Goch ihre Tante, und Kenn sie zehnmal hier in Prun! und Reichtum saß. Gut, daß sie da saß, nun konnte sie wenigstens helfen, daß ihr armer kranker Mann wieder gesund wurde. „Na Mariechen, wirklich? Was führt Dich denn hierher?" Eine Stimme schreckte sie aus ihren Träumen auf. Tante KLanda stand vor ihr und streckte ihr die Hand entgegen:„Setze Dich, Du warst ja so lange nicht hier?" „Ja, Du weißt ja, Tante, Max war krank, er hat beinah sieben Wochen gelegen. Lungenentzündung und anderes dazu-.." „Ja eben. Du schriebst davon." Frau Wanda nickte...„Ich tvär' ganf. gern'mal hingekommen, aber Du weißt ja, meine Ver- pflichtungen, alle Tage muß man wo anders hin, und Ihr wohnt jja auch zu entfernt, in einer geradezu unmöglichen Gegend." „Schön ist sie nicht," sagte Marie. „Mehr als das, scheußlich ist siel Und die Luft da bei Euch— dkelhaftl Ich Hab' noch von meinem einzigen Besuch bei Euch genug. Da muß der Mensch ja krank werden." „Davon ist es bei Max nicht gekommen." Marie schüttelte den Kopf.„Ueberanstrengung; er hat noch Ueberstunden gemacht im Kontor, um ein paar Taler mehr zu verdienen. Aber freilich, die Luft kommt noch dazu.— Der Doktor hat auch gesagt, er müßte aus der Luft raus.. „Da hat Euer Doktor auch sehr recht." stimmte Tante Wanda gu.„Und obenein nach solcher schweren Krankheit! Und jetzt im Sommer. Geht uur auf's Land! Urlaub bekommt er ja doch?" „Gewiß, den bekommt er." Marie sah vor sich hin.„Seine Chefs haben mir gleich Vorschuß gegeben, der wird nur mit zehn Mark abgerechnet, weil Max schon so lange da und so tüchtig ist. Aber Tante, das ist ja so teuer! Und was die Krankheit alles ge- kostet hat! Da ist das Geld draufgegangen. Das ist unmöglich..." „Das muß einfach möglich gemacht werden. Hör' mal, Maxens Leben steht ja dabei auf dem Spiel." „Ja, das steht es." In Maries Augen glänzten Tränen. ».Wir haben auch schon hin und her überlegt, aber wir wissen keinen Rat. Und da.... ja Tante, darum komme ich ja eben, da dacht' ich. Du könntest... Du würdest..." „Ich.... Euch helfen?... Lieber Himmel!" Die Tante schlug die Hände zusammen. „Bielleicht mit zweihundert Mark," sagte Marie flehend.„Wir würden uns ja so einrichten... und..." „Aber ich kann doch nicht. Mariechen l" Frau Wandas Stimme klang wirklich kläglich.„Ja, wenn ich'S könnte! Nicht mehr wie gern! Du weißt doch, ich bin nicht so. Ich Hab' Dir die halbe Aussteuer gekauft, damit Max Dich heiraten konnte, obwohl Du 'n armes Mädchen warst. Und mein Mann wollte, er sollte die Tochter von seinem Kompagnon nehmen, dann konnte er heute auch Bankier sein... Aber, Miezechen, d i e Zeiten sind gewesen, wir haben ja beim letzten Börsenkrach so viel Geld verloren, wir sind ja mehr als unser halbes Vermögen lost" „Aber Tante... nein... das ist ja schrecklich, Tante!" Marie vergaß ihr eigenes Leid und streckte der alten Dame die Hände entgegen. „Ob es schrecklich ist!" Frau Wanda führte das Taschentuch an die Augen.