nicht miteinziehen, warum soll hier diese Revolution Halt machen? Warum soll das»sprechende" Dutzcndmöbel, das schlecht aus Hart- holz gefügt, einen Stil borgaukelt, zu dem die blaue Arbeitsbluse einmal nicht paßt, nicht dem billigeren, weißlackierten Weichholz- möbel von geraden, einfachen Linien ohne aufgepfropftesAlt- deutsches-" oderRokko!o"-Ornament Platz machen? Warum sollen nicht lebende Topfpflanzen in der Arbeiter-Wohnung wieder zu Ehren kommen, an Stelle der präparierten, warum nicht gute Re- Produktionen künstlerisch wertvoller Bildwerke in glatten weiß- lackierten Rahmen an Stelle der grauenhaften Oeldrucke, die sich der kunstfremde Mann ins Zimmer hängt, um dem prunkvoll erscheinen- den Plunder, der Rahmen heißt, eine Daseinsmöglichkeit zu geben? Der großstädtische Arbeiter zahlt das bißchen Lust und Licht teuer genug, als daß er Anlaß hätte, es sich noch selbst abzusperren. Das alles ist aber mit demselben Aufwand möglich zubeschasfen, wie der heutige Tand, der unsere Wohnungen füllt. Und aus der Wohnung heraus wird sich das neue Haus entwickeln, die neue Stadt. Davon spricht Lux in einem anderen BucheDas moderne Landhaus.) Landhaus gebraucht Lux im englischen Sinne, wo der Zug aus der Stadt auf das flache Land am weitesten entwickelt ist. Die Stadt den Geschäften, das Land dem Wohnen. Berlin ist diesem so vernünftigen Prinzipe ja schon sehr gefolgt. Bei uns in Wien ist auch hierin noch fast alles zu tun. Vor allem sind die vorhandenen Verkehrsmittel noch so aus- zubauen und auszunützen, daß sie diesem Zwecke dienstbar werden. WaS Lux in seinemmodernen Landhaus", nnterstittzt von vor­züglichen Illustrationen, darstellt, ist wieder nur der Umsturz. Auch hier ist die oberste goldene Regel: Rückkeh» zur Einfachheit, zum Vernunftgemäßen, zum gesundheitlich Nottvendigen, und dadurch Auffinden des Schönen. Er führt uns in die Wiener Künstlerkolonie auf derHohen Warte" zu Füßen des Kahlenbergs, die sich würdig dem dort noch zum Teil erhaltenen reizvollen Stück Alt-Wien an- gliedert, in dem Beethoven gewandelt, wo Körner, Bauernfeld und die Therese Krones abseits vom Lärm der Großstadt Ruhe und Er- holung gesucht haben. Hier war es Architekt Joseph Hoffmann , anderswo der Architest Leopold Bauer , der fich seine Motive aus den« Bauernhaus holt, dem vollstümliche Bauweisedas Volks- lied der Architektur" ist. So strömen auch aus diesem Bande eine Fülle von Anregungen aus! und was mich in diesen Rahmen nicht gezwängt werden konnte, das lebt sich erst recht in der von Lux seither begründeten Zeitschrift Hohe Warte") aus. Für die künstlerischen, geistigen und wirtschaftlichen Interessen der städtischen Kultur ist diese apart ausgestattete und zugleich illustrierte Schrift begründet, und schon die vorliegenden ersten zehn teste zeigen uns, daß es da ein reiches Feld zu bebauen gilt. Einige ätze aus deni Programmartikel werden uns sagen, was dieHohe Warte" sein lvill. Vor allemkeineswegs eine Kunstzeitschrift mehr",' wer sie will der starken Bewegung zurPflege des ästhettschen Lebens" ein Sprachrohr sein, sie betont nicht den Unterschied zwischen modern und unmodern, sondern zwischen gut und schlecht. Sie dient, das zeigen die bisherigen Hefte, im besten Sinne der Heimatskunst, sie wirbt neue Freunde, sie erweitert den Blick der alten. Di« besten Wiener Künstler find mit am Werk, und mit ihnen teilen sich Lichtwark und Schultze-Naumburg in die Arbeit, die es da zu leisten gibt. Die wichtigsten Programmpunkte derHohen Warte" find: Künstlerische