Grohenverhältniffe. Er schreitet hin, fle folgt ihm, lehnt sich an, gebückt. Eine gute Flächenbehandlung des dunklen Materials siillt hieran auf, die die kleine Gruppe dennoch groß erscheinen läßt. DaS Werk ist von S ch m i dt-K e st n e r(1363). Ein Relief von Böres(1215) ist auffallend weich behandelt. Die Figuren treten kaum heraus aus der dunklen Fläche. Ein Studienkopf von Darsow(1227) zeigt harte, strenge Züge, die Tönung unter. stützt den Ausdruck. Ein gleichfalls getönter„Studienkopf" von L e p k e(1297) ist zwar etwas übertrieben in der Charakterisierung, zeigt aber wenigstens einen Willen. Die einfache Kraft eines männ- lichen Kopfes hat Otto(1335) gut in Holz nachgebildet. Ernst und sachlich sind die Arbeiten von Splieth(1374/75). Eine alte Frau, Ermländerin, eine Arbeit, die mehr ist, als eine bloße Abschrift. Fein ist auch die grauweiße Tönung. Gut ist ebenfalls der griechische weibliche Torso. Ein Kugelspieler von Ep le r(1240) zeigt leichte Linien in den Konturen und eine gut abgewogene Haltung in dem nack vorn geneigten Körper des Knaben. Von Felderhoff(1244) gefällt eine sachliche, schlichte Statuette, die Brahms sitzend darstellt. Anerkennung verdient auch die Knaben- gruppe von Götze(1252):„Vor dem Bade". Der eine will ins Wasser schreiten, der andere sitzt. Das Spiel der sich überschneiden- den Linien ist reizvoll. Von der soliden Genrekunst M a i s o n s geben die hiesigen Proben keine rechte Vorstellung. Höchstens der Neger, die Negerin, Faun mit Gans wären zu nennen. Es sind noch einige Kinderbüsten anzuführen. Hier hält der Stoff den Bildner von Uebertreibungen zurück. Eine Dreikindergruppe von Pagels(1336), eine Bildnisbüste von Mißfeldt(1329) und die gelblich getönte Büste von Schau ß(1355). Desselben Künstlers Elfenbeinarbeit„Siesta" ist farbig nicht uninteressant. Etwas bläßlich und verschwommen wirkt jedoch das Kinderrelief in Wachs. Am meisten Befriedigung gewährt noch Lewin-Funcke 1(1293— 1301). Er hat Gefühl für Linien und Form. Sein„Am O-uell" hebt den Körper rein und plastisch von dem gleichmäßig glatten Hintergrund ab, und es ergibt sich ein angenehmes Spiel von Licht und Schatten. Auch die„Tänzerin" hat diese leichte, graziöse Art. Apart wirft die kleine Bronzestatuette einer Reifen- spielerin. Und das Brunnenmodell hat schon um seines eigenartigen Vorwurfts willen das Interesse für sich. Auf einem viereckigen Block sitzt ein Knabe und langt hinüber nach dem als Ausfluß dienenden Faunkopf. Auch hier berührt die freie Linienempfindung, das Raumgefühl angenehm. Uebersieht man die Leistungen der Plastik noch einmal: zwischen den beiden Extremen schwankt diese Kunst, sie haftet einmal zu sehr am Modell, was sich namentlich bei den Porträtbüsten zeigt, die oft geradezu kindlich-unkünstlerisch wirken. Andererseits verführt sie ein mißverstandener Idealismus zu einem hohlen verblasenen Schema, zu allegorischen Darstellungen, zu pomphaften Ueber- treibungen. Als Anordnung neu ist die Aufstellung der Kleinplastik in zwei der neugeschaffenen kleinen Kojen. Als Raum wirken diese Kojen gut und bringen auch die Arbeiten gut zur Geltung. Hier versucht sich Hügel an Tierdarstellungen, ohne jenen Stil annähernd zu erreichen, der Gauls Schöpfungen eigen ist. Am besten ist ein Pelikan. Der große Eingangsquersaal schadet mit seiner blauen Bekleidung der Plastik, und der durch nichts unterbrochene Raum breitet um die Werke eine gähnende, hülflose