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Und Wochen und Monate verstreichen.

Sie ist nicht wach, aber sie schläft auch nicht. Sie reist, Jede neue Enttäuschung rigte eine neue Furche in ihr aber das Schiff fährt viel zu langsam, sie reist ununterbrochen, Gesicht und strich eine neue Lichtung durch das einst so dunkle aber der Zug hält an und bleibt stehen, es ist zu toll, aber Haar. Im Hotel mußte jeder bei Tische diese schwarz- er steht und weigert sich weiter zu fahren. Nein, dieses Mal gekleidete Frau mit dem blassen Gesicht und den langen ist es nicht die Eisenbahn, sie schreitet über einen Weg, sie schönen Augenwimpern bemerken. Sie schien von unbestimm- läuft, aber die Füße sind zu schwer und versagen den Dienst. barem Alter, fie fonnte jung und sie konnte alt sein, es war Sie ist auf einer Heide, dort ist es ganz dunkel, darüber unmöglich zu erkennen. wölbt sich gelbschimmernder Sturmhimmel, an dem große, Worauf ihr Auge fiel, was ihr Ohr erfaßte, sie setzte schwarze Wolken in dampfendem Wirbel hinjagen. alles nur mit dem Einen in Verbindung, außerhalb dessen Sie ringt sich vorwärts gegen den kalten Wind. Hinter nichts auf der Welt für sie existierte. Ein zufälliges Gespräch sich hört sie Fußtritte, und sie erkennt sie gut und beginnt zu in einem Eisenbahnwagen konnte ihr eine ausgezeichnete Idee laufen. Sie wagt sich nicht umzusehen, und doch sieht sie geben, die auf eine neue Spur führte, einen neuen Ausweg während der ganzen Zeit dieses fleischige Gesicht mit dem eröffnete. Wenn sie sich unter Menschen bewegte, suchte sie Sinebelbart und den guten Augen. Er will ihr auch jetzt stierend mechanisch die Beiden zu finden, deren sie sich jetzt so nichts. Böses antun, er will ihr nur sagen, daß er ihr auch deutlich erinnerte. Und wenn sie sie fand, würde sie sich dieses vergibt.. ... Dieses, sie weiß wohl schon. Warte natürlich nicht genieren. ein wenig, laufe nicht so schnell, meine liebe Gattin, Du Und je mehr Zeit verfloß, und je mehr sie zit ahnen be- hörst ja, ich will Dich nur umarmen und Dir sagen, daß ich gann, daß sie sich dem Abgrund nähere, wo sie Halt machen alles vergebe. Freilich verstreust Du jetzt in alle Winde das müffe, alles aufgeben und bekennen, daß sie einen unschuldigen Geld, das ich gesammelt habe, aber es macht nichts, Du hörst Mann nutzlos gemordet habe,- um so heftiger und un- ja, ich sage, ich verzeihe Dir." geduldiger wurde sie auf Reisen: die Postpferde liefen Und sie läuft und läuft, um fortzukommen. Ihr folgt zu langsam, die Eisenbahnen waren ungeordnet, die Dampf- ein Vogelschwarm, jawohl, es sind ihre Erinnerungen- diese fchiffe machten sie rasend, wenn sie fünf Minuten Verspätung hatten. und jene und diese. Einige locken so milde, andere Aber sie besaß ja noch ihren Reichtum und Zeit hatte sie schreien so häßlich, und sie können niederschlagen, wenn sie auch noch genügend vor sich, es galt nur auszuharren, es galt nur stillesteht, nur stillesteht, sie darf es nicht. Und doch nur auszuharren! wollen die Füße nicht folgen, sie kleben fest, und sie kommt nicht weiter.

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Da kommt eines Tages ein Brief von einem der Rechts­anwälte, der sie auf einen Augenblick ganz verivirrt macht. Sie fährt plöglich im Bette auf und springt auf den Boden, Er berichtet, daß ihr Kind ganz bestimmt im Lebensalter von zündet ein Licht auf dem Nachttisch an und bleibt dann auf einigen Monaten gestorben sei, die Pflegeeltern seien eine dem Bettrande siken. Hardesvogtfamilie in Drammen . Aber der Mann sei auch ,, D, mir träumte, gewiß etwas Schlimmes, und es ist gestorben und die Witwe sei nach dem Auslande verzogen. erst ein Uhr. Regina, weshalb kehrst du nicht um, du mußt Der Rechtsanivalt war überzeugt, daß hier das Geheimnis diefen Alp abschütteln." läge, und jetzt wollte er versuchen, die Witwe zu finden. Aber nach Verlauf eines Tages fand Regina diefen Ge­danken, daß ihr Kind gestorben sei, allzu unmöglich. Nein, in allem mußte doch ein Sinn liegen. Diese Rechtsanwälte man konnte nie auf sie bauen. Wer wußte, ob dieser nicht im Einverständnis mit den wirklich Betreffenden war und fie auf Frrwege führen wollte? Nein, es sollte nicht glücken, fie jetzt noch zum Aufgeben zu bringen, es sollte wahrlich nichtglücken. Und sie reiste wiederum, aber von jetzt ab öffnete sie nicht mehr die Briefe dieses Rechtsanwalts, sie wollte nicht wissen, ob er die Frau fand. Man konnte an nichts glauben, fie durfte nur auf sich bauen.