Stadtpflege in dezug auf die öffentlichen und privaten Bauten, Denkmäler, Brunnen. Gärten? Preisausschreiben; Wohnungspflege und Wohnungsausstattting; Villenbau; Kunstpflege im Hause. Volksbildungsbestrebungen, Hygiene. Konsum, Wohlsahrts- einrichttmgen, städttsche Wirtschaftspolitik! künstlerische und gewerb- ttche Organisationen, Ausstellungswcsen, Volkskunde und Volkskunst, HeimatSschutz; Beispiele arls skandinavischen, englischen, amerikanischen Städtekulttiren. Literatur; Städteberichte aus allen Ländern und Provinzen. Bisher hat dieHohe Warte" gehalten, was sie versprochen, und die Gemeinde, die sie um fich versammelt, wird von Tag zu Tag größer, zur Freude aller Freunde der ästhetischen Kultur, die uns in der Erwerbshast und den harten Kämpfen unserer Tage wenn schon nicht verloren gehen wollte, so doch zu verkümmern drohte. Hier Halt geboten zu haben und von neuem aufzubauen, was in der Zeiten Lauf zerstört wurde, ist ein verdienstliches Werk. Das wollte ich einmal sagen. Max Winter- Wien . kleines feuilleton. ee. Nekrolog. Der Regen klatschte an die Fenster, und der Wind pfiff in der Straße. Wenn man hinausblickte, sah man die gegenüberliegende Häuserwand nur durch feuchte graue Schleier und aus Damm und Steig schmutzige Lachen. ') Das moderne Landhaus. Ein Beitrag zur neuen Baukunst voi» Joseph August Lux. Wien , Verlag von Anton Schroll u. Cie. Preis 10 Kronen.) ) Illustrierte Halbmonatsschrift für städtische Kultur. Verlag von Lux und Lassig. Wien I. Wallfischgasse 4. Gottlob, daß wir es hinter uns haben!" sagte der dicke Holz« Händler Petersen zu dem Kolonialwarenhändler Arndt. Der nicktet Schauderhaftes Wetter, ich habe morgen sicher den Sch, rupfen. DaS lange Stehen an, Grabe der Pfarrer hätte es auch kürzer inachen können. Ist ja ganz schön im Sonrmer, aber im März, wo's heute warm und morgen kalt ist. nee!" Er schüttelte den Kopf.Hoffent- lich kriegen wir bald was Warmes,'neu ordentlichen Schluck Kaffee, noch besser iväre«in Gilka, aber daran ist ja nicht zu denken, die Frau scheint ja ganz aus dem Häuschen zu sein!" Petersen zuckte die Achseln:Gott , wenn nran bedenkt, vier Kinder I Und nicht zu wissen, wovon man leben soll. Ja," er pfiff leise und kurz vor sich hin,da ists schwer normal zu sein. Offen gestanden, ich habe diesen Möring nie begriffen. Unpraktts, durch und durch! Eigentlich gar keine Ahnung von Geschäft. Bloß immer künstlerische Ideen I Nun schön, er war ja Architekt. Aber von solchen Ideen lebt man doch nicht und hinterlassen tut man noch weniger. Billig und schön war seine Devise. Er hat immer so'ne großpratschigen Reden geführt, daß einem ganz schlimm werden konnte: von Kunst ins Volk tragen und ähnlichem Unfinn. Aber all das konnte meinetwegen noch hingehen, wenn er nur auf seinen Borteil sich verstanden hätte. Aber er war geradezu blöde. Von einer ml- heimlichen, schon bornierten Ehrlichkeit Sie wissen ja, Arndt, wie ichs meine man nimmt eben mit, was man kriegen kann. Das ist man fich und seiner Familie doch schuldig, nicht wahr? Aber er ich Hab mit ihm darüber hundertmal geredet und ihm klar zu machen gesucht, daß er sich sozusagen ins eigene Fleisch schneidet. Aber nichts hat genutzt. Gelächelt hat er nur, beleidigend gelächelt. Na jetzt würde er es nicht niehr tun. Jetzt würde er vielleicht doch mir recht geben." Arndt nickte:Man sollte es nicht für möglich halten, was für Menschen es gibt. Gar nicht, als ob sie auf der Erde leben. Immer in höheren Regionen. Dazu gehörte dieser Möring auch. Ich kann ja nicht