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Jeinen feden Schnurrbart fuhr und nannte seinen Namen. Dann schüttelte er dem Direktor die Hand und sagte:„ Es freut mich, einen Kollegen begrüßen zu können. Ich kann Sie verfichern, unser Ministerialdirektor ist die Liebenswürdigkeit in persona. Ich hatte mehrere Male die Ehre, von ihm empfangen zu werden. Zuletzt noch vor vier Wochen. Da hat er mich sogar aufgefordert, mit ihm zu frühstücken." " Haben Sie's getan?" fragte der Journalist. " Reider war der Herr Ministerialdirektor verhindert." 3 er immer."
Und ich habe hier Szenen erlebt. Ei weh!-Uebrigens Savon abgesehen, alle Achtung!' nen klareren Kopf finden Sie felten."
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Der dreißigjährige Krieg zog wie ein Gewitter, bas nicht über den Fluß kam", an Werder vorüber; die Brüde war weislich abs gebrochen", jedes Fahrzeug geborgen und versteckt, und wenn der scharf eintretende Winterfrost die im Sommer gewährte Sicherheit durch beständiges Aufeisen der Havel ihre infulare Lage wieder herzu gefährden drohte, so ließen sich's die Werderaner nicht verdrießen, zustellen. So brachen nicht Schweden , nicht Kaiserliche in ihren Frieden ein, und es ist selbst fraglich, ob der schwarze Tod", der damals über das märkische Land ging, einen Kahn fand, um vom Festlande nach der Insel überzusetzen.
Das war der Segen, den die Insellage schuf, aber es hatte auch „ Na, schließlich ist das doch auch zu viel verlangt. Aber Nachteile im Gefolge und ließ den von Anfang an vorhanden ges über Mangel an Entgegenkommen und Liebenswürdigkeit kann wefenen Hang, sich abzuschließen, in bedenklichem Grade wachsen. man sich wirklich nicht beklagen. Natürlich gehen diesen hohen Man wurde eng, hart, selbstsüchtig; Werder gestaltete sich zu einer Herren tausend Dinge durch den Kopf. Deshalb muß man seinelt für sich, und der Zug wurde immer größer, sich um die MenschAnliegen immer wiederholen. Nur nicht locker lassen! Ich bin heit draußen nur insoweit zu kümmern, als man Nußen aus ihr ziehen konnte. Diese Erklusivität hatte schon in den Jahren, die jetzt das vierte Mal hier in derselber Sache." dem dreißigjährigen Kriege vorausgingen oder mitt ihnen zusammen fielen, einen hohen Grad erreicht. Aus Aufzeichnungen aus jener Beit berichtet Fontane , dieser vortreffliche Schilderer der märkischen Zeit, folgendes: Die Menschen hier sind zum Umgange wenig geneigt und gar nicht aufgelegt, vertrauliche Freundschaft zu unterhalten. Sie haffen alle Fremden, die sich unter ihnen niederlassen, und suchen sie gern zu verdrängen. Vor den Augen stellen sie sich außen gleißen sie zwar, aber von inwendig sind sie reißende Wölfe. treuherzig, hinterm Rücken sind sie hinterlistig und falsch. Bon Sie sind sehr abergläubisch, im Gespensterfehen besonders erfahren, haben eine fauderwelsche Sprache, üble Kinderzucht, schlechte Sitten und halten nicht viel auf Künste und Wissenschaften. Arbeitsamkeit und sparsames Leben aber ist ihnen nicht abzusprechen. Sie werden felten krank und bei ihrer Lebensart sehr alt."
Und einen mit weitherzigeren Ideen ebensowenig," fügte Ser lebhafte Herr hinzu. „ Na, das nu irade. Sehn Se mal, der Mann is vor allem Beamter. Der sieht eben jeden drauf an: paßte mir in meinen Kram oder nich? Ideen sind dem janz schnuppe. Vor allem will er Ruh haben in der ollen Postkutsche denn bei dem heutigen Kurs-" " Chott, da haben Sie recht. Der neue Kurs- ultra montes, ultra montes
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Na ja, erst übers Wasser und denn über die Berge."
( Fortsetzung folgt.)]
