ist in Paris der einzige Mensch, der dergleichen zu schätzenweiß! Noch unter dem Kaiserreiche hätte man zweimal-hunderttausend Franken benötigt, um einen solchen Schmuckzusammen zu stellen."Er machte eine abweisende Geberde des Bedauerns.„Heutzutage," meinte er,„verlieren die Diamantentäglich an Wert. Brasilien überschüttet uns seit deni Friedenund füllt den Markt mit Steinen, die viel weniger weiß sindals die indischen. Bei Hofe— da werden sie noch getragen.Geht die Dame auch zu Hofe?"Während er diese niederschmetternden Worte, scheinbarunbeabsichtigt, hervorbrachte, betrachtete er die Juwelen nachwie vor mit einem geradezu unbeschreiblichen Genüsse. Wiedernahm er alles einzeln in die Hand.„Ohne Fleck— dieser hat einen Fleck— dieser hier einenkleinen Riß— schöner Diamant!"Sein bleiches Gesicht erstrahlte im Wiederschein derJuwelen in solch leuchtendem Glänze, daß ich es unwillkürlichmit jenen grünlichen Spiegeln vergleichen mußte, wie mansie wohl in ländlichen Gasthöfen wiederfindet.„Wie stehen die Sachen also?" fragte der Graf, indemer Gobseck einen Schlag auf die Schulter versetzte.Das greisenhafte Kind fuhr zusammen. Er trennte sichvon seinem Spielzeug, stellte es auf seinen Schreibtisch, setztesich in seinen Sessel und wurde wieder ganz Wucherer— hart,kalt und glatt wie eine Marmorsäule.„Wieviel brauchen Sie?"„Hunderttausend Franken auf drei Jahre," sagte derGraf.„Nicht unmöglich," erwiderte Gobseck, indem er aus einerMahagonischachtel eine Wage von unschätzbar genauer Arbeithervorholte: das war sein Schmuckkasten. Er wog die Steineab, indem er das Gewicht der Fassung nach dem äußeren Ein-drucke— und nur Gott weiß, wie hoch— veranschlagte.Währenddessen kämpfte der Graf zwischen Freude undErnst. Die arme Frau verharrte in einem Zustande dumpferBetäubung, die ich ihr nachfühlen konnte: sie schien mir dieTiefe des Abgrundes ermessen zu wollen, in den sie versinkensollte. Offenbar regte sich die Reue noch im Herzen der Un-glücklichen: sie bedurfte nur einer Hand, die sich ihr teil-nehmend entgegenstreckte: vielleicht war sie noch zu retten.Ich versuchte es.„Gehören diese Steine Ihnen, Madame?" fragte ich mitvernehmlicher Stimme.„Jawohl," entgegnete sie mit unverkennbarem kühlenStolze.„Setzen Sie den Rückkaufsvertrag auf und schwatzen Sienicht I" unterbrach Gobseck, wobei er sich erhob und mir seinenPlatz am Schreibtische anwies.„Madame ist verheiratet, nicht wahr?" bemerkte ich.Sie nickte bejahend und ungeduldig mit dem Kopfe.„Ich werde den Kontrakt nicht aufsetzen," sagte ich schroff.„Und warum nicht?" meinte Gobseck.„Warum?" wiederholte ich, indem ich den alten Mannmit mir in die Fensternische zog, um dort leise mit ihm zusprechen.„Warum?" Weil diese Frau unter der eheherr-lichen Gewalt ihres Mannes steht und der Vertrag daher un-gültig ist. Sie können nicht einmal ihre Unkenntnis geltendmachen, da diese Tatsache in dem Aktenstück erwähnt werdenmuß."Gobseck bedeutete mir durch eine Kopfbewegung Still-schweigen und wandte sich wieder zu den beiden Geldsuchenden.„Er hat recht," sagte er.„Die Sache liegt jetzt ganzanders. Achtzigtausend Franken bar— und Sie überlassenmir die Steine," setzte er mit tonloser, dünner Stimme hinzu.»Aber— ," der Graf wollte etwas einwenden.„Mein letztes Wort," bemerkte Gobseck, indem er derGräfin das Etui einhändigte.„Ich muß ein zu großes Risikodabei laufen."„Sie sollten sich lieber Ihrem Gatten zu Füßen werfen,"flüsterte ich ihr ins Ohr.Der Wucherer entnahm offenbar den Sinn meiner Worteaus den Bewegungen meiner Lippen. Er warf mir einendurchbohrenden Blick zu. Das Gesicht des jungen Manneswurde aschfahl. Die Gräfin zögerte sichtlich. Der Grafnäherte sich ihr: wenngleich er sehr leise sprach, so hörte ichseine Worte doch:„Leb wohl, liebe Anastasia, und sei glücklich. Ich werdeso wenigstens morgen keine Sorgen mehr haben."„Mein Herr!" rief die Gräfin plötzlich, indem sie sich eilig5» dem Alten hinüber begab.„Ich nehme Ihr Anerbieten an!"„Na. endlich. Madame," entgegnete der Alte,„aus Ihnenist schwer etwas herauszubekommen: ein Beichtvater hättewohl ein tüchtiges Stück Arbeit mit Ihnen, schöne Frau."Bei diesen Worten unterzeichnete er eine Bankanweisungüber sünfzigtausend Franken und händigte sie der Gräfin ein.