315 Und ein Durst nach Glütf. das Verlangen, einen Freund zu finden, jemand sein eigen zu nennen, ihn zu umarmen und zu küssen, nur an ihn zu denken und für ihn zu sorgen, wuchs stärker und stärker in ihm und erfüllte ihn mit einem neuen, unbekannten Gefühle der Traurigkeit und Unruhe. Er ging nach Hause, tief in sich versunken. Und die ganze Um- gebung erschien ihm wie in einen Nebel gehüllt. Zu Hause, als der Abendtisch gedeckt wurde, schalt seine Mutter auf da? Mädchen Gruscha  . Die Alte war überhaupt zänkisch und anspruchsvoll; sie schirupfte laut auf das halbwüchsige Ding und schien nicht weit entfernt, fich an dem Mädchen zu vergreisen. Gruscha  , die vergeblich versuchte, fich zu rechtfertigen, stand leise schluchzend, mit Tränen in den Augen da und wischte fich fort- während mit ihrem schmutzigen Aennel das Gesicht. Pistschichin, der dieser Szene zusah, fühlte zum erstenmal das Widerwärtige einer solchen Situation. Ms er beim Abendbrot das verweinte ernste Geficht der Gruscha sah und ihre schlanke, biegsame Figur, erschien sie ihm sehr anziehend und lieblich trotz ihres kind- lichen Aussehens, trotz ihres sehr vertragenen Kleides, trotz ihrer schmutzigen Hände und ihrer zerzausten Haare, und unwillkürlich er- faßte ihn ein Unwillen über diesen Schmutz und diese Nachlässigkeit, an der zum größten Teile seine Mutter Schuld war. Warum trat er nicht für sie ein? DaZ junge Ding überhäufte man mit schmutziger, über ihre Kräfte gehende Arbeit, man ließ ihr keinen Augenblick zuni Ausruhen, ernährte sie schlecht und zankte obendrein noch mit ihr, der Wehrlosen. Und er beschloß, es ferner nicht mehr zuzulafien, daß man ihr Unrecht tat. Als sie ins Zimmer kam, sah er sie wieder verstohlen von der Seite an.... Wie hübsch es doch ist, dieses blonde, gut- gewachsene Ding, das gekränkt, mit gesenkten Augen hereinkommt I Wie lebhast, voll halbkindlicher Grazie und jugendlicher Kraft sie doch ist l Und den ganzen Abend fühlte er etwas Gutes und Frohes in fich aufleben, das seine besten Eigenschaften weckte und ihm eine unklare Hoffnung gab, daß es ihn aus der Verzweiflung, in die er zu verfallen drohte, herausreißen würde. Am Abend schlief er zwar unruhig und mißtrauisch ein, aber er war nicht mehr in jener verzweislungsvollen Stimmung, in der er vom Spaziergange heimgekommen war. Im Traume sah er die junge interessante Dame mit dem mädchen- hasten Wuchs. Auf ihrem Geficht lag derselbe Ausdruck des Vertrauens und der Zärtlichkeit, den er im Walde beobachtet hatte. Und so sah sie ihn, die Reizende, Unerreichbare, von der Ferne an, und er zitterte vor Unruhe und Glück. Plötzlich aber sah er neben sich an einen Riesenbaumstamm gelehnt die kleine Gruscha. Sie steht, das Geficht mit dem Aermel verdeckt, und weint bitterlich, und ihr schmutziges dünnes Kleidchen zittert auf ihrem jungen, geschmeidigen Körper. Er weiß nicht, was er tun soll; aber es zwingt ihn etwas, nicht zu zögern.»Es ist Zeit, höchste Zeit," hört er eine Stimme. Aber was tun? Kalter Schweiß bedeckt seine Stirn und nun entschließt er fich... Und wieder vernimmt er dieselbe Stimme. .Es ist Zeit", sagt sie... Und Pistschichin erwacht. Vor ihm steht fern Vater mit spöttisch ernstem Blick, wie immer nach seiner Trunkperiode und zieht ihm die Decke vom Bett herunter. 3. Es war Feiertag, und wieder wie damals bei der ersten Be- gegnung des Paares im Walde strahlte die Frühlingssonne. Plstschichin fühlte, wie dieselbe trübe Stimmung der Verlassenheit und des UeberflüssigseinS von neuem an ihn heranschlich, und seine Seele lechzte nach Teilnahme und Liebkosung. Als Gruscha nach dem Tee das Geschirr forträumte, bemerkte er, daß sie leise vor sich hinweinte. Er ging auf sie zu. .Aas ist Dir, Gruscha?" Sie fing an, bitterlich zu weinen, ohne zu antworten. Pistschichin neigte fich zu ihr und sagte teilnahmsvoll:.Nun, worüber weinst Du denn, und warum willst Du es mir nicht sagen? Vielleicht kann ich Dir helfen." .Ich habe gebeten, nach Hause gehen zu dürfen... aber sie läßt mich nicht.... Ich habe mich schon für heute angesagt... es ist doch heute Feiertag," sagte sie schluchzend. Nun, weine nicht, Gruscha, ich will mal zu ihr gehen, viel- leicht läßt es sich doch machen. Nun hörst Du, weine nicht, sag' ich Dir, na!" Er nahm ihre Hand, Gruscha   bemerkte dies kaum. Sie zog ihre Schürze vom Geficht und hörte auf zu weinen. Beide schwiegen. Sie werden es der Frau Mutter sagen? Sie wird es aber doch nicht erlauben!' sagte sie mißtrauisch und sah ihn mit ihren naiven Kinderaugen, die noch voller Tränen standen, groß an. .Sie wird es schon erlauben... mir zuliebe." Und er streichelte langsam-ihre kleine Hand. Dann maß er sie mit einem traurigen Blick und sagte: .Gruscha  , auch heute läufft Du so schmutzig umher. Warum ziehst Du Dich nicht an? Heute ist doch Festtag... Alle putzen sich heute...." .Ich wollte ja auch... dachte, wenn ich nach Hause gehe... im Dorf da gehen sie alle heut spazieren" sagte fie noch immer seufzend. Welchen Weg willst Du gehen? Durch den Wald? Weißt Du was, dort treibt fich jetzt allerlei Volt herum, man kann Dir dort was antun... Ich werde mtt Dir gehen, ich werde Dich Flesten... ich wollte sowieso dort heute spazieren gehen," sagte Wenn fie mich man läßt," sagte Gruscha   gedankenvoll nach einem Punkt starrend. Aber Pistschichin war fest entschlossen, es durchzusetzen, und ging zur Mutter. In einer halben Stunde war alles in Ordnung. MS er es Gruscha   mitteilte, wurde fie gleich heiterer Stimmung und begann wie besessen im Zimmer herumzurennen, um schnell die begonnene Arbeit zu beenden. Rachher ging fie in die Küche, um die Vorberei» tungen für den Weg zu treffen. Bald erschien fie sauber angeputzt und fröhlich im Zimmer. Es war etwas Neues an ihr zutage getreten, eine junge unbewußte und deshalb anziehende Grazie. Pistschichin sah fie, indem er Toilette machte, verstohlen von der Seite an. Er war verwundert und bestürzt über das Reue, das er unerwartet an ihr bemerkte. Sie gingen zuerst lange Zeit schweigend nebeneinander her. Ms fie im Walde waren, erschien plötzlich ans Gruschas Geficht, das er beobachtete, ein Schatten, fie runzelte die Stirn. Was hast Du, Gruscha, was machst Du denn für ein Geficht?" Sie senkte die Augen. .Und zu Pfingsten, wenn fie mich nicht ausgehen läßt, werden Sie dann wieder ein gutes Wort für mich einlegen?" Cr blieb stehen. .Natürlich, Gruscha  , wie sollte ich das nicht für Dich tun? Ich werde für Dich alles wn. Du bist em so gutes, prächtiges Mädchen I" Und er streichelte ihre Hand. Gruscha   schwieg. Sie kamen an eine große Pfütze. Pistschichin ging zuerst hinüber und reichte ihr die Hand, Gruscha   faßte fie wie ein Kind mit beiden Händen und sprang leicht hinüber. Von nun ließ er ihre Hand nicht mehr los. Zuerst wurde fie etwas verlegen und errötete, im Gespräch aber vergaß sie das später. Die Unterhaltung stockte zuerst. Er war sehr verlegen und auf- geregt, und Gruscha. der die Situation neu und außergewöhnlich war, wußte nicht, was fie sagen sollte, sie fürchtete sich zu reden. Als fie an den alten Baumstamm kamen, sagte Pistschichin, in» dem er fie zurückhielt, mit veränderter Stimme: Warte mal, wir wollen uns hier ein wenig setzen." Gruscha   sah ihn naiv verwundert an und setzte fich. Nach eine» Weile ergriff er wieder ihre Hand. Gruscha  , woran denkst Du?" An nichts I... Mutter wird schon ungeduldig werden.., Wenn sie bloß nicht ärgerlich wird!" Weißt Du, an wen ich denke?" Sie sah ihn erstaunt an. An Dich, Gruscha  ,... Du bist so lieb, so heiter..." Sie schwiegen, Gruscha   zuckte leicht mit den Achseln. Wenn's nur nicht kalt wird zum Abend," sagte fie leise. Ihre Stimme klang eigentümlich. Plötzlich verstummte sie unter dem Banne seines durchdringenden Blickes. Ist Dir kalt? So rück doch zu mir, Gruscha  ... Lehn' Drch doch an mich!" Er legte seinen Arm um ihre Taille. Sie fühlte fernen Atem, fühlte wie er fie lange bittend ansah. Es wurde ihr unheimlich zu Mute, sie getraute fich aber nicht sich zu rühren. Es entstand eine Verlegenheitspause. Plötzlich umarmte er fie fest und drückte sie an fich: Gruscha I Liebste I" Und sich herabneigend, begann er stürmisch ihr Lippen, Augm und Gesicht zu küssen. Das Mädchen schien erstarrt vor Schreck und Ucberraschung, ern Krampf in der Kehle verhinderte sie aufzuschreien. Aber gleich nach« her fing sie mit Tränen in den Augen an sich loszureißen und schließlich schluchzte fie laut. Pistschichin gab erstamrt und mederge- schlagen ihre Hände frei. Gruscha   sprang auf und lief fort. Gruscha  . Gruscha I Wohin willst Du denn allem?' schne er ganz bestürzt und wollte ihr nachlaufen. t.. r_ Ich fürchte mich nicht allem I" weinte fie laut und l,ef schnell dem Dorfe zu...... Lange vernahm man noch in der Stille des alten, m Damme- rung eingehüllten WaldeS   ihr kindliches Schluchzen.--» Und Pistschichin ließ fich traurig mrd kraftlos auf den Baum- stamm nieder. Unbeweglich saß er und fühlte, wie langsam die ihm bekannte Verzweiflung von seiner Seele Besitz nahm. kleines feirilleton. k. Magie und Zauberei im alte« Aegypten. Von den viel- verzweigten Formen derMagie und Zauberei im alten Aegypten spricht Professor Alfred Wiedemann   in einem kürzlich erschienenen Hefte desAlten Orients  ". Zunächst macht der Gelehrte darauf aufmerksam, daß in der Mythologie der Aegypter, obwohl sie so wie etwa die homerische die Verhältnisse der Menschen mS Gott-