u'n Tag?'n Tag! Du noch hier? Ich denke, Du füorst längst wieder in Deinem Nest." Er erkannte Fritz Gebhard, schüttelte ihm die Hand, aber ehe er noch etwas antworten konnte, war der Maler schon wieder verschwunden. Wir sehen uns ja noch!" rief er ihm nach. Grabaus hatte seinen Arm unter dm Wolfs gelegt, die beiden schoben sich durch das Gewühl, indem sie eifrig umher- spähten. Auf einmal erblickte Grabaus Marie Luise. Dort hinten steht Ihre Frau Schwester. Wollen Sie sich nicht begrüßen?" Aber natürlich, wenn ich nur wüßte, wo?" entgegnete Wolf harmlos. Sie mußten einen weitm Bogen machen, um dorthin zu gelangen. Viele Reihen von Stühlen, Menschen, die sich hier besonders drängten, trennten sie von der Gruppe, in der Marie Luise sich befand. Endlich hatte Wolf seine Schwester erkannt, Grabaus folgte ihm langsam, blind für alles, was ihn um- gab, nur die eine, noch ferne Gestalt sehend. Mit jedem Schritt, den er sich ihr näherte, schlug sein Herz gewaltiger. Während der letzten Tage hatte er auf den Straßen immer die Balltoiletten anschauen müssen, die in den Auslagen der eleganten Modeläden prangten. Früher war er an solchen Schaufenstern achtlos vorbeigegangm, jetzt aber zogen sie ihn magnetisch an. In Weiß, in Rosa, in Fraise, in Creme, in allen möglichen Farbm und Stoffen hatte Marie Luise dann feiner Phantasie vorgeschwebt. Als er sie nun aber wirklich sah, in dem Kleid von türkisblauer Seide, aus dem weiß wie der Marmor der Wände, doch tausendmal zarter, ihre Schultern herauswuchsen, um den Hals ein schmales Sammetbmrdchm, mit einem einzigen großen Brillant darauf, da hatte er äugen- blicklich das unumstößliche Gefühl, daß sie ein anderes Kleid gar nicht hätte tragen können. Wolf begrüßte Schwester und Schwager. Und jetzt reichte Marie Luise auch Grabaus die Hand. Dieser machte nur eine tiefe Verbeugung. Sagen konnte er kein Wort. Mit auf- richtiger Freude schüttelte der Major ihm die Rechte. O, das ist ja ausgezeichnet! Nun können wir Ihnen schon hier gleich danken. Aber sagen Sie mal, haben Sie schon Platz? jEs wäre doch nett, wenn wir beisammen blieben. Uebrigens erlauben Sie--" Eine Menge Namen, mit Titeln und Würden belastet, umschwirrten die beiden, die sich blindlings nach rechts und links verneigten. Wolf, vielleicht könntest Du noch ein paar Stühle er- gattern," sagte der Major zu seinem Schwager, nachdem das Vorstellen erledigt war. Während dieser sich diensteifrig zu suchen anschickte, wandte Marie Luise sich an Grabaus. Unmerkliche Befangenheit lag in ihrem Ton, als sie nach kurzem Zögern sagte: Seltsam, dies Zusammentreffen mit meinem Bruder." Ja seltsam," erwiderte er mit verlorenem Blick. lFortsetzung folgt.)! (Nnchdnlck verboten.) Huö blutigen j�aientagen. ii. In der Fieberglut des Kampfes, so kann man erklärend und ent- fchuldigeud sagen, wird der Sanfteste zum Scheusal; da lebt die Bestie im Menschen auf und treibt ihn zu unerhörtester Gewalttat. Aber die Truppen der VersaillerOrdnungsmänner" haben nicht nur während des Kampfes vandalisch gehaust, sondern gerade nach dem Kampfe ihre schimpflichen Rache-Orgien gefeiert. Un- beteiligte und wehrlose Menschen haben sie zu Hunderten aus reiner Blutgier hingeschlachtet. Und die Formen eines gesetzlichen Der- fahrens haben sie schließlich in der niederträchtigsten Weise nur vorgeheuchelt, um ihren bestialischen Trieben immer neue Opfer zu verschaffen. Man mutz jeden Gefühles für Recht und Gerechtigkeit bar sein, wenn man die Schlußkapitel aus LissagaraysGeschichte der Kommune" liest, ohne vor Empönuig über die Untaten der »Ordnungsmänner" aufzuschreien l Hören wir einiges, was Ginisth aus dem Munde eines Mannes Vernahm, der jetzt französischer Konsul im Orient ist, im Jahre 1871 aber als Gefangener der Versailler zuerst nach Satory, dann weiter geschleppt worden war. Er befand sich in einem Zuge von Ge- ßangenen, der der von Truppen unter dem Befehle eines Majors von den reitenden Jägern nach Versailles eskortiert wurde. Dieser Major machte sich zuerst das Vergnügen, seine Gefangenen gewissermaßen zu sortieren: er stellte sie in Gliedern zu vier Mann auf, innncr so, baß die besser gekleideten möglichst unsichtbar gemacht wurden, kam <3 ihm doch darauf an, die Kommunekämpfer als denWhub der Kcsellschaft"«scheinen zu lassen. Auch Frauen gab es unter den Gefangenen, ja sogar ein armes Ding von fünfjährigem Mädchen wurde mitgeschleppt! Als ein Bürger namens Dauban. der später ein gehässiges Buch über die Kommune geschrieben hat, das sah, bat er, empört über so viel Unmenschlichkeit, ihm das Kind anzuver» trauen; aber