„Und nun," fuhr er mit einem Lächeln fort, das etwasunverkennbar Voltairesches an sich hatte,„jetzt werde ich Ihnendie gewünschte Summe mit dreißigtausend Franken inWechseln abrunden, deren Güte wohl nicht beanstandet werdenkann. Sie sind so gut wie Gold in Barren. Ihr Herr Be-gleiter hat mir soeben erst erklärt: Meine Wechsel werdenbezahlt."Er holte mehrere vom Grafen gezeichnete Wechsel hervor;sie waren alle am Tage vorher zu Protest gegangen, und zwarauf Veranlassung eines der Freunde Gobsecks, der sie ihmwahrscheinlich dann für eine geringe Summe verkauft hatte,Der junge Mann stieß eine Art Wutgebrüll hervor, ausdem nur das Wort„alter Schuft" heraustönte.Gobseck zuckte nicht mit der Wimper; er nahm ein paarPistolen aus einem Kasten und sagte:„Als Beleidigter habe ich den ersten Schuß."„Maxime, Sie müssen sich bei dem Herrn entschuldigen,"flehte die Gräfin, am ganzen Leibe zitternd.„Ich hatte nicht die Absicht, Sie zu beleidigen," stotterteder Graf.„Das weiß ich sehr gut," entgegnete der Wucherer.„Siehatten lediglich die Absicht, Ihre Wechsel nicht zu bezahlen."Die Gräfin erhob sich und verabschiedete sich mit einemkurzen Gruße. Angst und Entsetzen malten sich auf ihrenZügen.Traille mußte ihr folgen. Bevor er sich entfernte, sagteer noch:„Wenn Sie beide ein Wort hierüber verlauten lassen, sofließt Ihr Blut— oder das meine."„Amen," setzte Gobseck hinzu, indem er die Pistolen weg-schloß.„Um aber sein Blut aufs Spiel zu setzen, meinJungelchen, muß man auch welches haben. Du hast nur Dreckin Deinen Adern!"(Fortsetzung folgt.)lNochdnick verboten.)Allerlei Aletterpropketen.Unter den zahlreichen Faktoren, die das Leben der Menschenbeeinflussen, nimmt das Wetter zweifellos eine der ersten Stellenein. Es beeinflußt unsere eigenen bedeutsamsten Entschließungensowohl wie mancherlei Verhältnisse, in denen wir leben. Sehr ofthängt das Gelingen eines Planes, die Erreichung eines nützlichenoder angenehmen Zweckes von der Beschaffenheit der Atmosphäreab, und deshalb konsultieren wir so häufig Barometer, Thermometerund Hygronietcr. Diese Wetterpropheten geben dem Landmann,dem Kaufmann, den Gewerbetreibenden wichtige Fingerzeig« zurVorausbcstimmung des Wetters. Auch wenn es sich um einen Aus-flug, ein Gartenfest oder ein anders Vergnügen in freier Naturhandelt, pflegen wir gern jene so beliebten und gefürchteten Haus-gätzen zu befragen. Neben ihnen aber existieren noch eine ganzeAnzahl andere, weniger bekannte, aber doch in gewissem Maße rechtzuverlässige Wetterpropheten, unter denen verschiedene Repräsen-tonten der Tierwelt die bedeutendste Nolle spielen.Mehr wie der moderne Mensch, dessen ganzes Sinnen undDenken auf den Kampf ums Dasein gerichtet ist, mehr selbst als derNaturmensch, beeinflußt die Witterung das Leben und die Ge»wohnheit der Tiere. Doch ehe wir sie in ihrer Eigenschaft alsWetterpropheten betrachten, sei es uns gestattet,«inige andere Er-schcinungen in der Natur für unsere Zwecke heranzuziehen.Ausgezeichnet verstehen sich die Bewohner der Alpen auf dieDeutung des Wetters. Mancher Tourist wird zu später Abend-stunde ein besonderes Glitzern der Sterne wahrgenommen haben.Die Erfahrung lehrt, daß solch auffallendes Sternengeslimme» inunermit„warmem HöheMvind"(Südwind) zusammenhängt. StehtNeumond dazu, so wird nach einer uralten Wetterregel in den Alpendas Wetter bald umschlagen. Bringt ein Wettersturz auf Südwindintensiven Neuschnee, so wird mancher Bergführer und Bergfahreraufatmen! Binnen 24 Stunden wird Himmelsbläue über weißverwehte Schrofen leuchten.Jeder erfahrene Hochtourist wird bei Nebeleinfall an die Aus-führung seiner Bergbestcigungspläne nur dann schreiten, wenn sichAnhaltspunkte dafür bieten, daß die Wolken nur in dünner Schichtgelagert sind. Dicke Wolkenbänke vereiteln alle Pläne. Freilich istsolche Beobachtung oft recht schwierig und meist nur den alten Berg-führern möglich. Wird ein erprobter Führer— ineist sind sie umo wortkarger, desto größeres Renommee sie besitzen— ganzchweigsam, so findet der Tourist die Ur>ache solch völligen Ver-stummens durch einen Blick in de-» Wolkenzug aus Süden,