./Gut« Nacht. Fräulein Asolt! Schlafen Sie Wohl!" Sie olieb fitzen und lauschte seinen Fußtritten, die hinter ter Tiir erklangen und auf den Treppeil verhallten. Und die Flammen erloschen im Kamin, weil sie das Anfeuern vergaß. Und Regina faß dann auf dem Betttande und starrte in eine kleine Lampe auf dem Nachttische. Dieses Grübeln über den Aufenthalt des Kindes konnte sie wie eine plötzliche Krank- hett befallen. Heute abend war ihr Plötzlich eingefallen, daß der Vater des Kindes seine Hand im Spiele habe. Ob er es wohl durch den Professor bei zuverlässigeil Leuten unter- gebracht und ihr aus Mitleid dieses Geld gegeben hatte? Man muß sich doch gegen ein solches kleines Mädchen gentil benehmen! Und fiir das Kind wollte er sorgen, sie erschien ihm nicht würdig, dessen Erziehung zu leiten._ Sie schloß er aus. Schickte sie ins Ausland. Verhielt es sich so? Krän- klingen vermochte sie zu ertragen, von ihm jedoch keine weiteren. Von ihm niemals wieder. Sie mußte es heraus- bringen. Sie mußte es sofort wissen. Am iiächsten Morgen drangen wieder neue Mutmaßungen durch. Alle waren gleich wahrscheinlich, weil sie nur wußte, daß das Kind irgendwo in der Welt weilte. Und sie sah das Kind bei der Taute in Nordland und zerbrach sich den Kopf, wieso die Geschichte zu ihr gedrungen sei. Sie sah es dann bei der Tante im Hochland, lind dieser Gedanke brachte sie zur Raserei. Sie dachte an eine der Schwestern des Groß- Händlers, die kinderlos war, und die obendrein in Christian- fand wohnte. Und je mehr sie die verschiedenen Möglichkeiten hin- und herwarf, um so lebendiger stieg das Äind in ihrer Seele auf, und um so iingeduldiger sehnte sie sich nach Auf- klärung. Wer wußte, ob es ihm gut erging? Hier wandelte sie einher und ließ die Zeit verstreichen, , schlief, wurde rot und dick als schleppe sie nicht die geringste Schande nach. Sie konnte sich wohl ärgern, sorgen, Tränen vergießen. Aber handeln? Nein. Und sie erregte sich durch Selbstvorwürfe, Tag für Tag. Nacht fiir Nacht bis sie eines Tages an den Professor schrieb. Sie wollte vor- fichtig anfangen. Sie wollte bloß durch ihn erfahren, wie es lhrem Kinde ginge. l Fortsetzung folgt.) (Nnchdnick verboten.) Etwas vom Aloknen. Nicht von der proletarischen Behausung soll im folgenden die Rede sein, wenigstens nicht von der, die wir armen Grohstädtcr kennen, nicht von den licht- und freudelosen Pferchen, die Menschen- Wohnung heißen, nicht von den dumpfen, lustarmeu übervölkerten Gelassen, in denen das arbeitende Volk in duldsamem Nebeneinander zur Welt kommt, leidet, schafft, kocht und wohnt, lernt, strebt, in denen so viele flügellahm werden, che sie noch recht flügge geworden, in denen das Volk schließlich dahinsiecht und stirbt. Nicht davon wollen wir heute miteinander ein Viertelstündchen plaudern, sondern von den oberen paar Hundert, die nicht nur das nötig« kleine und große Geld dazu haben, sondern auch den Geschmack und Verstand zum wohnen mitbringen, und von den vielen Tausend anderen, die ihren Geschmack lind Verstand trefflich nützen können, um ohne großen Aufwand ihre Wohnung in ein Heim umzugestalten. Von moderner Wohnungskultur soll die Rede sein, von der Bewegung, die von Eng» land ausgehend in Lichtwark und Schultze-Naumburg die vornehmsten deutschen Vertreter gefunden hat und deren Werben auch vor den fchwarzgclbcn Grenzpfählen nicht Halt machte. Gerade bei uns war es ja so notwendig. Nirgends sonst in der Welt wird der groß- städtische Bodenwucher gleich begünstigt wie in Wien und die traurigen