begann sich zusammenzuschnüren, aber hier durste man dochnicht weinen, die Menschen hätten es sonst gesehen.Christiania begann in einem Nebelfleck im Fjordgrundzu verschwinden.„Wann sehe ich es wieder?" dachte sie.„Vorläufig nehmeich ja mein Kind und reise ins Ausland. Wer vielleicht komme.ich einmal zurück, und dann werde ich den Armen Geld gebenund besonders den Bedauernswerten in der Entbindungs-anstalt. Nein, mein Sohn soll es tun, damit alle erkennen,wie prächtig er ist!"Die Sonne verschwand, der Himmel versank in einematte, goldene Dämmerung, die Dämmerung wurde zumbläulichen Dunkel. Eine dieser ersten lichten Nächte brach an,worin man die Landschaft mit Berg und See und grünenWiesen deutlich erblickt, und gleichzeitig das matte Hervor-treten der Sterne in der Nacht gewahrt. Der Dampfer furchteweiter, hinter sich einen schäumenden Strom, begann sich dannin Deinungen zu schaukeln, die vom Meere hereindrangen.Weit draußen am Himmelsrande erhob sich ein Leuchtturmmit gelblich blitzendem Lichte.Wenn Regina sich am nächsten Tage in ChristiansandiZeit nahm, im Hotel etwas Toilette zu machen, geschah es,weil sie in dem Augenblicke, da sie das Kind an sich schloß, reinund schön sein wollte. Aber endlich saß sie in einem Wagen,und er rollte über die breiten hellen Straßen der Stadt nachder angegebenen Adresse.Es währte lange, aber endlich fand sie die namhaft ge-inachte Frau Larsen hinter dem Ladentische eines kleinenPapier- und Modengeschäftes in einer entlegenen Gegend derStadt. Es war eine ältere Matrone, dick, grauhaarig, miteingefallenem Munde und kleinen steckzenden Augen.„Dri guter Gott!" dachte Regina,„weiter fehlte nichts,als daß sie das Kind während der ganzen Zeit hatte."Sobald die Matrone hörte, wen sie vor sich hatte, öffnetesie die Klappe des Ladentisches, lächelte, nickte und sagte:„Bitte, gnädige Frau, wollen Sie freundlichst eintreten,damit wir nicht gestört werden."Sie führte Regina in ein dunkles, kleines Zimmer hinterdem Laden und bot ihr einen Platz auf einem Sofa hinter einemgroßen runden Tische, worauf einige Schalen mit Photo-graphien und verblichenen Visitenkarten standen. Frau Larsensetzte sich in einen Schaukelstuhl zur anderen Seite des Tisches,faltete die Hände über dem starken Leibe und begann redseligÜber die schlechten Zeiten zu sprechen.Regina unterbrach sie ungeduldig:„Sie glauben also zu wissen, wo mein Kind ist?"Die Frau schaukelte, der Stuhl knarr«? unter ihrem Ge-wicht, sie warf einen forschenden Blick auf Regina, als ahne sieeine delikate Geschichte und taxiere sie jetzt auf ihren Reichtum.„Ja," begann sie endlich, während sich ihr breites Unter-kirnt vorschob,„das ist eine schwierige Sache,. Ich sollte jaschweigen, aber... eine arme Witwe mag auch nicht immerim so schlechten Verhältnissen bleiben. Mein Mann, wissenSie,.."Regina sprang schnell auf:„Kann ich Ihnen mit etwas helfen— mit Geld z. B.,so nennen Sie die Summe. Aber sagen Sie jetzt sofort, wasSie wissen! Ich möchte mich möglichst beeilen."Die Frau zupfte an einigen verblichenen Seidenstreifenihres Kleides, während sie über ihr Modegeschäft sprach undsah wehmütig drein.. Eine ausländische Firma drohte sie inKonkurs zu teiben, und dann war sie ganz verloren. Abervielleicht war es eine Fügung Gottes, in die sie sich ergebenmußte. Oder vielleicht war Regina jetzt der Engel, der sieretten würde, denn sie hatte gebetet— und nun begannsie Tränen zu wischen.Regina wurde fast heftig:„Nennen Sie die Summe! Ich habe augenblicklich etwasGeld. Können Sie mir sagen, wo mein Kind ist, so nennenSie mir die Summe!"„Ich schulde der Firma 500(1 Kronen!"Die Matrone blickte Regina mit einem ängstlichenLächeln an und fügte hinzu:„Natürlich dachte ich nur an ein Anlehen, falls es möglichwäre."„Haben Sie Feder und Tinte? Sie sollen eine Anweisungbekommen."Die Frau stand auf, während der Schaukelstuhl sichWetter wiegte, und während Regina schrieb, stand die anderedaneben, blickte mild zur Seite und seufzte.� Endlich legte Regina die Hände auf ihre Schulten-„Bei wem ist es also?''Die Frau hatte jetzt die Anweisung bekommen, drehtesie zwischen den Fingern und hatte nasse Augen. Vor allenDingen hoste sie, Gott möge die Dame segnen.Aber jetzt konnte Regina sich nicht länger beherrschenund rief aus:„Nein, jetzt müssen Sie sagen, was Sie wissen, oder ichzerreiße die Anweisung."Das half. Die andere faltete die Hände, sah seitwärts.und seufzte:.