er wurde brutal zurückgeschleudert, und der jammer» volle Zug ging weiter. Von Zeit zu Zeit ritt der Major die Reihen entlang und schrie den Gefangenen zu, daß der geringste Laut des Unmutes oder die kleinste Auflehnung mit einem Revolverschuß be- antwortet werden würde! Erst in Passy , auf halbem Wege nach Versailles , wurde eine kurze Rast gemacht und aus je zwei Mann ein Brot ausgeteilt. Dann ging's wieder vorwärts. Hinter Saint-Clond konnten die meisten sich kaum mehr aufrecht erhalten; es entstand ein Gemurmel in den Reihen, man rief:Halt! halt!" Der Major warf seinen Gaul herum, griff nach seinem Revolver und schrie:Der erste, der das Maul aufmacht...l" Aber auch diese Drohung verfing nicht mehr; in den gequälten Menschen erwachte der Geist der Revolte... Da brach ein Dutzend Gendarmen aus irgend einem Bersteck heraus zur Verstärkung der Bedeckungsmannschaften. Ein Gefangener, dessen Kräfte zu Ende gingen, stürzte nieder und konnte nicht wieder auf- kommen... Ein Unteroffizier riß ihn seitwärts heraus und zer- schmetterte ihm den Schädel durch einen Pistolenschuß... Ein Schrei des Entsetzens ertönte aus den Gliedern.,. Wester,,, Wester... Endlich am Tore von Versailles . In dem Hirn des Majors schien eine ganz besondere Idee aufzutauchen. Ein scharfes:Halt!"' Dann ein anderes hartes Kommando:Auf die Knie bor Versailles !" Erstarrt standen einen Augenblick die Ge- fangenen, dann aber muhten sie auf die Knie herunter, mußten sich in den Staub erniedrigen und derHauptstadt der Ordnung Abbitte leisten." Auf die Knie vor Versailles !".-.. Wester,.. Weiter... Es ging durch die Straßen der alten französischen Königsstadt. Dort drängte sich der Bourgeois» pöbel an die Gefangenen heran, bespie und beschimpfte sie, über- schüttete sie mit Steinwürfen und Stockschlägenl Die Dreckseelen vonOrdnuugsbrüdern" wollten ihre Rache haben. Als der Zug vor dem Schlosse angekommen war, beschloß der Major eine Wiederholung seiner Eruiedrigungsprozedur. Ein neues Halt!" Dann:Auf die Knie vor Ludwig XIV !" Und begeistert, besessen, applaudierte die entmenschte Bourgeois­horde, als sich die Gefangenen unter dem Zwange der Kolbenstoße und Bajonettstiche wieder wie zur Anbetung niederwerfen mußten! Wer Lissagarays Schilderungen gelesen hat, weiß, wie es in den Masscngefängmsscn herging, in denen man wahllos die Opfer der losgelassenen Soldateska zusammengepfercht hatte, bevor man daran ging, sie niederzumetzeln. Der Regen weichte im Lager auf Satory den lehmigen Boden auf; die Nächte waren fürchterlich; niemand durfte sich auch nur erheben; die Kälte und das Fieber schüttelten die Gefangeneu die geringste Bewegung nur, und die Schildwache schoß blindlings in den Haufen hinein! Eines Morgens, so erzählt der oben schon genannte Konsul Herrn Ginisty, kam ein Gendarmerie-Offizier in Begleitung eines Priesters und durcheilte suchend die Reihen der Gefangenen. Er ist ein prächttger Mensch," so hörte der spätere Konsul den Priester sprechen,bei St. Peter auf dem Montmartre war er Küster... Er mußte auS der Kirche flüchten und eilte zu seiner Schwester in die Valoissttaße... Ganz sicher ist er nur aus Versehen verhaftet worden, oder es liegt eine Verwechselung vor..." Na, das werden wir bald haben, Herr Pfarrer, der Schaden soll rasch wieder gut gemacht werden." entgegnete eifrig der Offizier. Plötzlich stieß der Priester einen Schrei aus. Ach, der Unglückliche!" Er hatte den Küster von St. Peter gefunden. Der aber lag kalt und steif, lang ausgestreckt am Boden und war tot. In der Stirne hatte er ein kleines Loch. Man riß ihm das Gewand auf..» arff der Brust trug er sein Skapulier... In der Nacht hatte er sich einmal aufgerichtet, und man hatte auf ihn geschossen... »* » Wer hat je einen einzigen Gefangenen in Paris unter der Regierung der Kommune gepeinigt? Welche Frau ist umgebracht oder insultiert worden? Welcher dunkle Winkel der Pariser Gefäng» nisse hat eine einzige der tausend Torturen verborgen, die zu Ver- sailles am hellen Tage stattfanden?" *»* Die Soldschreiber des Kapitalismus scheuen die historische Wahrheit wie glühendes Eisen. Sie werden forffahren, ihre Lügen und Verleumdungen über die Pariser Kommune zu verbreiten._ Im Herzen des Proletariats aber leben die Helden und die Opfer jener blutigen Maientage fort! kleines Feuilleton. 'dg. Manne.Zum Donnerwetter, was ist denn hier Kassiert? Des Vaters Stimme dröhnte durch das ganze Haus und schreckte die Familienglieder in den entlegensten Ecken auf. Die Mutter sprang vom Flickkorb so hastig auf. daß alle Strumpfpacken übereinander