Wnterhaltungsblatt des Horwürks Nr. 79. Donnerstag, den 20. April. 1905 (Nachdruck verboten.) 2] Brennende Liebe. Eine Geschichte aus der Eiset. Von Klara Viebig . Der Gendarm hatte den, deswegen sie kamen, schon beim Kragen gepackt und ihn niedergeduckt mit einer Faust, die an Widerstreben gewöhnt war. Ofen-Willelm dachte nicht daran, sich zu sträuben: scheu die Schultern hochziehend und den Kopf zwischen die Schultern steckend, duckte er sich. Nur einen unzufriedenen, unbehaglichen Laut stieß er aus, wie unsanft aus dem Schlaf gestörte Kinder tun. Die Alte, die der laute Ruf des Gemeindevorstehers nicht geweckt hatte, wurde jetzt sofort wach und setzte sich im Bette auf: Willelm, wuh biste? Wat haste, Willelm?" Hän es hei nor ruhig," sagte der Gemeindevorsteher und tappte nach dem Herd, die Glut aufzustören, daß sie hell leuchtete.Kathrein, seid eweil verstännig, maacht kein Ambra!') Dan Willelm hei, dän hole mir eweil ebbes mit, dän dän soll dän muß dän--" Dän Willelm mitholen waor dann?!" Das Weib stutzte.Dän Willelm ,, dän bleiwt hei," sagte sie kurz ent- schlössen und tastete nach ihren Röcken auf dem Schemel am Bett. Bleiwt nor liegen, bleiwt noren! St---!" Der Gemeindevorsteher wollte ihr die Hand auf den Mund legen, aber schon hatte sie die goldenen Knöpfe der Uniform Klinkern sehen, und in sinnloser Angst vor'm Gen- darmen einen hellen Schrei ausgestoßen. Mit beiden Füßen zugleich fuhr sie aus dem Bett und stand nun zitternd vor den Männern. Was wollten die hier?! Bei Nacht noch dazu?! In verständnislosen! Entsetzen irrten ihre Augen von einem zum andern. Nun sah sie den Griff, mit dem der Gendarm ihren Willelm gepackt hielt. Was, was hatte ihr Willelm getan?! Nichts hatte der getan, loslassen sollten sie ihn, gleich auf der «stell'! Zeternd ging sie gegen den Gendarmen an, aber der schob sie unsanft beiseite. Halt Euer Maul, Frau," sagte er kurz,macht Euch kein Ungelegenheit. Voran!" Er stieß den Verhafteten zum Fortgehen in den Rücken. Aber die alte Frau packte ihn am Uniformschoß und hielt ihn fest mit ungeahnter Kraft. Dän Willelm , dän Willelm, " schrie sie in höchsten Tönen, wat haot hän dann gedahn, wat haot hän dann gedahn?! Hähr Schandarm, och, laoßt hän doch hei, dän maocht jao sein Läwen kein Schpitackel, dän gieht jao gleich in't Bett, dän säuft net, dän zankt net, dän es alleweil ruhig och, duht ihm neist! Jeses Maria, Hähr Schandarm, liewer Hähr Schandarm, duht dem Könd neist!" Die Zähne klapperten ihr in Furcht und Schluchzen: sie hatte den Uniformschoß fahren lassen und versuchte nun. ihren<>n Sohn dem eiserne� Griff zu entwinden. Sie wußte wohl!..Männer �bauden und setzten die Mandeln aus. und die ahffottegrafiere laoßen siR sein Modder on se alle Jaohr uf einen Dag besucht! Och, hän es esu gud, glauwt et doch noren! Ech will stärwen uf der Stell, wann ech net de pure Waohrheit saonl Nikla" sie wandte sich flehend an den OrtsvorsteherNikla, dir kennt mech seit Menschegedenk', saot, haon ech Eich je wat fürgemaach? Helft mer doch! Laoßt hän doch hei!" Sie machte Anstalt, seine Knie zu um- klammern. Seit doch net esu gäck, Kathrein," murmelte der Orts- Vorsteher zurückweichend,Eier Willelm kömmt jao bal redur, et es nor für dat hän sich ausweist dat hän hm!" Verlegen mied er den angswoll sich einbohrenden Blick der Frau.Hm, dat mer et zu wissen krieht no, dat hän et net es, dän hei alleweil dat Feuer anfänkt!" Dat Feuer hei dat Feuer?!" Ganz verwirrt glotzte die Frau nach ihrem Herd., dat sänken ech immer sälwer an!" Och was!" Der Gendarm wurde ungeduldig: ohne viel Aufhebens hatte man den Kerl fortschaffen wollen, und nun dauerte das Gezeter schon so lange, daß bald die ganze Straße voll Neugieriger