( Nachdruck verboten.)
War dies das Zeugnis, das ihnen von 1620 oder 30 ein unter ihnen lebender" Stadtrichter", also eine beglaubigte Person, ausstellen mußte, so konnten 150 Jahre weiterer Exklusivität im Guten wie Bösen feinen wesentlichen Wandel schaffen. Und in der Tat, unser mehrfach zitierter Chronist bestätigt um 1784 nur einfach alles das, was Stadtrichter Irmisch( dies war der Name des um 1620 zu Gericht Sitzenden) so lange Zeit vor ihm bereits niedergeschrieben hatte.
„ Die Bewohner von Werder ," bestätigt Schönemann, suchen sich durch Verbindung unter einander zu vermehren und nehmen Fremde nur ungern unter sich auf. Sie sind start, nervig, abgehärtet, sehr beweglich. Sie stehen bei früher Tageszeit auf und gehen im Sommer schon um zwei Uhr an die Arbeit; fie erreichen 70, 80 und mehr Jahre und bleiben bei guten Kräften. Ihre Kinder gewöhnen sie zu harter Lebensart. Im frühesten Alter werden sie mit in die Weinberge genommen, um ihnen die Liebe zur Arbeit mit der Muttermilch einzuflößen. Die Kinder werden bis zum achten oder neunten Jahre in die Schule geschickt, lernen etwas lefen, wenig schreiben und noch weniger rechnen. Die meisten bleiben ungesittet; das kommt aber nicht in Betracht, weil ihnen mehr an dem Gewinn gelegen ist. Viel natürliche Fähigkeiten sind bei ihnen nicht anautreffen, und sie halten fest am Alten. Sie lieben einen springenden Tanz und machen Aufwand bei ihren Gastmählern. Im übrigen aber leben sie spärlich und sparsam und suchen sich durch Fleiß und Mühe ein Vermögen zu erfverben."
Werder , das eine Meile westlich von Botsdam auf einer Havel infel gelegene Städtchen, ist augenblicklich wieder der Zielpunkt Tausender Berliner Ausflügler, die sich an der prächtigen Baumblüte erfreuen wollen. Mit jedem Schritt, der uns vom Bahnhof an fleinen, meist einstöckigen Häusern, von denen eine große Anzahl auf dem Firmaſchilde die Bezeichnung" Fruchtsaftpresserei" trägt, vorbei in das eigentliche Fruchtgefilde führt, wächst das Erstaunen und Entzücken über die selbst für den Nichtpomologen auf den ersten Blid als Gartenfulturen erster Qualität fenntlichen Anlagen, die mitten aus dem märkischen Sande gleichsam hervorgezaubert zu sein scheinen. Und vollends die Aussicht vom Wachtelberge über die mehrere Meilen lange Linie, die in weißen, mit dem Rosa der Pfirsiche durchwebten Blütenschimmer getaucht ist, findet wieder un zählige Bewunderer. Bei diesem köstlichen, dem Auge und Gefühl gleich wohltuenden Blick kommt aber wohl nur wenigen zum Bewußtsein, daß das Blütenmeer zugleich einen bedeutenden wirtschaft lichen Faktor repräsentiert, nicht nur für die Bewohner des Städtchens Welche Stabilität durch anderthalb Jahrhunderte! Im übrigen, felbst, sondern auch für die Hauptstadt in dessen Nähe, die Werder wenn man festhält, wie tief der Egoismus in aller Menschennatur als ihre Obstkammer betrachtet, und als solche bezeichnen kann. überhaupt steckt, und daß es zu alledem zwei Fremde", zwei ZuGerade jetzt, da die Baumblüte in vollster Entwickelung steht, dürften gezogene" waren, die den Werderanern die vorstehenden, gewiß nicht einige Daten über Werder und seine Bewohner, sowie über den Obst- all zu günstig gefärbten, Zeugnisse ausstellten, so kann man taum verkehr von Werder nach Berlin interessieren.
