279 Die Zofe bestand auf der Massage. Offenbar war Madame nervös; ste hatte ausgezeichnete Erfolge mit dieser Behandlung er- zielt. Tann ging sie zu der Pflege des Haares über: sie hatte die Gewohnheit, selbst die kosmetischen Mittel herzustellen, die ihre Herrinnen anlvandtcn. Sie hatte wunderbare Rezepte. Erlauben Sie mir auch, Madame, Ihnen zu sagen, dah Ihr Zahnfleisch zu blaß ist; wir müssen es etwas beleben. Ein Ent- Gärungsmittel ist durchaus notwendig, um Ihren Augenbrauen die richtige Gestalt zu geben. Was sehe ich da, eine Unterbrechung der Linie, die sie bilden sollen!... Und drei Haare hängen auf die Schläfe herab! TaS ist ja eine schreckliche Unordnung l Und dam» ist Diadame schlecht geschnürt; das Korsett könnte zwei Zenti- metcr tiefer sitzen. Die Turnüre fällt mcht genug ab. Ich kenne die Zeichnung. Madame hat einen kurze» Oberkörper, den man ver- längern muß..." Herr von Panne fühlte sich etwas geniert durch diese Ab- Handlung der Kammerzofe. Er schnitt ihre Rede kurz ab, indem er seine Frau aufforderte, sich die Zeugnisse anzusehen. Lies Du sie, bitte, mein Lieber.* Herr von Panne erhob sich, um sie entgegen zu nehmen. Christine trat einen Schritt vor. Der Gatte und die Zofe, beide ungefähr von derselben Größe, befanden sich einander ganz nah gegenüber. Christine sah Herrn von Parme   dreist an; dann lieb- koste sie ihn mit einem sinnlichen Blick, der einer starken Heraus- forderung gleichkam. Frau von Panne, die bei sich überschlug, welche Erhöhung das Haushaltungsbudget durch das Engagenieiit dieses Mädchens er­fahren würde, sah wo anders hin, Hundert Frank Gehalt monat- lich; das Essen extra serviert, was immer etwas teurer war; Billette erster Klasse auf der Reile statt zweiter, wie man sie gewöhnlich für die Dienerschaft nahm: im ganzen wenigstens tausend Frank jährlich mehr. Aber auch was für eine Kammerjungfer I Immerhin inußte man erst überlegen, die Ausgabenbücher nachsehen. Das Jahr hatte nicht gut begonnen... Während dieser Ueberlegungen las Herr von Panne laut die Zeugnisse vor, die Christine ihm alle offen übergab, und auf denen allerlei wappengeschmückte, höchst komplizierte Siegel prangten: Der Unterzeichnete bescheinigt, daß Christine Pechelin während acht Monaten in feinen Diensten gestanden hat und daß er nur Ursache hat, ihren Fleiß und ihre Sorgfalt zu rühmen. Sie verläßt das Haus nur, weil die Aerzte dem Prinzen einen Aufenthalt am Nil verordnet haben. Dies der der Wahrheit entsprechende Sach- verhalt. Prinz Navrocordato, Nizza.* «Ich bezeuge, daß Christine Pechelin meinem Haushalt als Vor- leserin nieiner Frau, der Gräfin Boutcrline, angehört hat, die sich nur infolge einer Krankheitslaune von ihr gettennt hat, ohne daß ein ernsthafter Grund für Christincns Abgang vorhanden gewesen wäre. Sie kann auf meine Unterstützung rechnen, sobald sie dieselbe nötigDhaben sollte. Graf Bouterline, Paris  , Hotel Pyramidal.* Der Unterzeichnete bescheinigt, daß Christine Pechelin bei Ihrer königl. Hoheit, der Herzogin von Toledo  , als erste Kammerftau in Diensten gestanden hat, und daß Ihre königl. Hoheit so zufrieden gewesen ist, daß sie ihr die Reisekosten nach Paris   zurück und außer- dem eine ansehnliche Gratifikation gegeben hat. Für Ihre Hoheit die Herzogin von Toledo  der Chevalier Dalovida Majordomns. Rom.