FaKohl. Mir rieten zwei Pensionsmütter, ich sollte mir Eiderdaunsocken für meine kalten Füße und Aspirinpulver für meinen heißen Kopf besorgen. Ich mutz wie ein Idiot gesprochen haben. So fühl ich mich auch. Nicht wie ein Idiot, sondern feit acht Tagen fühl ich mich einfach wie im Fieber." Aber dann sollten Sie sich wirklich ins warme Zimmer setzen und nicht hier auf der kalten Straße herumlaufen. Ich will Ihnen die Sachen gern besorgen." Gnädige Frau, daß Sie mich verhöhnen, ist nicht schön." Mein Gott, das wollte ich wirklich nicht," versetzte sie erschrocken.Ich meinte es im vollen Ernst." Gnädige Frau, woran ich krank bin, das ist weil etwas zwischen uns liegt, weil ich fühle, daß Sie nicht mehr wie früher zu mir sind. Ich weiß auch den Grund. Sie haben ja recht. Aber lassen Sie uns einmal, dies eine Mal, offen darüber sprechen. Dann, wenn Sie's für nötig halten, will ich gern gehen für immer." Ohne zu antworten, setzte Marie Luise den Weg fort. Sie kamen an einem hell erleuchteten Laden vorbei, und hier im Lichtschein begegneten sich beider Blicke, ihr banger, unent- schlössen fragender Blick ruhte eine Sekunde lang auf seinem verzweifelten, blassen Gesicht und den fahlen, flehenden Augen. Einen Moment I" Dabei wandte sie sich um, holte Geld und einen Zettel hervor und gab dem Mädchen Instruktionen, in welcher Weise es die Besorgungen auszuführen hätte. Während das Mädchen nach dem Markt zuging, setzten die beiden in der entgegengesetzten Richtung ihren Weg fort. lFortsetzung folgte GroKe berliner Kunstausstellung. II. Kunstgewerbe. Architektur. Plastik. Illustratoren- und Schwarz-Weißausstellung. Man kann verfolgen, wie allmählich in die Räume des Aus- stellungspalastes, wenn auch widerwillig, ein neuer Geist einzieht. So zwar nicht, daß die alten Herren zugeben, daß sie zurückgeblieben sind und nun nachholen müssen. Es wird lustig immer weiter unter offizieller Führung gegen alles Moderne gescholten. Wer sich aber der Räumlichkeiten erinnert, wie sie vor einigen Jahren noch waren, wird sehen können, wie die modernen Rauniprinzipien, speziell die Lehren der geschmackvollen Dresdener Ausstellungen, sich Geltung verschafft haben und verschaffen. Es gilt eben, der bösen Kon- kurrenz der Städte München , Dresden , Darmstadt zu begegnen, und da helfen alle Schutzmaßregeln nichts. Man braucht nur von dem alten, öden Kuppelraum am Eingang rechts und links zu sehen, dann bemerkt man einmal einen Lesesaal, bei dem der Versuch einer neuen Raumgestaltung gemacht wurde. Die praktischen grünen Korbmöbel finden Aufnahme. Und rechts liegt der große Architektur- saal, in dem die Architekten ihre Rechte vertreten. Er ist zwar überflüssigerweise mit Sprüchen hoch oben an den Wänden versehen und auch sonst nicht gerade vorbildlich. Er zeigt aber wenigstens Ansätze und Versuche. Eine weitere Neuerung sind die in diesem Jahre hergestellten Räume für Kunstgewerbe, der Werkring mit einem großen Mittelraum, dessen Anlage von Endel! geschaffen ist, mit sich anschließenden Abteilungen, dann die von Professor Grenander hergestellte Kojcnabteilung und eine Anzahl Innen- räume, die sich um einen Gartenhof gruppieren. Gerade das Hereinziehen der Gartenanlage, das stärkere Betonen des Kunst- gewerbes, zeigt deutlich den vorbildlichen Einfluß Dresdens . Auch beginnt sich die Abneigung gegen die immensen Markthallensäle bemerkbar zu machen, und so hat man mit dem Versuch begonnen, einige Säle, die im mittleren Raum liegen, in