Stadt Werder," wie ihr Chronist Ferdinand Ludwig Schöne- behaupten, daß die Schilderung ein besonders schlechtes Licht auf die Inselbewohner würfe. mann in einem 1784 erschienenen Buche erzählt, liegt auf einer „ gänzlichen Insel"; diese umfaßt 46 Morgen. Zur Sommerzeit, Nach dem dreißigjährigen Kriege wurde schon Kern- und Steinwenn das Wasser zurückgetreten, kann man die Insel in einer Stunde obst gebaut, für das damals, wie heute noch, Berlin der Absahmarkt umschreiten; sie aber zu umfahren, sei es in einem Kahn oder einer war. Hierauf deutet auch ein Patent vom 26. Juni 1693 hin, durch Schute, dazu sind zwei Stunden erforderlich. Ein solches Umfahren der Insel an schönen Sommerabenden gewährt ein besonderes Vergnügen, zumal wenn des Echos halber die Fahrt von einem Waldhornisten begleitet wird." Der Chronist hat hier eine romantische Anwandlung, die wir hervorgehoben haben wollen, weil sie in seinem Buche die einzige ist. Der Boden der Insel ist fruchtbar, größtenteils fett und schwarz.
Was die Entstehung der Stadt angeht, so heißt es, daß sich die Bewohner eines benachbarten Wendendorfes, nach dessen Zerstörung durch die Deutschen , vom Festlande auf die Insel zurüdgezogen und hier eine Fischerkolonie gegründet hätten." Doch beruht," wie Schönemann hervorhebt, die Gewißheit dieser Meinung bloß auf einer unsicheren Ueberlieferung.
Unsicher vielleicht, aber nicht univahrscheinlich. Das umliegende Land wurde deutsch , die Havelinsel blieb wendisch. Die Gunst der Lage machte aus dem ursprünglichen Fischerdorfe bald einen Flecken ( als solchen nennt es bereite eine Urkunde aus dem Jahre 1317), und abermals 100 Jahre später war aus dem Flecken ein Städtchen geworden, dem Kurfürst Friedrich II. bereits zwei Jahrmärkte bewilligte. So blieb es im allmählichen Wachsen, und seine Insellage wurde Ursache, daß keine Rückschläge erfolgten, und Stadt Werder alle Zeitenwirren durchmachen konnte, ohne die Kriegsrute zu empfinden, die für das umliegende Land wie für alle übrigen Teile Der Mark Brandenburg oft so hart gebunden war.
das den Obstproduzenten statt des Verkaufsplatzes auf dem Molkenmarkte eine Stelle am Ufer der Spree zugewiesen wird. Seit jener Beit mehrte sich die Anlage von Obstbergen von Jahr zu Jahr, ſodaß gegenwärtig das ganze für Obstkultur bebaute Areal gegen 7000 Morgen beträgt. Der Obstbau bildet für die mehr als 6000 Einwohner die Hauptnahrungsquelle, ja die meisten Handwerker, sowie die dort zahlreichen Fischer sind zugleich Weinbergsbefizer", und zurzeit der Kirschenernte steht tage lang manche Werkstatt leer, denn alles befindet sich im„ Weinberge".
Was verständnisvolle, energische Arbeit einem sonst mageren Boden einer Sandwüste abzuringen vermag, dafür bieten diese Obstanlagen und die trefflichen Früchte, die in ihnen wachsen, den besten Beweis. Die Anlage des in Stultur zu legenden Landes ist nach den uns gemachten Angaben folgende: Nachdem das Land 2½ Fuß tief rajolt" worden ist, werden die Bäume in Reihen, 16 und 18 Fuß von einander entfernt, gepflanzt, teils bunt durcheinander, teils nach den Obstsorten gesondert. Zwischen den Baumreihen stehen, ebenfalls reihenweise, die Johannisbeer- und Himbeersträucher, auf niedrigem Boden auch Stachelbeeren; ebenso, besonders an beiden Seiten der Grenzsteige, die Erdbeeren. Hin und wieder steht zwischen den Baumreihen auch noch ein Pfirsichbaum; Tomaten und Kürbisse, fotie Kartoffeln und Bohnen zum Hausgebrauch werden in die Dunglöcher gebracht. Große Sorgfalt wird auf die Düngung ber wandt, die nach einer besonderen Methode der Werderaner nennt
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