* Wer,* sagte Frau von Parnie,alle Ihre Zeugnisse sind von Herren ausgestellt, Fräulein?" Ich wünsche es so,* antwortete Christine.Sie sind die ein- zigcn, die ernst genommen Ivcrden können.* Herr und Frau von Parme   gingen plaudernd nach Hanse  . Drollige Anstalt! Wie hast Du Dich entschieden?" Ich habe gesagt, daß ich morgen schreiben würde. Was rätst Du mir, mein Lieber?" O, nichts, die Sache ist schwierig. Dieses Mädchen ist keine gewöhnliche Kammerjungfcr. Ich finde sie zu großartig für ein so einfaches Haus wie unseres.* So sehr einfach doch nicht! Es gehen bei uns zehn bis zwölf- tausend Frank monatlich draus." Möglich! Aber dieses Mädchen ist an fürstliche Haushaltungen gewöhnt." Das ist mir gleichgültig.* Also auf Wiedersehen, ich gehe in den Klub. Ich habe dort zu tun." Du bist schrecklich! Niemals gibst Du einen Rat.* Was willst Du, ich bin mir selbst noch nicht klar." Dir fehlt es wahrhaftig in trauriger Weise an Entschiedenheit. Immer muß ich mich allein aus der Affäre ziehen.* Am nächsten Tag ging Frau von Parme selbst nach dem Bureau, um Antwort zu geben und zu bitten, daß man ihr Christine zuschicke. Sie war entschloffen, fie zu nehmen. Die Vorsteherin nahm den Auftrag entgegen und schrieb an die angegebene Adresse: Hotel Monsigny. Christine erschien weder auf dem Bureau noch bei Frau von Panne. Sie wird ausgezogen sein," meinte die Direktrice. Man ließ einige Tage verstreichen; dann schickte man nach dem Hotel Monsigny: m der Tat, Fräulein Pechelin war fortgezogen, ohne zu sagen, wohin sie ging. «Haben Sie Geduld", sagte die Vorsteherin zu Frau von Parme  . Ich bin überzeugt, daß sie dieser Tage hier vorbeikommen wird, denn sie ist mir noch etwas schuldig für die Eintragung und die Korrespondenz. Sie ist ein anständiges Mädchen, das mir keinen Schaden zufügen wird." Frau von Parme  , der eS die Talente Christinens angetan hatten, kam noch einmal zum Bureau zurück. Sie ist dagewesen. Sie hat mir 100 Frank gegeben und hat gesagt, ich hätte ihr Glück gebracht. Hier ist ihre Adresse: Rue de Toqueville öl." Frau von Parme   ging hin. Zweite Treppe links. Sie schellte. Man antwortete nicht gleich. Trotzdem hörte sie in der Wohnung Plaudern und Lachen. Sie schellte ein zlveites Mal. O Unvollkommenheiten einer rasch fertiggestellten Haus- einrichtung I Ein kleiner fröhlicher Streit im Innern; dann öffnet« jemand die Tür. Es war Herr von Parme. kleines feuilleton. ßc. Auf dem Meeresgründe. Ein englischer Tiefscetaucher, der im Dezember mit einem älteren BenffSgenosien die genaue Lage eines gesunkenen Schiffes feststellen sollte, gibt von seinen Empfindungen während seiner ersten unterseeischen Reite folgende Schilderung. Als er nach den Ohnmachtsanwandllingen, die der ungewohnte Druck der Waffersäule bei dem Neuling verursacht, zur Besinnung ge- kommen war, fand er sich auf einem Sandbett stehend, das sich weiß wie gutgcbleichte Leinwand zu seinen Füßen hinzog. Scharen riesenhafter Schnecken und Würmer, die Schlangen glichen, um- schwärmten sie der Taucher sieht