stehen würde.Dummes Weibsbild, von dem Feuer is ja gar keine Red'! Brand hat er angelegt, der Schubjack! Voran jetzt, marsch!" Er stieß seinen Häftling der Tür zu. Der Willelm Brand angelegt?! Die alte Frau hob ver- wundert die Hände. Es konnte einer glauben, ihr Willelm hätte Brand angelegt?! Jeses Maria," sie schlug ein Kreuz und faltete dann die Hände,esu en Sünd!" Das war ja ein Verbrechen! Ihr Willelm ein Verbrecher? Das war ja beinah zum Lachen! Ha, ha!" Sie stieß ein kurzes, aufgeregtes Lachen aus: , Hähr Schandarm, su ebbes duht dän Willelm net!" Allans," sagte der Gendarm und schob den Willelm zur Tür hinaus.Das wird sich ja finden. Hat der Kerl's nicht getan, werden se'n Euch schon bald retour schicken!" Ja, das würden sie auch! Des war sie ganz sicher. ** So bald, wie die Witwe Driesch sich's gedacht hatte, kam ihr Willelm nun doch nicht zurück. Viermal schon war sie darum in des Ortsvorstehers Haus gewesen, und auf der Straße, auf dem Acker schrie sie ihm nach: Häh, Nikla, wanneh kömmt dän Willelm redur?" Auch er wußte nichts, zuckte nur die Achseln und ver- tröstete sie. sah er ihr banges Gesicht und ihre verlangenden Augen, mit seinem steten:Seid doch net esu gäck, Kathrein, hän kömmt bal redur!" Nun waren schon vier Wochen ins Land gegangen: das Tannenwäldchen beim Dorf strömte überstarken Harzduft aus, langsam sickernde, bernsteinfarbene Rinnsale tränten die rissigen Stämme hinab, alle Feuchtigkeit schien den Bäumen entwichen, Durch die Stille des Augustmittags hörte man das Fallen der Nadeln und das Knistern von Zweigen und Zweiglein. Zu sehr hatte die Sonne ob ihnen geglost. Heber die Felder kam mehliger Duft: das Korn war ge- hauen. In Schwaden lag's am Boden: die Weiber rafften, selbst nicht, daß sie dabei kratzte und kniff. Der Gendarm hatte alle Mühe, die Frau abzuschütteln, zumal sein Arrestant, durch das Beispiel der Mutter angesteckt, sich auch zu sträuben begann. Endlich schaffte ein kräftiger Stoß die Alte beiseite, und Handschellen, im Nu aus der Tasche gezogen, fesselten den Verbrecher. In't Kittchen ?!" Der gellende Schrei der Frau hallte von den rußigen Wänden wider. Sie lag auf den Knien und rang die Hände:Nikla, Nikla! Höhr Schandarm! Hährgott im Himmel! Wat haot hän dann gedahn?! Ech schwören, dän es esn unschullig wie neugeboren! Dän fchnied't ke Gros uf andrer Leut's Wies, dän bricht ke Aestche im Wald ahl dän es noch nie öwer dän Zaun gestiegen, für Aeppel zu plücken beim Hähr Pastor glauwt et, glauwt et doch, bei meiner ewigen Säligkeit, dän es esu ene gude Jung! Hän haot mer immer Kaffee on Zucker erufgeschickt, on en schwaarz Schürz für nach der Kirch ze giehn, on hän haot sich ). embarras. Kinder, die jetzt frei an der geschlossenen Schultür vorüber durften, liefen über die Stoppel und sammelten die verstreuten Behren. Das Dengeln der Sensen am Feierabend, diese ein- tönige Musik des Dorfes, hatte aufgehört, dafür knarrten jetzt am Tage die Ochsenwagen über die zu tennenhartem Lehn ge- brannte Straße hinaus, undhott und Hahr" und Peitschen- knall erschütterten die Luft über den flimmernden Feldern. Alles war draußen. Nur Kathrein Driesch nicht: die hatte nichts zu ernten. Still faß sie in ihrer Hütte und hörte, war das Rattern der ausziehenden Wagen verstummt, nichts als das Surren der Fliegen und das Knastern des Reisigfeuers, im Herd. Sie schürte, wie immer, denn wenn er heimkam« sollte er's doch nach seinemEhs"') finden. Und wie sie jo dasaß, lässig die Hände, sie konnte nicht arbeiten, was auch, wozu auch, er war ja nicht da kamen ihr die Gedanken: Jesus , wenn sie dem Willelm was antaten?! Wie lange hielten sie ihn denn nur da?l Nun glaubte sie dem Nikla nicht ) ä son aise.