Leere, die ihrer Wirkung nicht zugute kommt. Der abschließende Saal der Anlage, der ebenfalls der Plastik gewidmet ist, nimmt wieder zu diel Arbeiten auf. Ab und zu sind plastische Arbeiten auch in die Bildersäle verteilt. Nur kurz kann auf die Illustratoren und auf die Schwarz- Weißausstellung verwiesen werden. Der„Verband der Illustratoren" bringt immer frisches Leben nach dem Lehrter Bahnhof . Hier sehen wir die Originale zu den Illustrationen unserer Witzblätter, der „Fliegenden", der„Jugend", der„Lustigen Blätter". Der„Simpli» cissimus" fehlt leider. Hier herrscht die Gegenwart, und selbst die Künstler, die künstlerisch von der Vergangenheit zehren, dürfen nur insoweit dieser folgen, als ihre Mittel noch verständnisvolle Lieb- Haber finden. Das Leben, das diese Künstler nachbilden, mahnt hier immer wieder zur Gegenwartstreue, Gegenwartsliebe, und soweit modernere Art in Frage kommt, zur Satire und Karikatur, wie wir das an manchen Blättern sehen. Darum erfrischt ein Gang durch diese Räume. Und da von den Alten bis zu den Jungen alles ver» treten ist, so ist die Auswahl eine mannigfaltige, und immerfort wechselt der Eindruck. Die Techniken der Schwarz-Weißkunst sind in letzter Zeit der- schiedentlich bereichert worden, und auch die Art des Ausdrucks, so- zusagen die Handschriften der Künstler, werden immer lebendiger, mannigfaltiger. Die Wirkung dieser Kunst ist eine vornehme. Vor- nehm deshalb, weil sie sparsam wirtschaftet, mit den bloßen Gegen- sähen Schwarz und Weiß operiert und damit alles herausholt, die Plastik und Farbigkeit. In dieser Beschränkung zeigt sie ihre Be- deutung. Man darf diese Arbeiten eigentlich nicht in Massen sehen wie hier. Dann verlieren sie, werden scheinbar monoton. Sie müssen allein, für sich hängen, in stiller Ecke oder verschlossen in Mappen liegen, so daß man zu ihnen erst geht, wenn man Lust und Stimmung dazu hat. In solchen Stunden zeigen sie ihre stille, tiefe Schönheit. Wir können den Weg von der einfachen Nachbildung, Das bei der Treue die Hauptsache ist, bis zur künstlerischen Ge- Haltung, die das Technische virtuos beherrscht, an vielen markanten Beispielen hier verfolgen.—. Ernst Schur, Kldned Feuilleton. sr. In Vertretung. Herr und Frau Kandels saßen beim Morgenkaffee, als Anna, das Mädchen, aufgeregt ins Zimmer trat, einen Brief in der Hand:„Ach Gott , gnädige Frau, ich krieg' da eben'nen Brief: mein Bruder ist heut zu Besuch in der Stadt—* „Und nun möchten Sie gern frei haben? Ja, was meinst Du» Emil?" „Ich enthalte mich der Stimme. Immerhin: wenn es ein Bruder ist,— es i st doch ein Bruder, Anna?" Er blinzelte vergnügt. Anna wurde rot:„Aber ganz gewiß, Herr Kandels. Sie werden doch nichts schlechtes von mir denken?" „Schlechtes?" Sie lachten alle drei. Und Frau Kandels sagte: „Gehen Sie nur, wenn's auch bloß ein Cousin sein sollte oder ein Stiefbruder. Ja, mir paßt es eigentlich famos. Ich bin heut grab zum wirtschaften aufgelegt. Was meinst Du, Emil?" „Wir können ja mal im Restaurant essen, gewiß." „Im Restaurant?" Frau Kandels war sehr empört.„Nein, daraus wird nichts. Oder willst Du mir mein ganzes Vergnügen verderben? Grade auf's Kochen freue ich mich. Es gibt Spargel- suppe, Huhn und jungen Kopfsalat. Das verachtest Du doch sonst nicht?" Kanders hatte sich mit einem Blick auf die Uhr erhoben:„Ver, achten? I wo. Aber— Donnerwetter!