bekanntlich alles mehrfach ver- größert. Leicht und ftei, wie in der Luft, trotz des schweren An- zuges und der schweren Bleisohlen an den Füßen gingen fie etwa 100 Meter auf dem Meeresboden weiter. Aus den pflanzen- bedeckten kleinen Hügeln und Tälern schössen ganze Schwärme filber- und goldglitzender Fische, Blitzen gleich, hervor und hinter ihnen durch die Flut. Schließlich erkannten sie in einem großen dunklen Körper vor sich das untergegangene Fahrzeug. Das Tages- licht drang noch so weit in die Tiefe, daß es schien als sähe man durch dickes Glas. Es war also hell genug, um das Leck zu finden. Plötzlich wurde der Lichtkegel über ihnen durch eine schwarze Wolke verdunkelt. Unwillkürlich aufwärts blickend, bemerkten sie einen großen Körper, der sich über ihren Körpern hin und her beivegte. Das Herz stand mir still, ich sah in den geöffneten Rachen eines riesigen Haies. Wohl schien das Scheusal bedeutend größer als es wirklich war, aber auf alle Fäll«, warder Schrecken des Ozeans* über uns und spielte um unsere Lustschläuche und Rettungsleinen ein neugieriger Biß, und es wäre mit uns vorbei gewesen. Un­heimlich langsam aber sicher näherte sich uns das Ungeheuer. Ich hielt mich schon für verloren, als der Hai einige Meter vor mir stehen blieb, unverwandt uns beobachtend, wie eine Katze, die sich zum Sprunge auf die Maus fertig macht, den Schwanz bewegend. In diesem Augenblick schnellte mein Gefährte plötzlich die Arme aus und ab, der Hai schien verdutzt und entfernte sich langsam, blieb aber über uns stehen. Volle fünf Diiuuten standen wir nun wieder regungslos, und diese an sich kurze Zeit schien mir ungeheuer lang, bis endlich der Schatten sich verzog. Mein Kamerad und ich gingen nun vollends um das Wrack, ich mit zagendem Fuß, herum, damit wir über die genaue Lage des Schiffes berichten konnten, und ich hatte mich schon etwas beruhigt, als plötzlich der verteufelte Schatten abennalö sich über uns blicken ließ. Ein Grausen ergriff mich ich wollte zurücklvcichen, da packte mich ctwaS, ich Ivehrte mich aus Leibeskräfte», daß vom Meeresboden dicke Sandwolken aufwirbelten, plötzlich schien, wie aus Iveiter Entfernung, eine menschliche Stimme zu mir zu dringen: Sei kein Narr, Du hast wieder die Rettungsleine aus der Hand gelassen. Der Hai lauert ja nur auf die Körper der Matrosen aus dem Schiff." Mein Gefährte stand dicht neben mir; ich hängte mich an ihn und schrie aus Leibeskräften:Hinauf, hinauf, ich will nach oben!" Die fürchterlichen Eindrücke hatten mich halb wahnsinnig gemacht, und halb tot erblickte ich das Licht der Sonne wieder.* Kein Wunder, daß von hundert Männern, die sich dem Taucher- berufe ividmen wollen, vielleicht zwei bis drei auf die Dauer ihm treubleiben. Kulturgeschichtliches. a. Briefpost im 16. Jahrhundert. Der Brief- und Nachrichtendienst im genannten Jahrhundert war mit vielen Schwierigkeiten verknüpft, trotzdem Maximilian I   1516 einen regelmäßigen Postdienst zwischen Wien   Brüssel Rom  , JnS- brück Tricnt Rom eingerichtet hatte. Wer in der Lage war, diesen Postdienst benutzen zu können, Ivar der Schwierigkeiten ent« hoben, die sich sonst beim Briefverkehr reichlich boten. Wer außer-