Aber während Leiden und Beschwerden dieses Kind immer foftbarer machten, begannen gleichzeitig ihre Vorstellungen über dieses Kind sich anders zu gestalten, nahmen ihre Zuflucht zu märchenhaften Träumen. Es stand vor ihr auf einem fleinen, sonnenbeschienenen Streifen Erde , in einem gelobten Lande, wohin sie einmal gelangen sollte, um für ewig auszuruhen. Es wurde schließlich zu einem unbestimmbaren Paradiese, wo teine Sünden und feine Reue die Pforten überschreiten, und wo sie erlöst würde, sobald sie nur hingelangt sei. Man mußte nur ausharren, man mußte nur ausharren

Aber dann mußt du alles bereuen. Da mußt du dich ihm auf Gnade oder Ungnade ergeben, ganz willig sein, das Teuerste opfern. Und dann? Dann hast du ja alles ver gebens getan. Dann fängst du wieder von vorn an. Nein, das vermag ich nicht ich muß zuerst den Knaben finden. Aber angenommen, Du stirbst diese Nacht. Und ihm wiederbegegnen ihm und aus seinem Munde hören, daß er Dir vergibt, das wäre schlimmer als alles, ich vermag es nicht, ich will es nicht aushalten.

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Wenn man sicher wäre, daß es kein Jenseits gäbe? Wenn man verschwinden könnte wie ein weißer Rauch? Aber niemand weiß es, niemand weiß es.

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Dieses Leben es ist ein merkwürdig buntes Tuch. Ich lege selbst Schlinge auf Schlinge, der Faden läuft in meiner Hand, aber ein einziger Fehlgriff fann nie ungeschehen ge­macht werden, er zerstört unerbittlich das kostbare Tuch.

Wie groß ist wohl meine erste Schuld? Damals- hätte ich fünf Stronen mehr gehabt, so daß die Anstalt bezahlt werden fonnte so wäre jetzt vielleicht alles anders.

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Aber jetzt kann es nicht umgeändert werden in Zeit und Ewigkeit kann es nie geändert werden.

Hier liegst Du, und Gott sei gelobt, daß noch nicht alle Hoffnung geschwunden ist. Du mußt nur noch etwas stand­halten. Vielleicht liegt morgen alles ganz anders. Und da- und dann? Alles wird vergessen sein, und ich will danken und preisen.

Schließlich begann sie einzusehen, daß sie an den ver schiedenen Orten, wo sie gewesen war, nicht die richtigen Fragen gestellt, den Leuten nicht hinreichend scharf in die Augen geblickt habe, als sie antworteten. Sie konnte fich eine ganze Nacht hindurch grämen, daß fie Aber hier liegst Du und läsfest die Zeit verstreichen, nicht so gefragt habe und fo und fo. und falls er jetzt bei dem Pfarrer ist? Falls er frant ist und Schließlich begann sie wieder zu diesen Leuten zu reisen in dieser Nacht sterben kann?- Hier liegst Du, bist Du ganz und immer wieder zu anderen.

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Da benachrichtigt sie eines Tages der Advokat, der ihr Vermögen verwaltet, daß Flatens Schwestern Schritte getan hätten, daß das hinterlassene Vermögen zwischen ihr und dem Sohne geteilt werde, ehe die Mutter alles verschwende.

Eine von Flatens Schwestern bat auch um die Erlaubnis, den Knaben bei sich erziehen zu dürfen. Regina ging auf alles ein, um von dieser Seite in Frieden gelassen zu werden. Aber sie empfand es doch als aufziehendes Ungewitter, diese erste selbständige Botschaft des kleinen Flaten, der un­aufhaltsam wuchs, unaushaltsam näherte sich die Zeit, der Zag, da er kommen fonnte. Und kommen würde er. Eile tat also not, solange es Zeit war.

XXI.

Und die Zeit streicht hint.

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von Sinnen?

Und sie springt auf, klingelt im Hotel und beginnt sich eilig anzuziehen. Sie muß wieder flingeln und endlich kommt das schläfrige Mädchen. Sofort Bostwagen bestellen. Jawohl, es ist Nachtzeit, aber nehmt doppelte Bezahlung, der Wagen muß augenblicklich bereit sein.

Und in der Nacht rollt ein Kariol lärmend von dannen.

Ferienwanderungen

der Volksfchüler.

Unsere Voltsschule ist nicht imftande, ihre Aufgaben zu erfüllen. Mangelhafte Organisation, unzeitgemäße Methode und vielfach ganz unzulängliche Vorbildung der Lehrkräfte hindern sie daran. Der Schul wagen ein Bild von Pestalozzi- stedt tief im Sumpfe. Die Regina liegt unter den feuchtkalten Hotelbetttüchern und förperliche Erziehung der Jugend wird so gut wie völlig vernachlässigt, zittert und blickt ins Dunkle. die geistige sayrect durch ihre Unfruchtbarkeit und Einseitigkeit, die filt­