„Und Du- brauchst nicht etwa zu denken, daß ich bloß so sage. Wir müssen uns ja jetzt furchtbar einrichten, wir geben ja auch hier zum Oktober die teure Wohnung auf." „Nein, Tante, wie mir das leid tut, wo Du hier bald zehn ßoljrc wohnst." „Ja, damit hat es jetzt ein Ende." Die alte Dame seufzte. „Dreitausend Mark Miete können wir nicht mehr zahlen. Wir haben in der Eisenacher Straße gemietet, für zweitausend einhundert Mark. Sieben Zimmer werden wir bloß haben, und der Kur. sürstendamm ist es auch nicht." „Na aber, immer noch ganz annehmbar." Der teilnehmende Zug in Maries Geficht verflog plötzlich. Sie wiederholte: zwei- -tausend einhundert Mark— nur für Miete. Dann ist eS ja noch nicht ganz so schlimm, Tante." „Ja, das sagst Du so, Mariechen." Frau Wanda schluchzte wieder ein bißchen, ist nicht das bloß allein. Ucberall heißt eS sparen. Sonst find wir nach Italien gereist oder nach der Schweiz und nachher nach Ostende . Dies Jahr müssen wir uns mit Herings- darf begnügen, wo jeder kleine Kaufmann hinfahren kann." „Wenn wir nur könnten," sagte Marie tonlos. Frau Wanda überhörte den Einwurf:„Den Diener haben wir auch entlassen. Won Oktober ab nehme ich nur ein Mädchen. Und denkst Du etwa, wir trinken noch Wein? Nein, jetzt heißt es, schön sich mit Bier begnügen. Und wie ich mich erst mit meiner Toilette einrichten »nußl" „Ja, ja." Marie sah starr und wie geistesabwesend vor sich hin. „Ja. ja!" wiederholte die Tante. Nicht wahr, wer hätte ge- dacht, daß wir noch mal verarmen, und daß es uns so schlecht gehen würde? Ja, Miezechen, ich hülfe Euch ja gern, aber Du siehst doch ein, es geht doch nicht, wo wir uns selbst so furchtbar ein- schränken müssen."— Theater. .Der Pfarrer von Kirchfeld. Volksstück mit Gesang in fünf Akten von Ludwig Anzengruber . Das im Deutschen Theater gastierende, von Lautenburg größtenteils aus Wiener Kräften zusammengestellte Ensemble begann seinen Anzen« gruber-Zyklus mit einer trefflichen Vorstellung des„Pfarrers von Kirchfcld". Die schlichten Szenen bei all ihrer primitiven Technik— der Dichter macht z. B. von dem seit Ibsen so verpönten Mittel des Monologs ausgiebigsten Gebrauch und zitiert, damit des Pfarrers Opposition gegen das herrschende Kirchenregiment uns ohne Um. schweif deutlich werde, im ersten Akt einen recht phhsiognomielosen, dann auf Nimmerwiedersehen verschwindenden Grafen Finsterberg herbei— griffen eindringlich ans Herz. Die lieben guten Menschen deS Stückes und nicht zum weingsteu auch die Empfindung, daß ihr Schöpfer selbst so eine' kernige Pracht» natur sei, halfen hier, wie überhaupt bei wirklich guten Anzengruber. Vorstellungen, über das Geftihl der Härten hinweg. Dieser Poet, den die Wiener jetzt endlich durch ein Deirfmal geehrt haben, ist einer der besten Zeugen gegen jene Schulmeinung eines vornehm tuenden Artistentunls, die prinzipiell jede Tendenz als eine Ver- derbnis der Poesie verwirst. Anzengruber hat überall Tendenzen, und wenn man seinen eigenen Worten glauben darf, ist es geradezu der Wunsch, im Dienste von Tendenzen einer moralischen und all» gemein humanitären Aufllärung zu ivirken, was ihn mit in erster Reihe zum dichterischen Schaffen getrieben und seine Produktion geleitet hat.„Ich hatte", schreibt er in einer höchst charakteristischen biographischen Notiz der 70er Jahre,„einen treuen Glauben an die Menschheit im allgemeinen und das Voll im besonderen... und rings lagen so goldreine, so prächtige und mächttge Gedankenschätze ausgestreut von den Geistesheroen aller Völker und Zeiten. Wie wenig all dieser großen, erhabenen, ver« nünftigen Gedanken, all dieser fördernden, fruchtbaren, segensreichen Ideen waren auch nur den sogenannten Halbgebildeten geläufig? l Alles das mußte sich in kleiner Münze unter das Volk bringen lassen, von der Bühne herab, au-Z dem Buche heraus— ebenso das Große und Gewaltige in Wiffenschast, sozialem und politischem Leben der Gegenwart... Ein anderer wollte sich