Folgen dieser Erscheinung sind: unerhörter Mietwucher und in folgerichtiger Fortsetzung: Herabdrückung des Wohnungsbedürf- nisses aus ein Minimum. Ter Hausbesitzer heißt in Wien Haus- Herr. Schon diese sprachliche Bildung charakterisiert in Wien das Verhältnis des Mieters zum Besitzer. Ter Hausbesitzer ist der Herr. Die Miete heißt Zins. Zinsen muß der Besitz tragen, hohe Zinsen und je höhere, desto mehr si'igt das Herrenbewußtsein in dem einen, das Gefühl der Unterdrücktheit, tributpflichtigen Sklaventums in dem anderen. Das Gefühl, daß der Hausbesitzer ein Kausinann ist, wie jeder andere und daß seine Ware Wohnung heißt, hat man in Wien nicht. Mietervereine oder Micterorganisationen sind in Wien noch Zukunftsland. Auch von Mieterschutzgesetzen träumen wir noch. Der Mieter ist jeglicher Willkür ausgesetzt. Es gibt in Wien Häuser, wo Klaviere, Hunde unk Kinder nicht geduldet werden. Andere Gemütsmenschen wieder nutzen die Ilcberlcgenhcit ihres Gcldsacks gegenüber der Abhängigkeit beS Proletariats zu dem Gebot der acht- tägigen, ja selbst der dreitägigen Kündigung zu beliebiger Zeit aus und fügen zu allem Wohnungsjammer noch das ewige Zittern um das armselig« Sein innerhalb d«S aufgemauerten ZiegelhaufcnS hinzu. Das Gespenst der Obdachlosigkeit macht mürbe. Sofern diese Krprcssung nur kontraktlich festgelegt, ist das Gesetz machtlos, das 1 eine mindesten» Ittagige Wohnungskündigung, wenn sonst nichts ver- einbart ist, vorschreibt. So beim Proletariat. Aber auch das Bür- gertum, die Beamten, die Geschäftsleute können in Wien nicht wohnen. Auch sie sind bedrückt und zum Schweigen verurteilt, auch sie zittern vor der Kündigung, die auch sie jederzeit ohne Angabe eines Grundes treffen kann, und gegen die sie nicht Einsprache er- heben können, soferne nur der gesetzliche Termin«ingehalten ist. lind über diesem Jammer weht jetzt auch in derKaiserstadt an der Donau " frischer Frühlingshauch. Allerbescheidenstc Anfänge noch sind zu verzeichnen, aber sie sind da. Bon einer zur VereinigungSecefsion" gehörenden Kunst- lergruppe gehen sie aus, diese Bestrebungen, das Wohnungs- bedürfnis in Wien zu wecken: das gute Beispiel und Aufklärung mit Schrift und Stift find ihre Mittel. Was der Architekt Josef H 0 f f m a n n und sein künstlerischer Sozius der Maler Belo Moser im Verein mit dem Groß- industriellen Fritz Wärndorfer in derW iener Werkstätte" geschaffen haben, davon soll vielleicht ein anderes Mal die Rede sein auch davon vielleicht, was die jüngere Wiener Architektenschule unter dem Einfluß des Lehrmeisters Oberbaurat Otto Wagner im edelsten Sinne für die Erweckung des Wohnungsbedürfnisses ge- tan hat für heute will ich mich auf die Besprechung einer Er- schcinung, die uns mit Zukunftsfreude erfüllt, beschränken. Ein junger Wiener Kunstschriftstellcr, Joseph August Lux , führt seit einigen Jahren einen erfreulichen Kampf gegen alle Un- kultur und Kulturwidrigkeit im Wohnen und hat als Niederschlag seiner in Wien , in England und Teutschland betriebenen Studien eine Fülle von sachgemäßen Anregungen ausgestreut, die revolu- lionierend wirken müssen.Allein das Zeugnis, das die Bewohner für die persönliche Kultur der Besitzer ablegen", sagt er in einem seiner vortrefflichen und reicht mit Beispielen ausgestatteten Bücher*), ist nur in seltenen Fällen ein günstiges. Ich habe die Wohnungen aller Stände gesehen und vor allem des Mittelstands, der den Hauptteil der Stadtbevölkerung ausmacht, und ich habe sast durchwegs nur Variationen eines Themas gefunden, das