Aber als die schöne Andrea nur ein paar Meter weiter. gefahren war, hörte sie einen seltsamen Ruf, daß sie sich schnell