über ihn klagen. Er hat immer pünktlich bezahlt. Aber wie soll das jetzt werden? Sie sind doch mit der Frau weitläufig ver- wandt. Da werden Sie wohl ran müssen, Petersen, hleibt Ihnen gar nichts anderes übrig." Der Holzhändler seufzte:Wo denken Sie hin. Arndt? Ich Hab' doch allein genug zu krebsen. Denken Sie mal, ein Junge studiert, einer ist Offizier rechnen Sie mal gefälligst nach, was das kostet. Und dann drei Mädels. Gott , die wollen mal unter- gebracht sein. Da muß man beizeiten an die Aussteuer denken. Ich kann beim besten Willen nichts für Mörings tun. Für anderer Leute Kinder sorgen, das können Sie nicht gut verlangen. Er hätte was tun müssen, nicht in den blauen Dunst hinein Wirt- schasten. Bei der Villa von, Kommerzienrat Büchsei hätte er allein fünfzigtausend Mark verdienen können schlecht gerechnet. Mehr noch, wenn er bloß ein bißchen schlau gewesen wäre. Aber nein eS war ihm eine Ehre, daß der Kommerzienrat ihn seinen Ideen folgen ließ. Da hat er sich geschmeichelt gefühlt, und Büchse! hat sich ins Fäustchen gelacht. Einen billigeren und besseren Architetten konnte er gar nicht finden. So ein Schaf, was? Das soll einen nicht giften I Na, Gott Hab' ihn selig. Zu ändern ist nun nichts mehr daran!" Aber schade ist es doch I" meinte der Kolonialwarenhändler, der Umschau gehalten hatte nach etwas Warmem. Noch war an Kaffee nicht zu denken. Was war das bloß hier für eine Wirtschast. Da war man nun das Ende bis zum Kirchhof mitgelaufen, hatte eine halbe Stunde am Grabe gestanden, dann den langen Weg zurück und nun einfach unglaublich. Diese Frau Möring wußte doch gar nicht, was sich gehörte. Trauer gewiß I Das war ja sehr schön, aber man hatte doch Rücksicht auf die Leidtragenden zu nehmen I Schade?" sagte nach einer Weile Petersen,ich halte es sogar für ein Glück, daß er jetzt schon gestorben ist. Denken Sic bloß, wie es nach zehn Jahren gewesen lväre I Wenn die Kinder schon mehr herangewachsen wären. Was hätte da erst die Frau angefangen? So kann sie sich wenigstens allmählich an ihre Lage gewöhnen. Meiner Ansicht nach ist' die Frau auch an ihrer jetzigen Situation schuld; sie hat Möring noch immer bestärkt in seinen verrückten Ideen. Ein Herz und eine Seele I Im Anfang war sie ganz ver- nünftig, das läßt sich nicht leugnen. Aber er hat sie allmählich ganz zu seinen Anschauungen bekehrt, bis sie zuletzt auf ihn schwor. Kurz und gut, ich sage Ihnen, Arndt," Petersen erhob erregt seine Stimme, mit der Gesellschaft war eben nichts anzufangen." Der Kolonialwarenhändler legte beschtvichtigend seine Hand auf den Arm des Holzhändlers:Pst, pst, nicht so laut, man sieht schon her." In der Tat hatten die anderen Leidtragenden. als sie Petersen so deutlich vernahmen, ihre gedämpfte Unterhaltung unter- brachen und zu den Beiden hingeblickt. Ach was," sagte Petersen etwas leiser.Glauben Sie, die sind anderer Meinung? Fragen Sie sie mal auf Ehre und Gewissen! Ein Mensch hat einfach die Pflicht, für die Seinen zu sorgen. Und wenn er das nicht tut, dann ist er für mich erledigt. Und Möring ist weiter nichts als ein Phantast gewesen. Gewiß, in einer Art ganz tüchtig, aber von» Geschäft nicht eine Idee! Und darauf kommts gerade an. Die Leute haben ihn ausgenutzt. Ich bitte Sie, ein Mensch von seinen Fähigkeiten und seinem Ruf und hinter- läßt keinen gebogenen Heller. Ja. ist das glaublich?" Petersens Augen blitzten zornig und er runzelte die Brauen, Da fühlte er eine leichte Hand auf seiner Schulter; als er sich hastig wandte, stand die junge Witwe vor ihm.