DaS Kichern im Wagen wuchs zu einem Lachen. Der jungeArbeiter spitzte die Lippen, als wollte er pfeifen. Mamas Augensprühten. Ihre Arme sanken in den Schoß:„Aber das iL ja un-erhörtl... Schaffner, und da sagen Sie keinen Ton? BringenSe doch den Kerl aus'm Wagen und sorgen Se für Ruhe in deStraßenbahn!"„Aber der Mann ist ja ganz still, meine Dame!" sagte derSchaffner.„Nu stehen Sie ihm wohl auch noch bei, was? Dafür hat manIhnen'n Fröschen jejeben?" Mama raste:„Ueber Ihnen wer' ichmir ja beschweren, Sie soll'n ja was erleben! Wie is'n IhreNummer?... Na, warten Se man, hier so'n Radau zu dulden!So'n Radau darf nich sein, lassen Se mir überhaupt aussteigen,ich habe genug hier von dem Pöbel."Mit einem vernichtenden Blick auf die anderen rauschte siehinaus....„Ja, was machen Sie denn aber auch solchen Spektakel!" sagteder Mann, der vorhin Bravo! gerufen hatte, so harmlos wie möglichzu dem jungen Arbeiter. Der ganze Wagen erstickte fast in einembefreienden Hohngelächter.—— Recht-Z- und linkshändig. Der„Köln. Ztg." wird geschrieben:Noch immer ist die Frage der Rechts- und Linkshändigkeit nicht mitvollster Gewißheit entschieden. Die Annahme, daß von Natur ausder Mensch die rechte Hand bevorzuge, hat man durch anatomischeGründe zu erhärten gesucht, so, daß der rechten Hand reichlicherBült zugeführt werde als der linken, daß die die rechte Seite überKreuz regierende linke Gehirnhälfte besser ausgebildet sei, endlichdurch vorgeburtliche Vorgänge. Andere halten dagegen die Vor-Herrschaft der rechten Hand nur für eine Folge der Erziehung, dieschon dem kleinen Kinde als wichtige Lebensregel beibringe,das„schöne" Händchen zu reichen; sie berufen sich auf Lenardo daVinci und Menzel, die mit der linken Hand so geschickt waren wiemit der rechten, und empfehlen, die linke Hand nach jahrtausende-langer Vernachlässigung auf die Höhe ihrer ohne Gnind bevorzugtenSchwester zu erheben. Die erste Annahme, daß die rechte Hand schonvon der Natur bevorzugt sei, erhält durch die statistischen Unter-suchungcii den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit, selbst wenn manden zweifellos großen Einfluß der Erziehung in Betracht zieht.Nach einer im„TempS" mitgeteilten Zusammenstellung schätztW. Ongla die Zahl der Linkser in England mit il/2 Prozent, Hyrtlin Deutschland auf 2, Brinton in Amerika und Europa auf 2 bis4 Prozent; Hasse und Dehner haben in Deutschland unter5000 untersuchten Personen sogar nur 1 Prozent Linkshändergefunden. Bei wilden Völkerschaften ist das Verhältnis un-gesähr dasselbe, es scheint jedoch. daß bei ihnen mehr Menschenmit beiden Händen gleich geschickt sind; sie nähenr sich darin denAffen, die nach neueren Untersuchungen keine Hand bevorzugen.Wenn man die Menschheitsgeschichte bis auf die ftühesten Spurenverfolgt, die sich erhalten haben, so trifft man auch hier Rechts-händigkeit. Es fehlt auch freilich hier nicht an abweichenden An-sichten. Mortillet z. B. stellte in der Soci&te d' Anthropologie dieBehauptung auf, daß die prähistorischen Feuersteinwerkzeuge, dieman in Frankreich gefunden habe, für eine Bevölkerung angefertigtsein müßten, die zu zwei Dritteln aus Linkshändern be-standen habe. In ähnlicher Weise schloß Brinton ausvorgeschichtlichen Funden in Amerika, daß die dortigenStämme mindestens zu 35 Proz. aus Linksern bestandenhaben. Diese Behauptungen werden indessen durch andere Beweisewiderlegt. Die