„Ja, wahrhaftig, es ist mein eigener leiblicher Bruder.Er ist in der Straße Kaufmann. Er ist ein böser Mann, ichmuß es schon sagen— und ich hätte es nie verraten, wennmir das Kind nicht leid täte. Aber Sie müssen mir zu-schwören, gnädige Frau, daß Sie nicht verraten, wer Sie aufdie Spur gebracht hat."Regina hörte nicht mehr, sondern frug atemlos:„Und wie geht es dem Kleinen jetzt?"„Dem Kleinen? Ha, ha— ja, rein körperlich ganz gut.Aber in einem solchen Hause ist nicht gut aufwachsen. Ichwollte Ihnen nur mitteilen, was mein eigener leiblicher Brudermir getan hat..."„Wo wohnt er?"Und als die Adresse genannt war, flog Regina zur Türhinaus.(Fortsetzung folgt.�I�aturwiflenscbaftlicbe QcbcrlichtVon Curt Grottewitz.Mitten durch ganz Deutschland zieht sich eine lange Kette vonGebirgen, die deutschen Mittelgebirge. Nicht allzu hoch, nicht ganzlückenlos mit einander zusammenhängend, und in der mineralischen Be-schaffenheit ihrer Gesteine von einander verschieden, scheinen siewenig Zusammengehörigkeit zu einander zu besitzen. Und doch sindalle diese Bergzüge von dem rheinischen Schiefergebirge, ja schonvon den belgischen Ardennen an, über den Harz, Thüringen bis zumRiesengebirge die Glieder eines einzigen großen Gebirges. Inaltersgrauer Zeit, einst im Verlaufe der Steinkohlenperiode wurdedieses ungeheure Gebirge, das den Alpen an Ausdehnung wenignachgegeben haben mag, aufgerichtet. Auch an Höhe dürfte es denAlpen, die sich erst in der Tertiärzeit aufgetürmt haben, nicht nach-gestanden haben. Es war ein gewaltiges Hochgebirge, das aber imLaufe der Zeit durch die Zerstörungskraft des Wassers stark ab-getragen und in einzelne Gebirgsstöcke zerteilt wurde.Im Westen strahlte von diesem gewaltigen Hochgebirge derSteiniohlenzeit nach Süden zu ein langer Bergzug aus. VomTaunus und Spessart an bildet der Odenwald und der Schwarz-wald auf der rechtsrheinischen Seite, auf der linksrheinischen dieKette der Vogesen die Glieder dieses Gebirgsflügels. Heute ist dieserdurch die breite Rheinebeue in zwei lange Hälften geteilt. Eine dermerkwürdigsten Katastrophen nämlich hat diesen alten Gebirgsfliigelbetroffen. Durch eine Auseinanderzerrung der großen Erdscholle,auf der er sich erhob, entstand eine breite Spalte und in dieserversank der ganze mittlere Teil des langen Gebirgsflügels. Errutschte hinab in die Tiefe, so daß also die Schichten, aus denen erzusammengesetzt ist, ebenfalls in die Tiefe zu liegen kamen. Undan der verschiedenen Lage der Schichten im Gebirge rechts und linksdes Rheins und in der Rheinebene selbst kann man ja erkennen, daßder Boden der Rhcinebene in die Tiefe hinabgesunken ist. DerStrom benutzte später diese berühmte„GrabenverseUkung" desRheinthales, um seine Wassermassen hier nach Norden zu führen.Wollen wir uns eingehender über das Schicksal des gewaltigenHochgebirges der Steinkohlenzeit unterrichten, so müssen lvir uns eineinzelnes Glied desselben geologisch genauer ansehen. Da hat z. B.über die Oberflächengestaltung im Odenwald Fritz Jäger(Forschungenzu der Landes- und Volkskunde, XV 3, Stuttgart Igttts eine kleineSchrift versaßt. Auch der Odenwald ist nur ein kläglicher Rest undein durch Versenkung und Erosion der benachbarten Teile ab-gesprengter Block des ehemaligen Hochgebirges. Die Gesteins-schichten, aus denen er besteht, sind zum Teil kristalline Schiefer.also alter Urgebirgsboden unseres Planeten, zum Teil sindsie im Altertum der Erde bis in die Steinkohlenzeithinein abgelagert worden. Bis auf die untere Karbonstufe sindnämlich die Schichten parallel— in der Geologie sagt man kon-kordanr— übereinander gelagert. Es folgen aber darauf noch Schichtender oberen Karbonzeit, und diese liegen nicht parallel aus, sonderndiskordant. Daraus folgt, daß die Auffaltung zum Gebirge zwischenunterer und oberer Steinkohlcnperiode erfolgt ist. Denn nur biszum unteren Karbon sind die Schichten von der gebirgsbildendenKraft eingefaltet und emporgewölbt worden. Als die Auffaltungzum Gebirge erfolgte, lag der Odenwald zum größten Teile nochunter dem Meeresspiegel, er bildete eine mächtige Erhebung überdem Meeresgrunde, die teilweise als Insel eniporragte. Der Ozeanlagerte aus dem submarinen Gebirgsstock, während der Karbonzeitund auch noch später bis ins geologische Mittelalter hinein seine Sand-.Kalk- und Tonmassen ab. Natürlich sanken diese Abfallmassen