vier Kabinette zu teilen, die sich um eine mittlere Rotunde gruppieren. Hier ist sehr sparsam gehängt worden, man denkt, es müßten alles Meisterwerke sein. Das find sie aber meist ganz und gar nicht. Einige dieser Kabinette sind speziell für Kleinplastik verwandt worden, die hier eine gute Aufstellung findet. In den mit unauffälligem Stoff ver- kleideten, niedrigen Räumen heben sich diese Arbeiten gut ab, und e? ist damit eine Abwechselung geboten. Auch sonst versucht man, neuere Lehren der Raumgestaltung sich zunutze zu machen. Man stimmt Wand und Boden in ihrer Verkleidung zu einander. Frei- lich, um oft nur schreiende Kontraste zutage zu fördern. Das Auge ist noch zu sehr auf rohe, grelle Wirkungen, die laut schreien, ein- Seschult. Die Wände sind durch einfaches Gebälk, das eine neue iarbe erhielt, grau oder grün zum Beispiel, geteilt and gegliedert. So ist das Resultat überraschend. In die geheiligten Räume zieht das moderne Kunstgewerbe ein, das lang verpönte. Man sieht, eS geht nicht länger so, will man nicht den Markt verlieren. Was alles Reden nicht zustande bringt, dazu zwingt die Praxis. An diesem Erfolge des Kunstgewerbes wirken die Frauen, wie wir hier sehen, auch mit. Freilich, ohne erhebliche Neuschöpfungen zu geben. Aber wenn man auch die originalen Künstler hier nicht findet, so ersteuen wenigstens diese Versuche in Stickereien für Kiffen und Vorhänge von Florence Höfel und Mathilde und Elsa Hube». Fleischer stellt seine schon im Kunstgewerbemuseum gezeigten farbenschönen Babiks aus. Von A. Diener sind dekorative Auf» Näharbeiten zu erwähnen. Der Geist, der aus dem Saal spricht, den die Architekten sich geschaffen haben, redet nicht aus allen baukünstlerischen Schöpfungen, die hier zur Ausstellung kommen. Da finden wir immer noch die alten Stile an der Arbeit. Der eigentliche, prinzipielle Wagemut fehlt, und wenn etwas Neues gegeben wird, so haftet ihm zugleich etwas Ueberlegenes, Sicheres an, das nicht aus eigenem Suchen kommt, sondern aus der Ueberlegung, daß es nun an der Zeit ist, den neuen Stil zubenutzen", wie es mit den alten geschah. In der Ausstellung wechseln alte Bilder, Reiseflizzen, die der Architekt von alten Bauten für sich herstellte, Abbildungen von Entwürfen und schon fertig gestellten Plänen. Im ganzen ein reiz- volles Bild. Und da außerdem noch einige plastische Nachbildungen vertreten sind, so ist es den Veranstaltern wenigstens gelungen, ihre Werke in einer dem breiteren Publikum entgegenkommenderen Weise als bisher zu vereinen. Bisher war die Architekturabteilung eine langweilige Ecke, und der Laie ging schnell daran vorbei. Im allgemeinen kann man zugeben, daß die Baukunst sich zu entwickeln strebt, daß sie nicht mehr ausschließlich Stilnachahmung betreibt und daß nicht mehr so viel Ueberfluß an Ornamenten stört. Die Flächenwirkung an Häuserfronten beginnt Anhänger zu finden. Besonders dem Mietshaus kommt allmählich dieser neue Gedanke der Einfachheit und Ehrlichkeit zugute. Dagegen scheinen die Theater, Regierungsgcbäude und Kirchen immer noch pomphaft, protzig sein und in Stilwut schwelgen zu müssen. In dem anschließenden Saal dieses rechten Flügels, der Architektur, Kunstgewerbe umfaßt, hängen dekorative Malereien, Kartons zu Mosaiken, Glasfenstern und Gobelins. Wenig ist hier zu holen. Dergermanische" Fries von Koch(2249) sieht aus, als wäre dergroße Stern" vorbildlich gewesen. Gerade in diesem Saal empfindet man die Rückständigkeit der Künstler. Sie haben keinen Sinn für große Raumwirkung. Sie haften noch am Gegen- ständlichen und geben symbolische Darstellungen, den Tierkreis z. B. (als Deckendekoration). Die farbige Wirkung ist viel zu bunt, wie z. B. Seligers Plenarsaal im Landgericht I, auch hier überwiegt das Gegenständliche, und die dekorative Gesamtwirkung wird damit ertötet. Es wird kein einheitlich ruhiger Eindruck erstrebt. Die Motive häufen sich und meist sind es nur vergrößerte und ver- gröberte Bilder, die wir zu sehen bekommen. Die Plastik spielt auf der Ausstellung immer noch eine schlimme Rolle. Es ist Berliner Plastik zum größten Teil. Die Mehrzahl der Bildhauer, deren Werke hier zur Annahme kommen, glauben immer noch, es genüge, wenn die schon über Gebühr ausgeschlachteten Motive immer noch einmal ausgeschlachtet werden. Diese Motive erben sich wie eine Krankheit fort. An einer gebrochenen Säule lehnt ein trauriges Mädchen. Oder ein Kindchen faltet die Hände und hinten hat es Flügel. Seit geraumer Zeit ist auch ein Faun oder Pan beliebt, ihm wird ein nacktes Mädchen gesellt, er spitzt dann süßlich den Mund, und sie lächelt verschämt. Und das ist danu: Liebeswcrbung. Wer weiter vorgeschritten ist, sieht sich nach moderneren Vorbildern um, die andere schon festgelegt haben. So begegnet man jetzt überall einem kleinen Stier, der ruhig in seiner Kraft dasteht. Es fällt einem da Hildebrand, Tuaillon und Gcyger ein. Die ganz Bescheidenen spekulieren nur auf die Instinkte eines unkünstlerischen Publikums und machen putzige Dackeln oder der- gleichen. Man könnte diese Galerie noch leicht vermehren, und ich deute einigeSchönheiten" noch an. An einem durchaus richtig und genau vierkantig gearbeiteten Kreuz ist ein Mädchen in Auflösung hingesunken. Ein überlebensgroßer Schlächter mit dem Gesichte eines Knaben hält eine Posaune in der Hand und stellt einen Engel für Gravelotte dar. Dicht daneben kniet wieder ein kleiner Genius" und hält bescheiden eine große, große Medaille, auf der ein Porträt sichtbar ist. Das Schlimmste aber leistet diesmal E b e r l e i n, und es ist wirklich unfaßbar, daß so etwas erlaubt ist. Diesmal muß Goethe herhalten. Eberlein hat den Mut, ein zänkisches, verärgertes Scheusal, das vor Wut beinahe Krämpfe kriegt und blöde glotzt, einen Theaterbösewicht schlimmster Sorte alsden sterbenden Goethe" hinzustellen. Dagegen wirkt die andere Arbeit, hier gibt Eberlein einem Klischee-Goethe einen Schädel in die Hand und schreibt darunter die betreffenden Worte über Schillers Schädel nur trivial, sie beleidigt wenigstens nicht. Eberlein hat es überhaupt mit den Versen, er liebt die Poesie. Und darum stellt er eine theatralische Gruppe hin, ein Weib, einen Jüngling, überlebensgroß. Der Jüngling macht eine ermunternde Handbcwcgung und kennzeichnet sich durch ein schnell umgeworfenes Bärenfell rls Germane, während daö Frauenzimmer eine phrygische Mütze auf hat und also Frankreich darstellt. Und darunter schreibt Eberlein: Ein Kulturideall Deutschland fordert Frankreich auf, mit ihm vereint zu dem hohen Ziele der Menschheit weiter zu schreiten! Am Boden krümmt sich neben einer Schlange ein ächzender Bösewicht. Diese mit Unfähigkeit sich paarende Ideenarmut eine anders Arbeit: Gottvater haucht Adam den Odem ein, ist gleichwertig- ist nicht mehr zu übertreffen. Es bleibt daher nur noch übrig, die wenigen Arbeiten zu flizzieren, die einigermaßen ein künstlerisches Wollen dokumentieren. Eine BronzegruppeNach dem Sündensall" zeigt vorteilhafte