Bilder, die längst vermoderte, tierfellumhüllteKünstler einst mit farbigen Erden auf die Steinwände ihrer Höhlegemalt oder in Knochen geritzt haben, haben durchweg die Eigen-tümlickkeit, daß die oft mit staunenswerter Sicherheit und scharferCharakteristik gezogenen Profile der Köpfe nach links, vom Beschaueraus, sehen, so die Mammutdarstcllungen in der Madelaine-Grotte.Rechtshändige Leute, die nicht geübte Zeichner sind, wenden alleProfile nach links, da dies der Hand bequemer ist; man brauchtnur die primitiven Fratzen anzusehen, mit denen Straßen-jungen Häuserwände verzieren. Auch zeigen einzelne Darstellungenvon Menschen, die auf der Jagd oder bei einer anderen Tätig-keit begriffen sind, daß schon in jenen grauen Zeiten, vondenen uns heute nur Scherben, Knochen und im sibirischen Eis begrabene Riesenleichen Kunde geben, die rechte Hand dieselbe Be-oeutung hatte wie heute. In historischen Zeiten unterliegt die Vorherrschaft der rechten Hand vollends keinem Zweifel. Herkules hältseine Keule in der Rechten, Neptun den Dreizack, Ramses drückt mitder Rechten de» Pfeil gegen die Sehne. Die Sprache setzt allcnt-halben die rechte Seite als bevorzugte der linken gegenüber. DieSchafe zur Rechten, die Böcke zur Linken! Nach alledem scheint esfast gewiß, daß die Rechtshändigkeit sich bei den Menschen bemerkbargemacht hat, sobald— die Hände aufhörten, bei der Fortbewegungwesentliche Dienste zu leisten.—Theater.L u st s p i e l h a u s.„HanS im Glück." Eine Satire in dreiAkten von A. L a tz k o. An den Abenden herrscht im Lustspielhausnoch immer unumschränkt Kadelburgs„Familientag", der„Hans imGlück" mußte sich, wie ftüher„Kamerad Zeck", mit der bescheidenenEhre einer Tagesaufsührung begnügen. Ein längere? Leben würdeihnen aber auch ohne die Konkurrenz eines derartigen KassenstückesVerantwortl. Redakteur: Paul Büttner» Berlm.— Druck und Verlag:kaum beschieden gewesen sein. Wie in„Kamerad Zeck" der hübscheEinfall, einen New Iorker Klub ehemaliger deutscher, drüben inHausierer, Kellner, Straßenbahner umgewandelter Offiziere auf dieBühne zu bringen, durch die dramatische Gelvaltsamkeit des Drumund Dran seine Schlagkraft zum besten Teile einbüßte, so litt Latzkos imGrundgedanken guteKünstlersacire unter der feuilletonistisch spielerischenManier der Darstellung. Der Autor unterhält mit spitzigen Malicen, aberdie Handlung, die Entwicklung des idealistischen Hungerleiders zumaufgeblasenen Virtuosenprotz toirkt selbst nur als ein Epigramm;der ironische Kontrast zwischen Anfang und Ende amüsiert, doch dasFehlen jeder tiefer dringenden, die psychologischen Mittelglieder auf-deckenden Charakteristik jeder eigentlich dramatischen Bewegung läßtein lebhafteres Interesse nirgends aufkommen, erzeugt einen fadenNachgeschmack. Wenn bloßer Witz über solche Mängel der Jndi-vidualisierung hinweghelfen soll, dann müßte er um vieles stärker,reicher, origineller als der Latzkos sein.Am besten sind die Gesellschaftsszenen iin Haus des allgewaltigenKonzertdirektors gelungen:„Die Galerie ebenso impotenter als an-spruchsvoller neidischer, klatschsüchtiger, zynischer Künstler und Kunstfreunde, die durch einen gleichgestimmten Damenflor sich würdig er-gänzt. Der anne Teufel von Komponist, den ein reich gewordenerKollege, auf Geheiß der Gattin, einführt, erobert durch den pikantenReiz der Naivität, mit der er gegen die Zyniker für die Sache