— Da fällt mir ein: ich werde ja gar nicht zu Tische kommen können. Es liegt eine furcht- bar eilige Arbeit im Bureau." „Pfui, Emil! Meinst Du, ich durchschaue Dich nicht? Ich will's Euch heute aber gerade mal beweisen— ja, Ihnen ebenfalls, Anna! Lächeln Sie nur so heimtückisch!" „Ich lache doch nicht!" behauptete Anna mit plötzlich zusammen- gezogener Stirn.„Wann muß ich denn wieder zu Hans sein?" „Wann Sie wollen. Nehmen Sie meinetwegen den Haus» schlüsscl mit. Das bißchen Wirtschaft erledige ich im Handumdrehen." „Abwaschen kann ich ja, wenn ich wieder da bin." „Haben Sie keine Angst! Ich lasse Ihnen nicht ein Tüpfelchen übrig. Heute will ich mal so tun. als ob ich Sie wäre. Ich glaube» ich stelle mich doch etwas geschickter an. Kein Kompott-Tellerchen soll zerbrechen. Und etwas schneller als bei Ihnen wird's auch gehen, hoffe ich." „Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe?" zitierte ihr Mann. „Du sei still, ja? Du wirst Dich ja überzeugen. Sie auch, Anna." „Na ja." Anna nickte gleichmütig.„Aber um acht bin ich doch wieder da. Mein Cousin reist um sieben schon ab." Kanders hatte schon den Hut auf:„Ihr Cousin, nicht wahr?" „Mein Bruder—" „Ach so. Na, adieu, Lotte. Ich komme also." Ein Seufzer. „Du findest ein schönes braunes Huhn auf dem Teller!" Di« Gattin rief's ihm noch auf dem Flur nach. Und zu Anna:„Ziehen Sie sich nur gleich an, damit ich freie Bahn kriege." „Die Hühner müssen noch gerupft werden." „Gehen Sie, ja? Machen Sie sich nur keine Sorgen um mich, Ich werde schon fertig!" „Na ja," sagte Anna, begab sich in ihre Kammer, zog sich um und klopfte noch einmal an die Tür des Speisezimmers, wo Iran Kanders eben die Lektüre der Zeitung beendigte.„Sie werden nicht fertig bis um eins, gnädige Frau. Ich will doch lieber—" Frau Kanders lächelte hoheitsvoll:„Ich heiße doch nicht Anna." Und während die letztere sich verabschiedete und die Wohnung verließ» begann Frau Lotte den Kaffeetisch abzuräumen. Dann band sie pH eine riesige Schürze um und stürzte sich in die Arbeit. Zuerst ging trotzdem alles in vornehmer Ruhe vor sich; all- mählich wurde sie nervöser, später hastete sie. Dabei bemerkte sie gar nicht mehr, wie schnell die Zeit verging. Mit Erstaunen hörte sie dann die Schritte ihres ManneS auf dem Flur.„Bist Du eS schon, Emil?" Ein roter Kopf streckte sich ihm auS der Küchentür entgegen.„Du kommst ja so früh heute." „Früh? Es ist einhalbzwei Uhr." „Unmöglich! Und ich Hab' noch nicht mal gedeckt. Aber gleich, Warte nur einen Augenblick." Kanders setzte sich ins Speisezimmer und wartete. Einen Augenblick und noch einen, bis eine halbe Stunde herum war und die kleine Stutzuhr auf dem Kaminsims zwei schlug. Da hustete er. „Ja ja!" Gereizt kam's aus der Küche. Dann eilige, hastende Schritte. Gleich darauf ein Klingen und Klappern, ein Aufschrei_— ein halbweinendes:„Siehst Du, das kommt von Deiner Treiberei!" Dann schob Frau Lotte die Scherben mit dem Fuße zur Seite; „Es waren nur leere Teller." Kanders rührte sich nicht, sondern sah mit steifem Ernste auÄ dem Fenster. „Bitte!" Es war gedeckt. Mit erhitztem Gesicht, in dem sich einige schwarze Fingertupfen zeigten, lief die junge Frau ein und aus.„Aber nun iß doch! Läßt es erst kalt werden. Nachher Heißt'S« ich bin schuld! Natürlich!" „Ich Hab' ja noch gar nichts gesagt." Kanders füllte semel» Teller halb mit Spargelsuppe und probierte vorsichtig.„Hast Dt» in die Bittersalzdüte gegriffen statt ins Kochsalz?"
Ausgabe
22 (4.6.1905) 107
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten