seiner Frau auch nur erwähnte, erschien ihm wie ein Hohn, wie eine unbegreifliche und beinahe heimtückische Beleidigung. Regungslos, wie angewurzelt stand er, sog mit bebenden Atem- zügen den Luftstrom ein, starrte auf den weiten schwarzen Raum, aus dem nur mit undeutlich weißem Schimmer die Ge- stalt des Denkmals sich heraushob, und dachte, wie erträglich, wie leicht, wie gehoben trotz aller Wirrsale noch vor wenigen Augenblicken da draußen seine Stimmung gewesen war; da hatte in aller Qual der Sehnsucht ihn doch noch die Hoffnung getröstet. Aber zerbrochen, zertreten, zerschellt lag jetzt alles. Wirklich das sollte das Ende sein? Daß sie auseinander- gingen, daß er zu seiner Frau zurückkehrte und um deren Liebe warb. Daß er sich hinabziehen ließ in deren dumpfe, trübe, niedrige Welt, bloß um sich sagen zu können, daß er sich als treuer Gatte dem Gesetz gehorsam gezeigt hatte. Sie hatte ihm das geraten, sie Marie Luise?! Er wandte sich mit einem hastigen Blick nach ihr um, als müßte er sich überzeugen, daß sie es wirklich gewesen war, die da gesessen und solche Worte gesprochen hatte. Dann starrte er wieder brütend aus dem Fenster und rührte sich nicht, als er das sachte Rascheln ihres Kleides und leichtes Glucksen hörte, worauf mit der wärmeren und schwereren Luft des Zimmers ein süßer Eau de Cologne  -Duft ihn anwehte. (Fortsetzung folgt.) kleines f eirilleton. tn. TerAufsichtsrnt"..Aber, Kinder, laust doch nicht so furchtbar!" Tante Müller keuchte ans dem sandigen Waldwege zwanzig Schritte hinter dem jungen Paare her.«Ich soll wohl den Herzschlag kriegen, Herr Oskar 1" Möchtest Du man!" knurrte Oskar.Dann wären wir Dich IoS!" Pfui!" Marie, die er am Arme hatte, lachte.Die gute Tante" Gute Tante I Als ob wir immer'n Detektiv bei uns haben müßten I Scheußlich!" .Sie hängt so an uns." Hängt? Ja, wie'ne eiserne Kugel. Laß sie doch zu Hause bleiben oder allein Partien«rächen! Aber uns immer und ewig auf den Hacken sitzen, um den Aufsichtsrat zu spielen ich danke I Man kann kaum sil vernünftiges Wort unter vier Augen miteinander reden schwapp, ist sie da I Da danke ich für das ganze Verlobt- sein l Man ist doch am Ende kein Verbrecher!' «Wer weiß?" zweifelte Marie,man kann nicht wissen." Ach so," Oskar lachte,der alte Witz. Wir wollen Tante Müller mal ärgern, ja?" Er faßte Marie um die Taille und sang: Du hast mir mein Herz g e st o h l e n, Du hast mir die Ruhe g e- raubt!" Laut sprechend:Alle Krnninalkommissare soll der Teufel holen!" W e n soll er holen?" Frau Müller war ächzend herangewalzt. Mich?" Sie lächelte verständnisinnig. Nein. Denn er nimmt Sie nicht. Ich meine: Sie gehören in eine bessere Welt. Aber Sie sollten sich nicht so abhetzen, Tante Müller, es könnte wirklich Ihrer Gesundheit schaden. Nachher kriegen wir die Nackenschläge. Ueberhaupt sitzt es sich zu Hause viel ge- mütlicher." Das glaub' ich, Herr Oskar!" Sie nickte schadenfroh.Aber nehmen Sie, bitte, den Arm von Mariens Taille Du solltest Dich schämen, Mm'e, auf offener Straße" Ich hab's gar nicht gemerkt," behauptete Marie.Außerdem ist niemand zu sehen." Ganz gleich. Ich bin da. Gerade deshalb bin ich da. Es schickt sich nicht" allein mtt einend Herrn ohne ältere Begleitung spazieren zu gehen," vollendete Marie in lebhaftem Tone und wandte sich zu ihrem Verlobten:Ich hab's Dir immerzu gesagt, Oskar I  " So? Ich hab's wohl überhört." Meine Nichte ist glücklicherweise in Anschauungen erzogen. Herr Oskar, die von den sagen wir: volkstümlichen recht weit ab» weichen. Und so lange ich lebe" werden Sie nicht von unserer Seite weichen, ich verstehe," ergänzte Oskar. Bis zu Ihrer Hochzeit wenigstens." Sie nickte kräftig. .Warum wollen Sie dann aufhören? Möglicherweise finden sich auch da noch Gelegenheiten, irgendwie regulierend einzugreifen." Möglich! Wahrscheinlich sogar!" Tante Müller ging mit einigem Eifer auf solche Geplänkel ein.Allein, d a S würde meinem feinen Empfinden widersprechen." Feines Empfinden, sagten Sie, nicht?" Hier griff Marie ein, weil ein ernsterer Konflikt drohte, und sagte ablenkend:Wollen wir nicht mal den Berg dort hinauf» klettern?"~ Ja. Es muß eine herrliche Aussicht sein. Der Weg wird beschwerlich für Sie werden, Frau Müller, aber" Machen Sie sich keine Sorgen um mich, Herr Oskar. Ich gehe mit. Und wenn Sie hoffen, daß ich unterwegs liegen bleibe" Sie verkennen mich, Frau Müller," sagte Oskar in sanftem Tone.Ich wachte nicht nach Ihrem Leben." Oskar wünscht Dir alles Gute," bestätigte Marie.Du mußt doch zugeben, daß Bergsteigen nicht Deine'starke Seite ist. Daß Du leicht ermüdest." Ich weiß, ich weiß." Tante Müller nickte mit schlauem Lächeln. Aber, meine lieben Kinder, Ihr nehmt mich in Eure Mitte. Und wenn ich ermüde, stütze ich mich auf Euch. Ist Ihnen etwas Saures in den Mund gekommen, Herr Oskar?" Mich hat'ne Biene gestochen. Es scheint übrigens auch dort unten ein Weg entlang zu gehen. Durch den Wald. Ich werde mal rekognoszieren. Setzt Euch ein Weilchen hier auf die Bank" Er blinzelte Marie zu und entfernte sich. Nicht lange danach fühlte Marie sich beunruhigt.Wo er nur bleibt! Oskar I  " Sie stand ans:Oskar I   Er wird sich ooch nicht verirrt haben? Bleib' nur ruhig sitzen, Tante. Oskar! Oskar!" Sie rief und entfernte sich immer weiter von der Bank. Marie! Daß Du hierbleibst!" Einen Augenblick, Tante. Er kann ja nicht weit sein." Sie war schon im Walde verschwunden. Tante Müller sprang auf und wollte nacheilen. Aber sie über- legte es sich noch mal, nmrmelte:Mich macht Ihr nicht dmum, nieine Hühnchen! Ihr wollt mich versetzen!" und sie versteckte sich hinter einem Busch, von dem aus sie die Bank im Auge behielt. Eine gute Weile verging. Dann spähte Oskar drüben hinter einem Baume hervor und winkte Marie:Komm. Der Detektiv ist auf den Leim gegangen." Er umarmte Marie, grüßte spöttisch in den Wald hinein und rief halblaut:Glückliche Reise, Tante Müller! Wer weiß, wann wir uns wiederseh'n." Sehr bald, mein Junge I" murmelte es hinter dem Busch. Warte nur!" Ach, Du, hübsch ist eS eigentlich nicht," lachte Marie. Sehr hübsch. Und vor allen Dingen notwendig. Selbsthülst l Not kennt kein Gebot und so lveiier. Tante Mittler hat Fett genug auf dem Leibe: Bewegung ist ihr sehr gesund. Uns aber ist ein wenig Ruhe vor dem Kriminalblick geiund. Zeig mal Deinen Mund." Pause. Unverschämt!" und fuukelnde Augen hinter dem Busch. DaS nennst Du nun ein vernünftiges Wort reden," lachte Marie. Ein vernünftiges Wort schweigen, wäre richtiger. Ganz recht. Unter Leuten, welche lieben, braucht's der großen Worte nicht," sang Oskar. Erneute Pause. Bewegung hinter dem Busch:Er zerdrückt ihr den HnH" Hörtest Du nichts?" Marie fuhr aus der Umarmung. Ach, keine Spur I" Oskar sah sich um.Wer soll denn hier sein. Wilde Kaninchen und Eidechsen. Alte Eulen halten sich da nicht." Ohl" hinter dem Busch. Und Oskar reckte lachend die Arme und schlang sie um seine Braut:Ach, Mieze, Mieze, wie schön ist es auf der Welt ohne Tante Müller I" Es schickt sich nicht. Mieze zu sagen", lachte Marie.ES ist nicht fein. Du." O, es ist sehr fein. Und ant feinsten ist, daß wir den alten Drachen in den April geschickt haben. Darauf wartete ich schon wochenlang mit Sehnsucht." Tante Müller nickte boshaft hinter dem Busch:Freu' Dich, mein Lieberl So schlau wie Du sind wir auch noch." Ich habe Hunger," sagte plötzlich Marie,und Tante Müller hat die Stullentasche." Wenn's weiter nichts ist! Es wird sich schon irgendwo etwas auftreiben lassen. Wir schlendern jetzt langsam zum Wasser Tante Müller ist entgegengesetzt gegangen, schauen ins Abendrot. abendbroten und fahren mit dem Dampfer nach Hause. So spät wie möglich, da wir ja Tante Müller suchen müssen." ES wird riesig romantisch werden, nicht, Oskar?" Er küßte sie. Aber Ihr nehmt mich doch mit, meine lieben Kinder?" Ueber den vereinigten Köpfen erschien schadenfroh lächelnd TantS Müllers Gesicht.Uebrigens schickt sich daS nicht, Marie." Himmel!"--- Kulturgeschichtliches. _ Die verlorenen zehn Stämme Israels. Der Franks. Ztg." wird ans London   geschrieben:Wer über Queen- borough nach London   fährt, kann, kurz hinter Oucenborough links nach dem benachbarten C h a t a m zu blickend, ein gewaltiges Back- steingebäude sehen, das allen Ernstes zu dem Zwecke erbaut ist, dre verlorenen zehn Stämme Israels aufzunehmen. Vom Eisenbahn» zuge aus gesehen, wirkt das Gebäude wie eine riesige Mietskaserns in Ziegelrohbau. Bei genauerem Zusehen erkennt man aber, daß das kolossale, turmhohe Gebäude eine verlaffene Ruine ist, ohne Fenster und Dach. Und jetzt wird das unvollendete Massenquartier der verlorenen zehn Stämme Israels verschwinden. Die Ruine ist