der„wahren Liebe" eintritt, im Sturm die weiblichen Herzen; der Vor-trag seiner Komposition wird zum rauschenden Triumphe, und also-bald beginnt ein drolliger Frauenwettlauf um die Gunstdes neuen Sterns. Der dritte Akt zeigt HanS im Glücke.Mit glänzendem Erfolge hat man ihn lanziert, Lorbeer-kränze hängen in seinem Zimmer, die Presse verkündetden Ruhm seines ersten großen Konzerts und ein Impresarioengagiert ihn zur amerikanischen Tournee. Aber im Handumdrehenhat das Glück den ganzen Kerl umgekrempelt, Walldorf ist ein sounleidlicher, so hohler, eitler Patron geworden, wie nur irgend eineder Berühmtheiten, die er früher verachtete. Die Massenattacke derbegehrlichen Anbeterinnen, deren er sich zu erwehren hat, erinnertan den Wedekindschen„Kammersänger", ohne freilich entfernt dieKomik dieser Burleske zu erreichen. Und der parodistische Schluß-trumpf, daß der Gefeierte seine neue Sinfonie, da keine der Damensie hören will, einem schwärmerischen Zimmermädchen vorspielt, machtden Eindruck ziemlicher Verlegenheit.Die Aufführung war flott, auch in den Nebenrollen. ToniImpekoven als blasierter Musikreferent, L e t t i n g e r alsMusikprofessor Edel und unter der weiblichen Verehrerschar dieDamen M a l l i n g e r und MarieWendt traten in dem Ensemblebesonders hervor.— dt.Humoristisches.— Der Brocken-Sammler. Direktor OttoB r a h m:„Haben Sie nicht noch etwa? in Ihrem Papierkorb,was ich für mein Theater brauchen könnte?"—— Münchener Kolumbarium.„Ach, der Krug warwohl dem seligen Herrn Gemahl besonders an's Herz gewachsen,daß Sie ihn so pietätvoll aufbewahren?"„Na, na. dös is z'wegen sei'm letzten Willen. Er hat fi' nämli'verbrenna laß'n und hat angeschafft, daß die Aschen nachher in sei'Stammkrügel einikemma soll."—(„Jugend".)Notizen.— Grillparzer und das Wunderkind. Der WienerLiterat Joseph Weilen erzog seinen kleinen Sohn mit großem Vor-bedacht zum„Dichter" und unterwies den Knaben, als dieser erstsechs Jahre alt war, schon in den ersten Regeln und Begriffen derMetrik. Da geschah es, daß der Vater Weilen seinen 36. Geburtstagfeierte. Natürlich hatte der Knabe zu diesem Anlaß ein Gedichtgemacht. Dieses Gedicht begann mit dem Verse:„Ich grüße Dich,Du greiser Vater!" Entzückt von seinem Jungen lief VaterWeilen zu Grillparzer und zeigte dem Meister das Gedicht. AmAbend erzählte Grillparzer einem Bekannten die Geschichte von demWundcrkinde und faßte sein Urteil in die kurzen Worte zusammen:„Der Bub sieht nicht einmal was; er sieht nicht, daß der Vaterbraune Haare hat."—— Richard Hellbergers Oper„Barfüßle" hatte beider Erstaufführung im Opernhause zu Dresden einen starken Er-folg- �...— Der berühmte Aquarellmaler Rudolf Alt ist in Wien rmAlter von 92 Jahren gestorben.—o. Archäologische Ausgrabungen amSuezkanal.Die Pariser„Acadornie des inscriptions et belles-lettres hat beschlossen. in dem Gebiete längs des Suezkanals, da? bisher von denArchäologen vernachlässigt worden ist, umfangreiche archäologischeForschungen zu unternehmen. Die Leitung der Arbeiten ist M. Clödavom archäologischen Institut von Kairo übertragen, der seine For-schungen in Tell-el-Her beginnen wird.—— Der Durchschlag des großen Elgert unnels und da-mit die Eröffnung der S t a t i o n E i L m e e r der Jungfraubahn istEnde Mai zu erwarten. Die Statton wird 3161 Meter hoch zustehen kommen.—Vorwärts Buchdruckerei u.Berlagsanstalt Paul Singer LiTo., Berlin SW.