«nd tanzen bor ihm, um ihn dann am Abend unter Singen undJubeln nach Hause zu geleiten.— Beim Reigenspiel erwählensich die Mädchen aus einer Dorfschaft die angesehenste Schöne zursogenannten Aeltcsten und bringen ihr unter Gesang ihre Huldigungdar, indem sie sich an die Hände fassen und einen Kreis um siebilden. Außerhalb des Kreises treten die Mädchen zwei und zweiauf, indem sie vor- und rückwärts schreiten und dabei von Liedernder zuschauenden Eltern und Kinder begleitet werden. Außerdemtennt man auch noch die Khorovodis- Tänze, die auch nur vonFrauen ausgeführt und von Gesang begleitet werden.—st. Bauplatten aus Zucker.(Nachdr. Verb.) In dem Märchenvom Schlaraffenland wird erzählt, daß man sich erst durcheinen großen Berg von Kuchen durchessen müsse, ehe manin jenes Land gelangen kann. Noch reicher malt diePhantasie in den Märchen orientalischen Ursprungs; dortzaubert man dem Kindcrgemüt Glaspaläste mit goldenenTüren und sonstigem phantastischen Beiwerk vor, undnun erleben wir es in dem nüchternen Deutschland, daß ein Er-finder Bauplatten aus Zucker herstellt. Indessen ist der Ausdruck„Bauplatten" nicht ganz passend gewählt; beim Lesen dieser Be-Zeichnung denkt man unwillkürlich an ganze Häuser oder dochwenigstens an ganze Fronten aus Zuckcrquadern. Um solche handeltes sich in Wirklichkeit nun doch nicht, sondern um kleine Platten zuDeiorationszweckcn, welche speziell zur Verzierung von Innen-räumen dienen sollen. Solche Platten bestehen aus einem passendzugeschnittenem Gewebe aus Draht oder anderem geeignetenMaterial, auf welchem man Kristalle von Kandis sich bilden läßt.Man kann selbstverständllch der Kristallplatte auch die Form einesHohlkörpers geben, indem man das Drahtskelctt hohlkörpcrförmigherstellt und alsdann die Kristallbildung vor sich gehen läßt. DieVerwendung dieser Platten ist so gedacht, daß sie sowohl in derDurchsicht als auch in der Draufsicht wirken sollen. Das Verfahrenzur Herstellung solcher Platten ist dem Verfahren zur Herstellungvon Kandis entlehnt. An Stelle des Kandis sollen schließlich auchandere kristallisierbare, farbige oder farblose Stoffe treten können,wie Alaun, Steinsalz, Kupfervitriol, Eisenvitriol u. a. Um die sohergestellten Platten widerstandsfähiger zu machen, insbesondereum sie gegen Feuchtigkeit zu schützen, kann man die fertigen Plattenmit einem geeigneten Ueberzug aus Zelluloid, Kollodium, Firnisund so weiter überziehen. Dieser Lacküberzug kann sowohl farblos,als auch gefärbt sein.Die Idee, solche Kristallbildung zur Dekoration von Flächenzu verwenden, ist allerdings nicht mehr sehr neu; wir erinnern nuran die Papiere, welche zu Visitenkarten und ähnlichen Zwecken ver-wendet wurden, dann an die kleinen Galanterie-Artikel, wie Streich-Holzschächtelchen u. a. aus Weißblech mit kristallisierter Oberflächeund farbigem Lacküberzug. Diese Sachen sind jedenfalls aber vielwiderstandsfähiger als Zucker- und andere Kristalle, die be-deutende Quantitäten Kristallwasser enthalten und deshalb äußerstleicht verwittern. Selbst bei Anwendung der obengenannten Lack-Überzüge wird eine lange Haltbarkeit kaum zu Erreichen sein.—hl. Die Tonpfeifenfabrikation, die einst im Emsgcbicte und inOstfrieslaud in hoher Blüte stand, ist heute bei uns fast völlig ver-gessen und scheint, wie„Die Landindustrie" schreibt, sich nur nochin einer Fabrik in Papenburg erhalten zu haben. Früher fehltedie Tonpfeife auf keiner Hochzeit und keiner Kindtaufe; auch beimHausrichten wurde sie gereicht, sie bildete eben bei derartigen fest-liehen Veranstaltungen einen besonderen Gang. Heute ist sie fastdurchweg nur noch bei den Schiffern zu finden. Die PapenburgcrFabrik bezieht den zu verarbeitenden Ton von Grenzhausen inHesscn-Nassau; nach gehöriger Vorbereitung wird er in Formengepreßt, von denen es zwölf bis fünfzehn Sorten gibt. Die Her-stellung des Rauchkanals geschieht mittels einer langen Nadel underfordert große Uebung. Ist die Pfeife im rohen Zustande fertig,dann wird sie abpoliert und in Kasten zum Trocknen aufgestellt,worauf sie in einen Ofen wandert, in dem sie mit 12 RX) anderenüber 36 Stunden gebrannt wird. Nach dem Erkalten wird dieSpitze des Rohres in Wachswasser getaucht, um dem Ankleben desTons an den Lippen beim Rauchen vorzubeugen. Eine geübte Handfertigt an einem Tage b(X)6 bis 6000 Stück solcher Pfeifen.—Physiologisches.ie. Der Mensch die stärkste Maschine. Der Ver-gleich des menschlichen Körpers mit einer Maschine ist alt, aber seinewissenschaftliche Begründung stammt aus allerletzter Zeit. ProfessorAtwater hat jetzt in die Kette dieser Forschungen ein neues Gliedeingefügt, und zwar auf Grund recht merkwürdiger Untersuchungen.Er wählte eine Versuchsperson, die ihre Muskelkraft an einem ge-wohnlichen Zweirad beweisen muhte. Durch ein angeschlossenesMeßinstrument konnte die vom Menschen erzeugte Energie in herForm eines elektrischen Stromes genau bestimmt werden. DerRadfahrer arbeitete im Innern eines großen hölzernen, Gehäuses,das er während ver ganzen Dauer des Experiments, d. h. fürmehrere Tage, nicht verlassen durfte. Alles, was er an Essen undTrinken zu sich nahm, wurde aufs genaueste gewogen, und als Er-gcbnis der Versuche stellte Professor Atwater die Behauptung auf,daß der Mensch eine weit bessere Maschine sei als eine Lokomotive,indem er für eine bestimmte Menge von Nahrung bzw. Heizstoffdoppeltso viel Kraft hervorbringt. Der Mensch ist in dieser Hinsicht demsparsamst arbeitenden Automobil zu vergleichen- Ueberhaupt sollkeine der bis aus den heusigen Tag erfundenen Maschinen, ob sienun mit Dampf, mit Elektrizität, mit Benzin oder sonstwie be»trieben wird, der menschlichen Maschine relativ an Größe derEnergieerzeugung gleich sein. Die leistungsfähigste aller Maschinenmacht nach Atwater kaum 16 v. H. der im Brennstoff enthaltengewesenen Energie nutzbar, der Mensch aber 20 v. H., ohne die zurErhaltung der Körperwärme nötige Energie mitzurechnen.—Humoristisches.— Das Maiglöckchen. Die„Tägliche Rundschau" der-öffentlicht aus ihrer Sammelmappe folgenden Schulaufsatz:Im Monat Mai und Juni blüt in der Nawhr ein Zierlicheskleines Blümchen, das durch ihre zierlichen Blüten und durch derschönen Gestalt auffällt. Es ist die Maiblume, welche uns durchseinen wohlriechenden Duft erfreut. Den Namen hat die Pflanzedaher, weil sie im Mai und Juni wächst und durch die Gestalt derniedlichen glockcnartiegen Form Ihrer Blühten. Es ist sonderbar beiden Maiglöckchen, daß sie ober und unter der Erde wachsen; Sieswecken Ihre Wurzeln tief in die Erde hinein und haben eine Vasawurtzelund ein Wurtzelstock. Die Blätter sind glänzend, grün, paranellnerfichund gansrandig. Der oberirdische Stiehl verzweikt sichnicht und wägt keine Blätter, aber Blühten; darum ist er einSchafft. Die Blüte ist gestillt und nnvollständich, denn sie bestehtnur aus Krohne, Staupgefähssen und Tempel; Sie, Ihr Kelch fehlt IDie Blüten bilden eine Traube, die gerade aussieht; den fehlendenKelch ersetzt ein Schutzblatt. Die Zahl der Staupgefähssen stimmenmeisten in die Zahl der Jäckchen ein: auch bei der Maiblume istdaß so, das 6 Staupgefähsse und 6 Zacken vorhanden sind. Diesekopieren(gruppieren) sich um den Tempel(Stempel). Aus derFrucht entwickelt sich eine Rothe Beere.— Das Maiglöckchenist durch den angenehmen Geruch unseres Kaisers unsereLieblinksblume geworden. Durch der weißen Farbe gibtes uns ein Bild der Unschuld und Reinheit. Man Planztdie Maiblume viel in Gärten, damit Sie uns durch Ihren wohl-riechenden Duft erfreuen. Es ist darum auch oft von den Dichternbesungen worden. Das bekannteste ist das Maiglöckchen von Hofmannvon Vallasleben(Fallersleben). Der Jnnhalt ist l das Maiglöckchenblüt im Tal und ladet uns und die Blümchen zum Tanze ein; dennes wird schon Fruhlink. Daß vedrotz den Junkerreif und er steigtzum Thal, da schlafen die Blumen alle, aber als der Reif kaumdas Thal verlaßt, da läutet das Maiglöckchen wieder und ladet allezum Tanze ein. Nun kann ich auch nicht mehr zu Haus bleiben,sondern mutz auch hinausgehen; die Blümchen gehen zum Tanzeund ich gehe mit, sind der Mond siehd zu, wie alles tanzt.—Notizen.— Das Gastspiel der Wiener Hofburg-Schau-s p i e l e r brachte dem Berliner Theater in den zwölf Abendenö4 SSO Mark Brutto-Einnahme, ein für die Sommernronate noch niedagewesener Betrag.—— Dt. Ernst W eh lisch vom Volkstheater in Wien wirdals zukünftiger Oberregisseur des Berliner KleinenTheaters bezeichnet.—— E r n st P i t t s ch a u, der den Mitgliedern der Volksbühnewohlbekannte Künstler aus dem Berliner Theater, geht zum1. September ans Wiener Burgtheater.——„Das Ende derLiebe", ein Lustspiel von B r a c c o,wurde als erste Novität vom Tri anon- Theater angenommen.—— Die französische Kommission für Volks-t h e a t e r wird zunächst in Paris und an größeren Provinz-theatern volkstümliche Vorstellungen veranstalten.Später sollen eigene Theater für diesen Zweck errichtet werden.—— Die Neue komische Oper am Schiffbauerdamm suchteine Primadonna. Trotz einer Jahresgage von 40 000 Markwill die geeignete Persönlichkeit sich nicht finden.—— Eine neue Operette von Franz Wagner:„Sou-breite njäger" geht am nächsten Sonnabend im Theaterdes Westens in Szene.—— Das Zentral-Theater hat eine Operette„Krieg imFrieden" von Reinhardt zur Aufführung erworben.—— Tolstoi in Musik.„Anna Karenina" soll alsOper demnächst in Neapel aufgeführt werden.—— Die Internationale kri minali st ische Ver-einigung hält vom 11. bis 13. September in Hamburgihren zehnten Kongreß ab. Auf der Tagesordnung steht u. a. einVortrag des Professors v. L i s z t über die Behandlung dervermindert Zurechnungsfähigen.—— Ein indischer Frauen kongreß wurde kürzlich inKalkutta abgehalten. Wenige Europäerinnen, im übrigen Hindu-frauen, Mahratis, Persierinncn und Muhammedancrinnen nahmendaran teil. Gesprochen wurde in drei Sprachen.—— Ein Vulkan als Waschanstalt. Unweit derisländischen Hauptstadt Reykjavik wird ein bis vor kurzem unter-irdischer Abfluß des Gchser als Waschgelegenheit benutzt. Die Wärmedes hervorquellenden Wassers steigt bis zu 100 Graden. Die Ge-meinde hat einen drei Meter breiten Kanal durch behauene Steineeinfassen lassen, an dem bis zu fünfzig Wäscherinnen arbeitenkönnen.—Perantwortl. Redakteur: Paul Büttner. Berlin.— Druck und Verlag:Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagSaujtaltPaul Singer LeCo., Berlin SW,