nichts Er- quickendes bot. Auf die falsche Note des erborgten Luxus, der den Schein höher stellt als das Sein, ist noch heute das meiste gestimmt. Auf jeder Schwelle, die ich überschritt, hatte ich die Empfindung, als schallte mir eine widerliche Reklamestimme entgegen:Schmücke Dein HeimI" Den traulichen Blumenflor, den uns die lebendige Natur, den Frühling in die Stube zaubert, fand ich ersetzt durch die künst- lichc Palme, eine erbärmliche Karikatur, die ihre starren Blätter- finger verzweiflungsvoll nach allen Richtungen ausstreckt in der offenbaren Absicht, das Marrartbukett traurigen Angedenkens an Geschmackswidrigkeit zu übertrumpfen." Und dann erzählt er von den kläglichen Imitationen der Glasmalerei", die dem Licht den Eintritt wehren, von den dunklen, schweren Stoffvorhängen, die demselben Zwecke dienen, scheinbare Traulichkeit hervorzurufen, in Wirklichkeit aber den Schmutz verbergen zu Helsen , der in der Wohnung Heimstatt hat.Man braucht nur damit zu beginnen, statt der künstlichen Pflanzen lebende, echte ins Zimmer zu bringen, um Freude an ihrer Echtheit und ihrem Gedeihen zu gewinnen, und«ine Revolution ist fertig. Zuerst würden die schweren verdunkelnden Stossgardinen fallen, um wieder Licht und Luft in die dumpfen Räume einzulassen. Wir müßten den echten Blumen, so wir sie erhalten wollen, dieses Opfer bringen, und es wäre eine gerechte Wiedervergeltung, denn gerade diese verdüsternden Stoffgardinen waren es, die zur Zeit, als der Makartsche Atelierstil Mode wurde, unsere Blumen ver- drängt haben. So nun aber das Halbdunkel jener romantischen Rembrandtstimmung vor der TageShelle gewichen ist, entpuppt sich die Lächerlichkeit des Stimmung machenden Krimskrams an den Ge- simsen, aller der Krüge, die keinem Gebrauch dienen, die weder Wasser noch Wein fassen, der Vasen, die keine Blumen aufnehmen können, der Teller, die zu keiner Mahlzeit verwendet werden können, und die sich als dürftiger Gschnas vor dem Tageslichte schämen, als nicht minder die dunkel gehaltenen Wände, die so beliebt sind, weil man den Schmutz darauf nicht sieht. Im Schmutze leben, das macht nichts, nur sehen darf man ihn nicht. Nun aber wird der ob seiner Nichtigkeit entlarvte Prunk unerträglich, und es beginnt ein lustiger Umsturz, vor dem nichts niet« und nagelfest ist. Vom Hundersten kam man in Tausendste. Vom Fenster zu den Wänden und den Bildern, und von diesen zu den Möbeln, bis ins kleinste herab. Es ist fast unabweislich, in allen Einzelheiten des Wohnraumes die neue Wohnungsästhetik zu erhärten. Der Ausgangspunkt dieser neuen Aesthetik aber ist, daß wir allen sogenannten Luxus aus unseren Häusern fortschaffen und zur Aufrichtigkeit und Einfachheit zurückkehren, wenn wir wollen, daß die Kunst wieder im Hause be- ginne. Epochen mit hochentwickelter volkstümlicher Kultur haben gezeigt, daß die Kunst immer vom Hause ausgeht und von hier aus auch das äußere Leben ergreift. Darum mutz unsere Sorge darauf gerichtet sein, daß wir nicht die goldene Regel verletzen, die uns William Morris gegeben:Behalten Sie nichts in ihrem Heim, wo­von Sie nicht wissen, daß es nützlich ist, wovon Sie nicht glauben, daß es schön ist l" So predigt Lux, und wir lauschen ihm gern und folgen gerne seinen Winken, die auch dem Proletarier zugute kommen. Tausende und abertausend« Arbeiterhaushalte werden im Jahr gegründet. Warum sollen hier die neuen so vernünftigen und schönen Ideen *) Joseph August Lux :Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung." Wiener Verlag. Preis b Kionen.