- 579 XX. Internationale Kunstausstellung in jviuncben. IL Die Sezession bildet eine Ausstellung für sich innerhalb bes großen Ganzen. Gemälde, Plastik, Graphik ist da vertreten. Unter den Graphikern zeichnet sich Graf durch kräftige Schwarz weißwirkung seiner Blätter aus. Auch Fehr hat einen kraftvollen, energischen Kopf hier. Lustig und bunt wirkt Kirchner mit dem bekannten BlattDie Sorglosen". Ein Abhang, eine Wiese, auf der eine burleske Phantasie sich austobt. Die Sonne scheint. Ein Schneider tanzt Ballett in der Sonne. Die dicke Groß' mutter hat ihr Bett nebst Zubehör herausrücken lassen ins Freie: ein dicker Herr trägt einen Damenhut. In den Zweigen eines Baumes sitzt ein dürres Männchen und flötet. Auf dunklem Grunde, fast schattenhaft undeutlich läßt Vetter ein farbenreiches Feuerwerk erscheinen, dos in gelben Garben herunter- rieselt auf die Stadt. Auch der..Marienplatz" ist so phantastisch und undeutlich gezeichnet. Als Nachbildung interessant ist dieIn quisitionsszene nach Goya  " von D a n s e, die in phantastischem Helldunkel gehalten ist. D a m b e r g e r umreißt mit scharfen, nrarkanten Linien einen Charakter. Die Porträts arbeitet er sicher aus Schwarz   und Weiß heraus. Stern hat viel von den Japanern gelernt. In der Farbe sowohl, die er in matten, flächigen Nuancen bevorzugt. Auch in der Kourposition spürt man den-Einfluß. Er setzt die Figuren nicht in die Mitte, sondern rückt sie mehr an die Seite, so daß ein breiter Raum freibleibt. Der Saal, der die Plastiken enthält, macht einen guten Ein- druck. Man merkt, diese Künstler stellen sich vor neue Aufgaben. Die feine Knabenaktstudie von WagnerAuflösung" ist herb in den Linien. Leuchtend und lebendig ist desselben KünstlersHerren- Porträt", das in der Behandlung der Bronze malerische Absichten verrät. Am schärfsten hebt sich L e d e r e r heraus. Der gewaltige stiernackige RingkämpferPehrouse" wirkt zu sehr durch die Masse. Fein erscheint dagegen die zart durchgebildete Büste von Pfitzner. Elegant steht auch der jugendliche Fechter da, der die Krönung des Breslauer Brunnens darstellt. Die kauernden Figuren, die den Unterbau tragen, sind schön und lebendig in den Massen. Auch die sitzende Figur ist frei komponiert. Man hat es mit einem Künstler zu tun, der mit Virtuosität und sicherer Eleganz seinen wechselnden Aufgaben gerecht wird. Leicht behandelt Jaeckle die Flächenpartien eines Gesichts. Fein und glatt erscheint seine Technik, die oft dadurch etwas Malerisches erhält, den Charakter einer geschmackvollen Zeichnung. Alles deutet er leise nur an. Die Stirn, die Augen, den Anzug. H u d l e r s ernstes Können zeigt der Dengler". Wirsing   streift ein bißchen ins Genregebiet. Sein jungerMelonenesser" baut sich leicht und gewandt auf. Eine Bildnisbüste in Sandstein ist ebenfalls leicht gearbeitet. Eine ganze Reihe von Bildnissen schließt die Ausstellung. Wagner, Romaguoli, Wirsing   liefern die besten Arbeiten auf diesem speziellen Gebiet der Porträtkunst. Die Bildabteilung der Sezession vereinigt auch die Gäste der auswärtigen Sezessionen. DieSchafherde" von Tooby zeichnet sich durch ruhiges, warmes Licht aus, in dem die Körper plastisch stehen. Beinahe dekorativen Wert hat die GruppeIm Winde" von Eisen Werth, ein Mann und ein Mädchen auf hohem Hügel im Sturm stehend, von Mantel und Gewändern umflattert. Ueber die grauen Kleider fliegt der grüne Schleier des Mädchens. Dunkle Wolken geben einen schweren Akzent. O p p l e r s Jnterieurbilder lassen die Farben in der intimen Jnnenlust gedämpft untergehen. Die große Landschaft fHügel und einen See), die S t e p p e sAdagio" nennt, wirkt frei und räumlich) Sie ist in prontillsttischer Manier gemalt. Mit die besten Arbeiten rühren von I a n k her, der ein Halali" in prächtigen braunen und roten Tönen malt. Die Hunde vorn, die Reiter hinten, die herankommen, alles ins gelbe Licht untergehender Sonne getaucht. Auch dasHeidi" ist bewegt und lebhaft, hat kräftige Farben und gibt den Inhalt mit Verve. DasWettrennen" zeigt Jockeys  , die in schnellster Bewegung vor- überrasen, ein buntes, reizvolles Bild. Ein besonderes Talent ist Kusch el, der sich an die alten deutschen Maler anlehnt, deren derbe, tiefe und satte Farben ihm zusagen. Dunkelgrün im Ton er- scheint dieKreuzabnahme". Leicht ist dieFrühlingsidhlle". Böcklins Einfluß ist nicht zu verkennen. N. H ü b n e r geht den Reizen der Landschaft nach, meist sucht er Städte am Wasser, dessen graue, zartblaue Atmosphäre ihn reizt, auf. Witzig und humoristisch geben sich Z u m b u s ch und Hengeler, der eine mehr einen trüben, alten Ton, eindringlich und fest, der andere farbigere Wirkung erstrebend. Besonders tttt sich noch Exter   hervor. Das große dreigeteilte Bild, das den Stoff Kellers Tanzlegendchen" entniinntt. ist reichlich bunt. Doch ist Kellersche Anmut in den hellen Farben. Auch in einem frischen, lebendigen Familienbildnis zeigt Exter   entschiedene Farbigkeit. Leistikow ist mit einem Parkbild vertteten, helle Bäume, die sich von arll»er Wiese zart abheben. H a y e k liebt den Schnee, der auf den Zweigen liegt und. langsam herunterttopft in den Bach, der zwischen den Stämmen hinfließt. Piep ho malt sonniges Licht, das die Figuren reicht umgibt. Duftig grau malt C r o d e I seine Land- schaften, die einen unauffälligen, natürlichen Charakter bevorzugen. G r e t h e entnimmt feine Motive der Hamburger   Gegend. Er malt den Hafen im dunstigen Abendlicht, wo die Sonne noch einmal durchbricht, die Stadt bildet den Hintergrund in reichten, geröteten Silhouetten. Etwas gewollt erscheint Hierlderoncos Kunst. EineDiana", eineMedea  " gibt er. Raffiniert will er die Farben zusammen bringen. Der braune Körper wirkt apart zu dem violetten Teppich. Das Geschmeide blinkt lebhaft. Neben der Diana blühen lila Blumen und buntfarbige Flamingos erscheinen im Hintergründe. Brillant zeigt Zügel   seine virtuose und sichere Kunst, die er unermüdlich übt: Schafe, Schweine im Sonnenlicht zu malen. DieLüneburger Heide  " im Mittagsflirren, in ruhigem, weißen Abendlicht zeigen neben den prächtigen, suhlenden Schweinen sein Können. Dambergers Porträts enttiehmen dem Moment, den sie festhalten, den Charakter. Die Farbe dient nur als Unter« stützung der Zeichnung. Er ist Zeichner, der das Skizzenhafte, Augenblicklich-Lebendige liebt. Zarter Reiz umkleidet die fein und sorgsam gemalten Knabenakte von Landenberger, die sich im Freien vom Wasser meist abheben. Auch ein anderes BildFrühling" ist sanst und licht im Ton, rote Blunien auf grauem Sande, leicht und dustig. Stuck schwankt immer zwischen Theaterei und dekorativer Pose. SeinOrest  " ist eine posenhafte Theatererregung. Seine Verwundete Amazone", deren Körper so Plastisch wirkt, hat dekorativen Wert. Die Farben lila, grün, blau, rot bevorzugt er. Eigentümlich bläulich gibt er immer die Konturen des Körpers. Er kopiert sich zu oft selbst, ohne neues überhaupt zu erstreben. Auch sein Plakat, Athene   auf einem griechischen Wagen, der mit vier springenden Rossen bespannt ist, ist nur eine nochmalige Wieder« holung alter Motive, die gleichen Farben, die sich in der Form an römische Wandbilder anlehnen, Gold auf Blau, in leichter Stilisierung. Habermann stellt ein Damenporträt aus, bei dem besonders die Wiedergabe des grauen Kleides und Umhanges gefällt. Kalk« r e u t h gibt in stumpfgrünen Farben ein Bildnis seiner Frau, Liebermann die silbergraueSeilerbahn" mit lichten Tönen im Laub der Bäume, Kühl mehrere seiner auf einen Ton ge- stimmten Jnterieurbilder, U h d e ein dunkles BildAbendaussicht", eine Gesellschaft, die im Garten um einen Tisch sitzt, das Licht der Lampe bescheint die Gesichter. Schräm m-Zittau einen prächtig lebhaftenHühnerhos". Helle, grüne Landschaften gibt P i e tz s ch, Haider sieht die Natur träumerischer, seine Farbe ist tiefer, stiller, wärmer. Feingestimmte Interieurs stellen Niemeyer(Mädchen mit Rosen) und Borchardt aus, der besonders apart ein Kleid, einen Stoff als Mittel benutzt, den Raum malerisch zu beleben. Daß es über die Sezession hinaus noch eine Steigerung gibt, zeigt dieScholle", in der wir die letzte, neueste Phase der Müchcner Kunst sehen. Diesmal treten besonders Münzer mit einem feinen und frischen Freilichtporträt, Putz mit phantastischen, farbig sehr lebhaften Kompositionen, E r l e r mit dekorativen, kühlen Entwürfen und P ü t t n e r mit flockig gemalten, intimen Bildern hervor. Auch G e o r g i zeigt sein Können in einer großen Land- schaft, in der vorn Landarbeiter beim Essen unter einen: Baume sitzen, während man aus diesem Schatten auf sonnige, helle Wiesen hinuntersieht. Die Mitglieder diesen jungen Vereinigung wenden sich mit Kraft und Frische dem Leben und der Natur zu. Sie haben eine ausgesprochene Freude an der Farbe und verfügen über ein achtbares Können, das ohne Zwang wieder zu großen, dekorativen Bildern hinsttebt. Ein Gang durch die Säle des Auslandes zeigt, daß eigent- lich nur die Schweiz   sich als Land charakteristisch heraushebt. Die anderen Länder, Spanien  , Frankreich  , Italien  , Norwegen   namentlich, bieten nur die üblichen Bilder, an denen man schnell vorübergeht. Die Schweizer   aber besitzen eine auffallende Frische und Boden« wüchsigkeit. Sie begnügen sich nicht mit Skizzen und Stücken, mit dem Abklatsch der Natur. Ein naives Erzählenwollen drängt sie, den Gehalt eines BildeS sichtbar zu konzentrieren. So kommen sie unwillkürlich zu einer vertieften Darstellung des Ge- fehenen: sie werten die Natur nach ihrem Gefallen um. Zudem verfügen sie über eigene, helle Farben. Man braucht nur den Schweizer   Saal zu betteten,'um zu empfinden, daß nian sich in einen, Land mit ausgepräaftem Charakter befindet. Die Frische und Helligkeit der Farben, die das Land mit dem hellen Blau des Himmels, dem Weiß des Schwees, dem Grün des Wassers bietet, ist von den Malern eigen benutzt._ So ergibt sich ein natürlicher, urwüchsiger Untergrund, aus dem die Kunst er- wächst. Die Schweizer   sind diesmal der Hauptanziehu'ngch'v'!> dex' Ausstellung. Auch Oesterreich   erhält schon durch seine me.'oerne,, �ative� Ausstattung besonderen Charakter. Die Säle sind'«WP schwarz gehalten. Neben den überfeinen, forcierten BflMn. die wir da sehen, die eine überbildete Kultur.zeigen, begegnen wir manchen guten Ansätzen, deren Feinheit natürlich und nicht ge­wollt ist. Die polnische VereinigungSeitka" zeigt sogar eine auf- fallende Frische. Auch den Polen   kommt eine natürliche Tradition zugute. Das bunte Volksleben mit der Fülle feiner Farbigkeit bietet den Künstlern immer wieder Anregung. Holland   zehrt von alter Tradition. Manch feinem, dunklen, in« timen Jnterieurbild begegnen wir da, unter denen Israels   Bilder sich charakteristisch hervorheben, die in warmen, goldigen Tönen ge- malt sind. T o r o o p mischt in dieses Ensemble moderne Tötte hinein. Seine Bilder sind leicht und lebhaft, zeigen entschied«»- Linienführung und lassen ahnen, daß auch hier eine neue Entwicke« lung einfetzt.,_ Ernst Schur.