ttub dann auch noch das Kind da: Floflo, die mochte ihm die Hosen knöpfen. In ein paar Jahren war sie alt genug dazu. Der Bürgermeister hatte alle Fenster wieder geschlossen, die auf Grosjeans Bitte geöffnet worden waren, und lief un- wirsch die Gemeindestube auf und ab. als Daniel Junt eintrat. Nix für ungut, Daniel, aber der Mist verstickt im Stall. Ich Hab noch keinen Knecht eingestellt." Er hatte es eilig, tat wenigstens so. Guten Tag, Herr Maire," antwortete Daniel lakonisch, Zog die französischen Banknoten aus dem Gilet und ein paar preußische Taler aus dem Hosensack und legte alles auf den Tisch. Das ist ein Elend mit dem Schwobcngeld," fluchte der Wiesbauer und rechnete mühsam die Taler in Franken um. Die Quittung, wenn's beliebt," sagte Daniel. Und die Prämie für die Assekuranz ist zahlt?" fragte der Maire, während er in den Papieren fingerte mit den gelb- braunen Händen. Mein Sach." >,Man wird doch noch fragen dürfen." (Fortsetzung folgt.) Nachdruck verboten.) RolWdnkis Geige. Von Anton Tschechow . Deutsch von Adolf Heß. Das Städtchen war klein, elender als ein Dorf, und in ihm wohnten fast nur alte Leute, die ganz vereinzelt starben. Im Krankenhaus aber und in der Strafanstalt wurden wenige Särge gebraucht. So ging das Geschäft recht schlecht. In einer Gouverne- mentsstadt hätte Jakob als Sargmacher sicher ein Haus sein eigen genannt; hier lebte er kümmerlich wie ein Mushik in einer alten Hütte mit nur einem Zimmer. In diesem Zimmer hausten: er, Marfa, ein Ofen, eine zweischläferige Bettstelle, die Särge, die Hobelbank und sämtliches Hausgerät. Jakob machte schöne Särge, dauerhafte..., Mushiks und Bürgersleuten, jedem nach seinem Maß, wobei nie ein Versehen vorkam, da größer und stärker als er, trotz seinen siebzig Jahren, niemand war, auch im Gefängnis nicht; bei Vornehmen aber und Weibern aber nahm er mit einer eisernen Elle Maß. Aufträge auf Kindersärge nahm er höchst ungern an, führte sie nach Gutdünken aus und bemerkte jedesmal, wenn er Bezahlung erhielt:Muß sagen: viel Vergnügen hat man nicht davon." Außer dem Handwerk brachte ihm noch etwas anderes kleinen Verdienst ein: sein Geigenspiel. Auf Hochzeiten im Städtchen nnlsizicrte meist eine Judenkapelle, unter dem Klempner Moses Schafkäs, der über die Hälfte der Einnahme stets für sich behielt. Und da Jakob sehr schön Geige spielte, namentlich russische Lieder, so lud Schafkäs ihn manchmal für fünfzig Kopeken den Tag, ohne die Geschenke von den Gästen, in sein Orchester ein. Wenn Jakob dann im Orchester saß, begann zunächst sein Gesicht zu schwitzen und sich zu röten; denn es war heiß und roch zum Ersticken nach Knoblauch; die Geige winselte; am rechten Ohr röchelte der Kontra- baß, am linken weinte die Flöte, die ein dünner, fuchsroter Jude mit einem ganzen Netz roter und blauer Aederchcn im Gesicht spielte. Er führte den Namen des bekannten reichen Mannes Rothschild. Und dieser Rothschild hatte die verfluchte Angewohnheit, die allerlustigsten Stücke traurig zu spielen. Ohne jeden ersichtlichen Grund wurde Jakob allmählich von Haß und Verachtung gegen die Juden erfüllt, namentlich gegen Rothschild ; er suchte Händel mit ihm, beschimpfte ihn nnd wollte ihn einmal sogar prügeln. Rothschild tat beleidigt, sah Jakob grimmig an und sagte:Wann ich Se nich verehrte ums Talent, wärn Se längst hinausgeflogen." Tann weinte er. Dieses Streites wegen wurde Jakob nur selten, im Falle äußerster Not, wenn einer der Juden fehlte, ins Orchester gebeten. Jakob war niemals gut gestimmt, da er beständig große Ver- luste erlitt. Sonntags zum Beispiel und an Feiertagen war Ar- beiten Sünde; der Montag war ein Unglückstag, und so kamen gegen zweihundert Tage im Jahr zusammen, an denen man die Hände in den Schoß legen mußte. Das war ein Verlust I Wenn in dem Städtchen eine Hochzeit ohne Musik gefeiert wurde oder wenn Schafkäs den Jakob nicht einlud, so war das wieder ein Ver- lust. Der Polizei-Jnspektor lag zwei Jahre krank er litt an der Auszehrung und Jakob wartete voll Ungeduld, bis er sterben würde; aber der Inspektor fuhr zur ärztlichen Behandlung in die Gouvernementsstadt und da überfiel ihn der Tod. Das bedeutete einen Verlust von mindestens zehn Rubel, denn der Inspektor hätte einen teuren Sarg bekommen. Die Verlustgedanken beschäftigten Jakob meist nachts; neben ihm auf dem Bett lag die Geige, und wenn die dummen Gedanken durch den Kopf zogen, berührte er die Saiten; die Geige gab in der Dunkelheit einen Ton von sich; dann wurde ihm leichter. Am 6. Mai des borigen Jahres, wurde Marfa Plötzlich krank, Die Alte atmete schwer, trank viel Wasser und taumelte; aber trotz- dem heizte sie morgens den Ofen und ging nach Wasser. Abends legte sie sich. Jakob spielte den ganzen Tag Geige. Als es dunkel ward, nahm er das Buch, in das jeden Tag die Verluste eingetragen wurden und begann, aus Langeweile, den Jahresüberschlag zu machen. Kamen über tausend Rubel heraus. Das erschütterte Jakob so sehr, daß er das Buch zu Boden warf und mit Füßen trat. Und wieder rechnete er lange und atmete schwer. Er überlegte, daß diese tausend Rubel, auf die Bank getragen, jährlich an Zinsen brächten... na, mindestens vierzig Rubel; natürlich wieder Ver- lustl Kurz, man mochte sehen, wohin man wollte: überall Verlust und nichts als Verlust I Jakobl" rief Marfa plötzlich,ich sterbe!" Er sah sein Weib an. Ihr Gesicht war rötlich von der Hitze und ungewöhnlich hell und fröhlich. Jakob kannte es nicht anders als blaß, furchtsam und unglücklich; er wurde bestürzt. Es sah wirklich aus, als stürbe Marfa und wäre froh, aus dieser Hütte, von den Särgen und von Jakob fortzukommen. Sie schaute an die Decke und bewegte die Lippen, und ihr Gesichtsausdruck war verklärt, als sähe sie den Tod, ihren Befreier, und flüsterte mit ihm. Es dämmerte bereits, durch das Fenster konnte man die Morgen- röte brennen sehen. Jakob betrachtete die Alte; und dabei fiel ihm plötzlich ein, daß er sie ihr ganzes Leben lang nicht einmal freundlich behandelt oder bedauert habe, daß er nicht einmal aus den Gedanken gekommen war, ihr ein Tüchlein zu kaufen oder von den Hochzeiten etwas Süßes mitzubringen, sondern sie nur ange- sckrien, wegen der Verluste ausgescholten hatte und mit geballten Fäusten auf sie losgegangen war. Allerdings hatte er sie nicht ge- schlagen, aber sie ward doch eingeschüchtert und blieb jedesmal starr vor Schreck. Ja, er ließ sie nicht einmal Tee trinken, weil die Ausgaben auch so schon groß genug ivarcn; und sie trank heißes Wasser. Und er verstand, warum ihr Gesicht jetzt so sonderbar und fröhlich war, und ihm wurde recht schwer ums Herz. Als der Morgen kam, lieh er vom Nachbar ein Pferd und fuhr Marfa ins Krankenhaus. Hier war eine ganze Anzahl Kranker versammelt; er mußte also warten, drei Stunden lang. Zu seiner Freude empfing die Kranken nicht der Doktor, der selbst krank war, sondern der Feldscher Maxim Nikolaitsch, von dem es in der Stadt allgemein hieß, daß er, obgleich ein Trinker und Grobian, doch mehr verstände als der Doktor selbst. Ergebcnst guten Tag," sagte Jakob, als er die Alte inS Empfangszimmer geführt hatte.Entschuldigt, daß wir Euch immer mit unseren Kleinigkeiten belästigen. Belieben zu sehen, mein Gegenstand ist erkrankt, die Lebensgefährtin, wie man sich aus- drückt, entschuldigt das Wort..." Die grauen Brauen runzelnd und den Backenbart streichelnd, begann der Feldscher die Alte zu untersuchen. Sie saß still auf einem Schemel; gekrümmt und hager, spitznäsig, mit offenem Munde, ähnelte sie einem Vogel, der trinken will.Hm... ja... So..." meinte langsam der Feldscher und räusperte sich. Influenza, Fieber, vielleicht... in der Stadt geht Typhus um. Nun, die Alte hat ja, Gott sei Dank, schon ein Weilchen gelebt.., Wie alt ist sie?" In einem Jahr wird sie siebzig, Maxim Nikolaitsch." Eine schöne Spanne Zeit." Gewiß, sehr richtig bemerkt, Maxim Nikolaitsch," sagte Jakob mit höflichem Lächeln,wir danken untertänigst für Eure Freund- lichkcit, aber erlaubt die Bemerkung, daß jeder doch gern leben möchte..." Ei, warum nicht garl" sagte der Feldscher in einem Tone, als wenn es von ihm abhinge, ob die Alte am Leben bliebe oder stürbe.Nun, mein Lieber, Du wirst ihr auf den Kopf einen kalten Umschlag tun und wirst ihr dieses Pulver geben, zweimal am Tage. Und jetzt auf Wiedersehen." Am Ausdruck seines Gesichtes sah Jakob, daß die Sache schlecht stand, und daß hier Pulver schon nicht mehr helfen konnte; ihm war jetzt klar, daß Marfa sehr halb sterben würde, nicht heute, aber morgen... Er stieß den Feldscher mit dem Ellenbogen an, zwinkerte mit fcnil Auge und sagte halblaut:Schröpfköpfe setzen, Maxim Nikolaitsch?" I bewahre! Nimm Deine Alte und geh mit Gott ." Habt Erbarmen!" flehte Jakob,Ihr selbst geruht zu wissen; wenn bei ihr, sagen wir der Bauch krank ist oder etwas Inneres, dann helfen Pulver und Tropfen, aber dieses ist doch Erkältung und bei Erkältung ist doch das erste, Blut ablassen, Maxim Nikö- laitsch." Aber der Feldscher rief schon den folgenden Kranken, und in das Empfangszinriner trat eine Frau mit einem Knaben. Scher Dich weg," sagte er finster zu Jakob,was weißt Du von Erkältung!" So setzt ihr wenigstens Blutegel! Wir wollen ewig für Euch beten I" Da ward der Feldscher zornig und schrie; Jetzt red' noch ein Wort, dann...1" Auch Jakob wurde böse und ganz rot im Gesicht, aber er sagte keine Silbe, sondern nahm Marfa bei der Hand und führte sie aus dem Empfangszimmer. Erst als beide in der Telega saßen, brummt« er mit einem finsteren Blick auf das Krankenhaus:... Nette Künstler eingesetzt! Einem Reichen hätten sie schon Schröpfköpfe gegeben, aber bei dem Armen ist ihnen auch ein Blutegel zu fchadcl Seid verflucht!" Als sie nach Hause kamen und in die Hütte eingetreten waren, band Marfa wohl zehn Minuten aufrecht gegen den Ofen gelehnt. Sie glaubte, wenn sie sich hinlegte, würde Jakob wieder von Ver- lusten reden und sie schelten, weil sie nicht arbeiten wollte. Aber