nicht finden, welcher der Zeit von der Bühne herab das Wort redete, und einer mußte es tun, also muß ich es sein! Dies war mein Wollen, als ich daran ging, und ich behielt mir vor, der Aufgabe nicht allein von der Volksbühne herab, sondern aus allen mir zugänglichen Gebieten, so gut eS eben anging, gerecht zu werden." Und vom„Pfarrer von Kirchfeld" heißt es in diesem Selbstbekenntniffe dann noch ausdrücklich:„im Sinne der oben er- läuterten Ideen ersann ich ihn, er wurde eine Bauerntragödie, weil er seinem Stoff nach nirgends anders hin zu verlegen war, als in jene Kreise des Volkes i ebenso all meine anderen sogenannten Bauernkomödien." Man merkt die Absicht hier im„Pfarrer" wie in den anderen Dramen— sehr deutlich sogar und, daß ihr zuliebe da und dort den Dingen einige Gewalt angetan wird— aber man fühlt sich trotzdem nicht verstimmt. Nicht restlos ist der Uniriß des so„Ersonnenen" mit Geschontem erfüllt, indes der Reiz dieses Ge- schauten ist so groß, daß er auch noch die leeren Stellen gleichsam mit einem farbigen Abglanz überstrahlt. In dem Ersinnen und der Art des Schauens— wie viel Güte hat er ring? um sich her erschaut!— waltet, auch wenn sich beides in den Stücken nicht stets vollkommen deckt, schließlich derselbe trostreich zuverlässige mild« ernste Reist, derselbe treue Glaube an Boll und Menschheit, clwaS, das erquickt gleich starker reiner Bergluft. Die hervorragendsten Leistungen des Abends gaben wohl Herr Sommerstorff als junger Pfarrer. Haust Niese, die un- verwüstlich frische und natürliche, in der Rolle des wackern Bauern- mädel, und Amalie Schönchen, die voll köstlichen HumorS alffränkisch steif die Pfarrersköchin porträtierte. Aber auch ThallerS Wurzelsepp, Eugen BurgS stürmisch verliebter Bauernbub und der bescheiden- resignierte alte Pfarrer Jani SzikaS waren einheitlich erfaßte und vorzüglich ins Detail hinein ausgearbeitete Figuren. Der laute Beifall war ehrlich, sehr ehrlich verdient.—-dt. HmuoristischeS. — Er weiß, waS sich schickt. Der„Franks. Z." wird geschrieben: Im Elsaß kam ein Viehhändler vom Dorfe zum Rabbiner in die Stadt und vertraute ihm an, daß er unverschuldeter» weise in Not geraten und geschäftlich zu Grunde gerichtet sei, wenn ihm nicht schnellstens mit 800 M. geholfen werde. Der Rabbiner sagte nach einigem Ueberlegen:„Da kann nur der Herr T helfen! ich werde sofort zu ihm gehen, kommen Sie morgen früh wieder und holen Sie sich Bescheid." Herr X war ein reicher Fabrikant und den Vorstellungen des Rabbiners zugängig. Am anderen Morgen erschien der Viehhändler und der Rabbiner teilte ihn, freudig mit, Herr£ habe die 800 Mark zu» gesagt, er möge sofort hingehen und das Geld in Enipfang nehmen. Beide Tage war der Bittsteller beim Rabbiner eingetreten mit der blauen Bluse über dem Rock, den Hut auf dem Kopfe und eine übelriechende, kurze Pfeife im Munde. Der Rabbiner rief deshalb, als der Bitffteller schon an der Tür war, ihm nach: „Wenn Sie zum Herrn X. gehen, ziehen Sie vorher Ihre Bluse aus, nehmen Sie den Hut ab und lassen Sie Ihre Pfeife vor der Türe!" Der Viehhändler antwortete entrüstet: „Das hätten Sie mir nit zu sagen brauchen, Herr Rabbiner, ich weiß, wie man sich bei anständige Leut de» nimmt!"— Kerantwortl. Redakteure Franz Rchbria. Berlin ,— Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u-VerlagSaustalt Paul Singer LiCo..Berlin LV�,
Ausgabe
22 (16.5.1905) 94
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten